Thüringische Landeszeitung (Gera)
Der Messkelch im Stadtmuseum Gera
Objekt des Monats Die Familien Kuhdorf und Waltheym stifteten ihn 1456 dem Marienhospital
Eines der kostbarsten Objekte des Stadtmuseums Gera ist wohl der aus Silber bestehende, vergoldete und mit Emaille Einlegearbeiten verzierte Messkelch aus dem Jahre 1456. Er hat die Größe eines normalen Trinkgefäßes.
Der Messkelch ist eng mit der Geschichte des Hospitals Beatae Mariae Virginis (Marienhospital) verbunden, dem Vorgängerbau des Zucht- und Waisenhauses, welches sich einst an der Stelle des heutigen Stadtmuseums befand. Am Fuße des Kelches sind die Wappen der Familien Kuhdorf und Waltheym angebracht, die ihn der Kapelle des Marienhospitals stifteten. Zwischen beiden Wappen findet sich außerdem ein blauer Saphir. Es war zur damaligen Zeit nicht unüblich, das vor allem gut betuchte Bürger und Adelige Geld- oder Sachspenden an die Kirche tätigten, um sich so das Seelenheil zu erkaufen.
Im 15. Jahrhundert, als der Meßkelch gestiftet wurde, gab es zwei Hospitäler vor den Toren der Stadt Gera, das St. Wolfgang Hospital und das Marienhospital. Der Begriff Hospital, auch Spital, Spitel beziehungsweise Spytl genannt, geht auf das lateinische Wort ‚hospitalitas‘ zurück und bedeutet ‚Gastlichkeit‘.
Der Aufgabenbereich des Hospitals war sehr weitreichend und beschränkte sich nicht nur auf die Versorgung von Kranken. Alle Personen, die Hilfe bedurften, wurden in Hospitälern versorgt, darunter Pilger, Alte und Arme, Kranke und Invaliden, Waisen und Findelkinder. Es war ein Ort der Fürsorge, in dem die Menschen vorübergehend oder dauerhaft untergebracht
waren. Das Hospital Beatae Mariae Virginis wurde kurz vor 1450 gegründet und durch Spenden der Familien Kuhdorf und Waltheym großzügig unterstützt. Beide Familien haben durch skrupellose Geld- und Handelsgeschäfte ihren Reichtum erlangt.
Zum Hospital gehörte außerdem eine Kapelle, die der Heiligen Jungfrau Maria geweiht wurde und der sie 1456 den kostbaren Kelch schenkten. Schon elf Jahre zuvor hatten Frantz Kuhdorf und die Brüder Hans und Ludwig Waltheym „unserer lieben Frauen Kapelle“wöchentlich drei Seelenmessen gestiftet. Gerade im ausgehenden 15. Jahrhundert spielte der Glaube in der Gesellschaft eine bedeutende Rolle, denn die Zeit zwischen dem Mittelalter und dem Beginn einer „Neuen Zeit“war gekennzeichnet von großen Umbrüchen, Entdeckungen und Erfindungen, die gleichzeitig aber auch große Unsicherheit bei den Menschen hervorriefen. Dies führte zu einer gesteigerten Frömmigkeit, die zusätzlich durch den Ablasshandel der Kirche verstärkt wurde.
Ein immer größeres Angebot zur Heilsvorsorge wurde geschaffen und von den Menschen auch rege genutzt. So ist es nicht verwunderlich, dass auch aus Gera mehrere Zuwendungen wohlhabender Bürger, unter anderem auch an die Kapelle des St. Wolfgang Hospitals, bekannt sind. So stiftete beispielsweise ein gewisser Kunz Freitag der Kapelle im Jahr 1482 die Summe von 200 Gulden. Dafür sollten für ihn und seine Familie wöchentlich zwei Messen auf ewige Zeiten gelesen werden.
Mit solchen Geld- und Sachspenden erhofften sich die Menschen damals ihr Seelenheil und kauften sich von begangenen Sünden los. Diese Praxis des Ablasshandels wurde später vor allem von Martin Luther in seinen 95 Thesen kritisiert, mit denen er im Jahr 1517 die Reformation auslöste.
„Der Messkelch ist in unserer Dauerausstellung ‚Die Geschichte Geras von den Anfängen bis heute‘ in der zweiten Etage zu sehen. “
Tabea Pandorf
Das Marienhospital gab es bis 1737
Das Marienhospital und die dazugehörige Kapelle fielen 1639 einem Stadtbrand zum Opfer, der vor allem zwischen dem Schloss-, Bader- und Klotztor wütete. Die Gebäude wurden nach diesem Brand wieder notdürftig aufgebaut und bewohnbar gemacht.
Das Marienhospital wurde anscheinend bis in das Jahr 1737 genutzt, bevor es dem damals neu errichteten Zucht- und Waisenhaus weichen musste. Danach wurde das Hospital vor das sogenannte Badergatter neben das Hospital St. Wolfgang verlegt, welches neben der Trinitatiskirche, die heute an der Heinrichstraße liegt, zu finden war. Die beiden Hospitäler bestanden bis in das Jahr 1875, bevor ein neues in der heutigen KarlLiebknecht Straße entstand und beide Hospitäler abgebrochen wurden.