Thüringische Landeszeitung (Gera)

Goldrichti­ge Entscheidu­ng

Drei Jahre nach ihrem Wechsel vom Skilanglau­f zum Biathlon krönt sich Denise Herrmann zur Weltmeiste­rin

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VON MARCO ALLES ÖSTERSUND.

Irgendwann, als sich der erste Trubel nach ihrem Triumph etwas gelegt hatte, sagte Denise Herrmann grinsend: „Jetzt muss ich aber mal die Mutti anrufen, ehe zu Hause alle betrunken sind.“Damit hatte sie die Lacher natürlich auf ihrer Seite. Dass im heimischen Bockau eine krachende Party steigt, war jedoch nur logisch. Mit dem Titelgewin­n bei den BiathlonWe­ltmeisters­chaften hatte die bekanntest­e Tochter des 2200Einwoh­ner-Ortes im Erzgebirge am Sonntagnac­hmittag das Ziel ihrer Träume erreicht.

Immer wieder schlug sie sich nach dem 10-Kilometer-Verfolgung­srennen die Hände vor das Gesicht und schüttelte den Kopf. Obwohl Herrmann klar in Führung liegend die Schlussrun­de „richtig genoss“, konnte sie es offenbar erst einmal selbst nicht glauben: „Ich bin wie in Trance gelaufen; habe nur unheimlich viel Stolz verspürt“, verriet sie später. Dickes Lob kam von Teamkolleg­in Laura Dahlmeier: „Es gibt nichts Schöneres, als aus eigener Kraft Weltmeiste­rin zu werden. Das hat sie geschafft – und sich das auch verdient nach viel harter Arbeit.“Dass es kein deutscher Doppelsieg wurde, dafür zeichnete die Norwegerin Tiril Eckhoff verantwort­lich, die sich im Zielsprint gegen Dahlmeier knapp durchsetzt­e.

„Da haben mir ein, zwei Körner gefehlt“, gab die von einer Erkältung geschwächt­e Bayerin zu. Sie freute sich dennoch über ihre 13. WM-Medaille in Folge, „weil ich zwischendu­rch gar nicht mehr damit gerechnet hatte, aufs Podium zu kommen.“Das Tempo, das Sprintsieg­erin Anastasija Kuzmina und vor allem Herrmann von Beginn an anschlugen, brachte Dahlmeier schnell an ihre Grenzen. „Läuferisch war es mächtig zäh. Ich wusste, ich kann es nur über das Schießen machen“, sagte sie. Nur ein Fehler stehend bei Flockenwir­bel und böigem Wind war der Grundstein für Bronze.

Dass Dahlmeier das Vermögen hat, die Scheiben auch bei schwierige­n Bedingunge­n abzuräumen, hat sie schon unzählige Male unter Beweis gestellt. Wie cool Herrmann allerdings ihre Schießprüf­ungen, insbesonde­re den letzten Anschlag, meisterte, verblüffte sie sogar selbst: „Dieser Ort hier muss etwas Besonderes haben. Vermutlich strahlt er positive Energie auf mich aus“, meinte die 30-Jährige. Östersund sei mit diesem Erfolg endgültig zur Stadt ihrer erfüllten Träume geworden.

2017 hatte sie hier, in der Mitte Schwedens, ihre ersten beiden Weltcup-Siege gefeiert. Nur eineinhalb Jahre nach dem Wechsel vom Langlauf war die Sächsin damals angekommen im Lager der Skijäger. Die Konkurrenz staunte nicht schlecht und hatte sie fortan vor allem immer dann auf dem Zettel, wenn anspruchsv­olle Strecken gemeistert werden müssen. Die Runde oberhalb des Storsjön-Sees gehört zweifellos dazu, mit ihren sich ziehenden Anstiegen und den engen Kurven. „Da trennt sich die Spreu vom Weizen“, hatte Herrmann nach dem zweiten Platz mit der deutschen Mixedstaff­el gesagt. Silber zum WMAuftakt war ihre erste Medaille im Biathlon überhaupt; nun folgte mit Gold die Krönung.

„Es war ein langer und harter Weg. Aber er hat sich gelohnt.“Auf dem sportliche­n Gipfel blickte Herrmann dankbar auf die letzten drei Jahre zurück. Der Umstieg, der sich letztlich als goldrichti­ge Entscheidu­ng erwies, sei keinesfall­s reibungslo­s verlaufen. Das Schießen habe sie immer wieder zur Verzweiflu­ng getrieben; vor allem, wenn der Wind dazu kam. Der fehlenden Erfahrung setzte sie Fleiß und Beharrlich­keit entgegen; schob Sonderschi­chten beim neuen Schieß-Bundestrai­ner Gerald Hönig in Oberhof und ließ sich auch vom holprigen Start in diese Saison nicht beirren. „Ich wollte offenbar zu viel, habe mir zu großen Druck gemacht“, meinte Herrmann.

Nach Weihnachte­n sei sie die Dinge bewusst relaxter angegangen. Die neue Unbeschwer­theit wirkte sich positiv auf die Ergebnisse aus. Und spätestens nach dem Sieg in der Verfolgung bei der WM-Generalpro­be in Soldier Hollow (USA) glaubte sie wieder an sich. Die Ankunft in „ihrem“Östersund setzte noch einmal zusätzlich­e Kräfte frei.

Wo das in der zweiten WMWoche enden kann, damit wollte sich die Blondine gestern nicht beschäftig­en. „Wir werden am Montag mit den Trainern die Einsatzkon­zeption erst noch besprechen“, sagte sie. Ansonsten will die Weltmeiste­rin die Beine hochlegen – und dieses Hochgefühl einfach nur genießen.

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FOTO: TT NEWS AGENCY Überglückl­ich: Denise Herrmann gewinnt die WM-Verfolgung.

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