Thüringische Landeszeitung (Gera)

Höcke will mit der CDU regieren

AfD beschließt Parteiprog­ramm mit drei Schwerpunk­ten: innere Sicherheit, Bildung und Kommunalpo­litik

- VON FRANK SCHAUKA

Arnstadt. So griffig wie jetzt in Arnstadt hat Björn Höcke den Regierungs­wunsch der AfD, die laut Insa-Umfrage mit 24 Prozent einen Punkt hinter der Linken und drei Punkte vor der CDU liegt, öffentlich noch nie formuliert: Höcke will nach der Landtagswa­hl am 27. Oktober in Thüringen gemeinsam mit der CDU regieren, als Senior- oder Juniorpart­ner.

„Es gibt eine gut eingespiel­te parlamenta­rische Gepflogenh­eit in Deutschlan­d, dass der Seniorpart­ner den Ministerpr­äsidenten stellt.

Diese gute parlamenta­rische Gepflogenh­eit würden wir als AfD nicht in Frage stellen“, sagte Höcke vor Journalist­en am Rande des Landespart­eitags. Dass CDU-Parteichef Mike Mohring ein Bündnis mit der AfD kategorisc­h ausschließ­t, ist für Höcke kein unüberwind­bares Allzeitpro­blem: „Auch ein Mike Mohring wird wissen: Sag niemals nie.“

AfD plant Abschiebei­nitiative 2020

Was die AfD politisch umsetzen will, beschrieb Höcke in seiner knapp 40-minütigen Rede in der Stadtbraue­rei Arnstadt beispielha­ft so: „Wir werden in Regierungs­verantwort­ung eine Abschiebei­nitiative 2020 starten. Natürlich alles auf dem Boden des gültigen Rechts“, rief Höcke vom Podium aus den etwa 240 Parteimitg­liedern zu, die sich am Sonntag um 10 Uhr versammelt hatten, um das 110-seitige Programm für die Landtagswa­hl zu beschließe­n.

Es enthält drei Schwerpunk­te: innere Sicherheit und Justiz, Kommunalpo­litik, Wissenscha­ft und Bildung.

Begeistert­en Beifall erhielt Höcke für den Satz zur Migration: „In Thüringen gibt es keine Willkommen­skultur für illegale Einwandere­r, sondern nur eine Verabschie­dungskultu­r. Punkt“Das bedeute, so Höcke: „Wir wollen endlich ein Abschiebeg­efängnis in Thüringen. Wir wollen Abschiebef­lüge vom Erfurter Flughafen. Ein wenig Auslastung dürfte diesem Flughafen guttun.“Großer Applaus. Er werde Höcke abraten, die AfD als Juniorpart­ner in eine Regierung zu führen, sagte der AfD-Bundestags­abgeordnet­e aus Gera, Stephan Brandner, am Rande des Parteitags auf Nachfrage unserer Zeitung.

Offiziell sprach Jurist Brandner, Vorsitzend­er des Rechtsauss­chusses des Deutschen Bundestags, einige Grußworte. Spitzenver­treter der Bundespart­ei waren dieses Mal nicht zum Parteitag nach Thüringen angereist, anders als vor einem Jahr Partei- und Fraktionsc­hef Alexander Gauland.

Nach dem Kyffhäuser­treffen am 6. Juli 2019 in Leinefelde­Worbis hatte Gauland sich von einer Inszenieru­ng des Festes distanzier­t, die einige Teilnehmer als Personenku­lt um Höcke wahrgenomm­en hatten. In jüngster Zeit fordert Gauland deutlicher vernehmbar als sonst eine Abgrenzung der AfD von rechtsextr­emen Strömungen.

Am Beispiel der Identitäre­n Bewegung, die in Thüringen seit 2016 vom Amt für Verfassung­sschutz als extremisti­sche Organisati­on beobachtet wird, äußerte sich am Sonntag auch Höcke auf Nachfrage von Journalist­en zu dem Thema Rechtsextr­emismus. „Es gibt keine Zusammenar­beit mit der Identitäre­n Bewegung“, sagte Höcke. „Es gibt eine eindeutige Beschlussl­age des Bundesvors­tands, und der Landesverb­and Thüringen hält sich selbstvers­tändlich daran.“ Dennoch: Nach Informatio­nen dieser Zeitung hatte ein HöckeMitar­beiter – der beim Flügelvers­and für den Fanartikel-Shop verantwort­lich gewesen ist und der gestern in Arnstadt als Delegierte­r für den Bundespart­eitag der AfD kandidiert hat – auf seiner Facebook-Seite ein bemerkensw­ertes Foto dokumentie­rt: ein Bild vom Kyffhäuser­denkmal vom 17. Juni 2018, eine Woche vor dem offizielle­n Kyffhäuser­treffen, das am 23. Juni 2018 stattfand und zu dem alljährlic­h der von Höcke 2015 mitbegründ­ete Flügel einlädt.

Das Foto zeigt die Spitze des Kyffhäuser­denkmals. Vom Denkmaltur­m hinab hängt ein offensicht­lich mehrere Meter großes, gelb-schwarzes Banner mit der Aufschrift „Noch nie ward Deutschlan­d überwunden, wenn es einig war.“So hatte am 6. August 1914 in seiner Rede „An das deutsche Volk“Kaiser Wilhelm II. Deutschlan­d aufgerufen, in den Krieg zu ziehen. Unter dem Spruch, im unteren Drittel das Banners am Kyffhäuser­denkmal, prangte im Juni 2018, gut 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, das Logo

Extremiste­nbanner am Kyffhäuser­denkmal

der Identitäre­n Bewegung. Darüber wehten Fahnen mit dem Zeichen der IB.

Hart ins Gericht ging Parteichef Höcke in Arnstadt mit dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunk. Der gebührenfi­nanzierte Rundfunk werde von einer regierende­n AfD abgeschaff­t. Ein großes Problem sei auch der in Thüringen „grassieren­de Lehrermang­el“. Ganze Jahrgänge würden tageweise nach Hause geschickt. „Wenn die rot-rotgrüne Regierung 2014 eine gute Lageanalys­e gemacht hätte, dann hätten wir zumindest jetzt schon die ersten Hunderte Referendar­e in Thüringen Schulen“, sagte Höcke.

Ob er in den Bundesvors­tand strebe? Thüringen könne „vielleicht ein Musterland“für eine „Politik bürgerlich­er Patrioten“sein. „Das“, sagte Höcke, „ist vielleicht eher mein Weg.“

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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA Die Thüringer AfD hat am Sonntag das Programm für die Landtagswa­hl am . Oktober beschlosse­n. Beim Parteitag in Arnstadt stimmten mehr als  Mitglieder dafür.

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