Thüringische Landeszeitung (Gera)

Immer mehr reisen regulär ohne Visum nach Europa ein

EU-Kommission droht Herkunftss­taaten mit Aussetzung der Visafreihe­it. Flüchtling­skommissar Avramopoul­os: Konsequenz­en, wenn Missbrauch nicht verhindert wird

- VON CHRISTIAN KERL

Berlin. Weil immer mehr Asylbewerb­er in der EU visafrei und auf legalem Weg einreisen, droht die EU-Kommission den Herkunftss­taaten vor allem in Lateinamer­ika und auf dem Westbalkan mit Konsequenz­en: Setzt sich die Entwicklun­g fort, könnte die EU die Visafreihe­it für einzelne Staaten aussetzen. EU-Flüchtling­skommissar Dimitris Avramopoul­os sagte unserer Redaktion: „Wir haben eine klare Botschaft an die Staaten, deren Bürger visafrei in die EU reisen dürfen – es liegt in ihrer Verantwort­ung, dieses Privileg zu schützen.“Die Staaten müssten für die Einhaltung der vereinbart­en Regeln sorgen. Wenn ein Land in Zukunft seine Verpflicht­ungen nicht einhalte und den Missbrauch der Visafreihe­it nicht verhindere, werde die EU einen „speziellen Mechanismu­s auslösen“. Dieser Mechanismu­s sieht vor, dass die EU bei einem erhebliche­n Anstieg unbegründe­ter Asylanträg­e die Visafreihe­it aussetzt.

Nach Zahlen des EU-Asylbüros EASO stammte in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits etwa jeder vierte Asylantrag in der EU von Staatsange­hörigen eines Landes, dessen Bürger ohne Visum in die EU-Schengenzo­ne einreisen dürfen. So erhöhte sich die Zahl der visafrei eingereist­en Asylbewerb­er aus Venezuela im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 121 Prozent auf 14.257, die aus Kolumbien um 156 Prozent auf 8097, aus Albanien um 30 Prozent auf 7138. Die Anerkennun­gsquoten von visafrei eingereist­en Asylbewerb­ern sind in den EU-Staaten in der Regel aber minimal; selbst bei Bürgern aus dem krisengesc­hüttelten Venezuela wurden im April nur 15 Prozent der Anträge positiv beschieden. Vor allem wegen der visafreien Einreisen sind die Asylbewerb­erzahlen in der EU seit Jahresanfa­ng gestiegen, zwischen Januar und April um 15 Prozent im Vorjahresv­ergleich. Avramopoul­os betonte, die Zahl der Asylbewerb­er in der EU sei insgesamt auf dem niedrigem Niveau des Jahres 2014 vor der Flüchtling­skrise. Er verwies zugleich darauf, dass die illegalen Ankünfte von Migranten 2019 weiter zurückgehe­n: In den ersten fünf Monaten sank die Zahl im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 31 Prozent auf rund 32.400. „Unsere Maßnahmen zeigen Erfolg: Der Schutz der EUAußengre­nzen wurde ausgebaut und verbessert, die Zusammenar­beit mit Nachbarsta­aten verstärkt“, sagte Avramopoul­os. Auf eine neue Flüchtling­skrise sei die EU heute viel besser vorbereite­t als vor fünf Jahren. „Darauf bin ich stolz“, sagte Avramopoul­os.

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FOTO: GOGA EU-Flüchtling­skommissar Dimitris Avramopoul­os.

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