Thüringische Landeszeitung (Gera)
Einst 20 Kilometer zur Probe gelaufen
Schalmeienkapelle Rüdersdorf feiert mit sieben anderen Musikgruppen ihr 70-jähriges Bestehen
„Dass sich meine Leute etwas einfallen lassen würden, habe ich mitbekommen. Dass ich aber jetzt eine Goldene Schallplatte erhalte, damit hätte ich nie und nimmer gerechnet. Das ist eine tolle Idee gewesen.“Marco Nowotny, Vorsitzender der Schalmeienkapelle Rüdersdorf und gleichzeitig musikalischer Leiter, genoss am Sonnabendnachmittag kurz den Applaus, den er auf der Bühne in der Festhalle in Rüdersdorf von den knapp 400 Besuchern bekam.
Die Jubiläumsveranstaltung „70 Jahre Schalmeien in Rüdersdorf“in der Festhalle der Agrar eG Rüdersdorf war in vollem Gange. Die Milkauer Schalmeien hatten gerade nach ihrem Auftritt die Bühne verlassen. Vor der Halle wartete bereits der Fanfarenzug Bachra. Die vereinsinterne Ehrung für Nowotny war einer der Höhepunkte in der Veranstaltungspause. Minuten vorher hatte Nowotny das Mikrofon selbst in der Hand, um Säulen des Vereins zu ehren. Dazu gehören seit fünf Jahrzehnten Peter Wieschollek und Helmut Rzehak. Für ihre 50-jährige Mitgliedschaft wurden sie zu Ehrenmitgliedern Nummer zwei und drei ernannt. Bis Sonnabend hatte nur Günther Wieschollek die höchste Auszeichnung des Vereins. „Die beiden, der Peter und der Helmut, sind Urgesteine. Ohne sie hätten wir bei unserem Hobby sicher nicht so viel Spaß. Sie gehören einfach dazu. Der Peter ist ja eigentlich schon 51 Jahre bei uns“, sagte Nowotny.
Vor allem Peter Wieschollek könnte mit seinen Geschichten als Mitglied des Vereins Bücher füllen. In den ersten Jahren ist er von seinem Heimatort Rothenbach bis ins 20 Kilometer entfernte Rüdersdorf immer zur Freitagprobe gelaufen. Und dann hatte er sich einen Spruch bei einer Aufnahme für eine CD geleistet. Nach einem Lied hat er gesagt: „Wenn das einen gefällt, dann fresse ich einen Besen.“Dieser Satz wurde nicht etwa herausgeschnitten aus der Aufnahme. Der Satz wurde auf dem Tonträger verewigt. Und Peter Wieschollek war seit seiner ersten Probe im Jahr 1968 immer anwesend gewesen. „Dafür gibt es Beweise. Wir haben ein Anwesenheitsbuch. Da stehen hinter seinem Namen nur Kreuze als Zeichen, dass er bei der Probe dabei gewesen war“, sagte Nowotny. Ebenfalls zum Ehrenmitglied wurde Ingrid Schlag. „Unsere Ingrid hat sich in den vergangenen Jahren immer gekümmert. Sie ist gelernte Schneiderin. Sie hat die ganzen Sachen für unseren Vereins genäht. Durch die vielen Auftritte und Proben gehen auch schon mal Hosen, Hemden oder Jacken kaputt. Da war immer Ingrid zur Stelle und hat uns sofort geholfen“, sagte Nowotny.
Dass die Musik von Schalmeien - oder Fanfarenzügen alles andere als angestaubt oder alt klingen, das machten am Sonnabend die acht Kapellen deutlich. „Die Schalmeien-Musik hat sich enorm gewandelt. Fast alle Kapellen gehen neue Wege. Sie beobachten sehr genau den Geschmack der Leute und versuchen diese Stücke, die auch in den Musikcharts ganz oben stehen, nachzuspielen. Wenn ich mich hier umschaue, genießen die Besucher die Stimmung. Sie klatschen, sie wippen, sie tanzen. Ich kann natürlich nur für unsere Kapelle sprechen. Wir versuchen ständig, aktuelle Lieder in unser Programm aufzunehmen“, sagte Nowotny.