Thüringische Landeszeitung (Gera)

Gera verzehnfac­ht Fläche mit Eingemeind­ungen

Über 15.000 Hektar groß ist die Stadt heute. Die letzten zwölf Orte kamen im Jahr 1994 zu Gera

- Von Christel Gäbler

Der Übergang vom 19. zum 20. Jahrhunder­t war in Gera durch einen industriel­len Aufschwung charakteri­siert. Er brauchte Flächen für Fabriken. Zeitgleich wurden dörfliche Strukturen abgelöst. In diesem Sinn wurden in den eingemeind­eten Orten vermehrt Standorte für mittelstän­dische Gewerbebet­riebe, Handelsver­tretungen, Fabriken und die zur Versorgung der Bevölkerun­g erforderli­chen Einrichtun­gen erschlosse­n. Neben der Errichtung moderner, größerer Schulgebäu­de, wurde auch die Infrastruk­tur in den Vororten verdichtet, um die Anbindung an die Stadt Gera zu verbessern.

Die Vervierfac­hung des Geraer Stadtgebie­tes von 1912 bis 1924

Nachdem bereits 1905 Bieblach und 1912 Debschwitz eingemeind­et worden waren, bewirkte die Politik des Jahres 1919 mehr als die Verdopplun­g der Grundfläch­e Geras durch die Eingemeind­ung von Pforten, Untermhaus, Tinz, Milbitz, Thieschitz, Rubitz, Zwötzen, Leumnitz und Lusan. Auf diese Art und Weise wuchs nicht nur die Grundfläch­e des Geraer Stadtgebie­tes von 1522 Hektar auf 3639 Hektar an, sondern die Bevölkerun­gszahl Geras stieg damit von 45.634 im Jahr 1900 auf 73.661 Personen im Jahr 1919. Wenngleich die Verträge zunächst lediglich von den Gemeindeve­rtretern der Orte Pforten, Leumnitz, Tinz und Oberröppis­ch unterzeich­net wurden, so erfolgte die Eingemeind­ung der übrigen genannten Gemeinden schließlic­h auch gegen den Widerstand der Gemeindeve­rtreter per Notgesetz. Die Eingemeind­ung Oberröppis­chs wurde 1925 revidiert, erfolgte jedoch zusammen mit Unterröppi­sch im Jahr 1950 erneut und besteht bis heute fort.

Nach der Eingemeind­ung Ernsees 1922 erfolgte die nächste Einwie gemeindung­swelle im Jahr 1923 mit den Orten Scheubengr­obsdorf, Windischen­bernsdorf, Frankentha­l und Töppeln, wobei Töppeln 1924 wieder ausgemeind­et wurde. Betrachtet man die Entwicklun­g im Zeitraum von 1912 bis 1924, so kann konstatier­t werden, dass sich in diesen zwölf Jahren die Fläche der Stadt Gera von 1331,72 Hektar auf 5588,38 Hektar mehr als vervierfac­ht hat.

Die Eingemeind­ungen der Jahre 1950 und 1994

Weitere größere Eingemeind­ungen erfolgten in den Jahren 1950 und 1994. Vor 70 Jahren wurde unter anderem auch das erst 1933 mit dem Stadtrecht versehene Langenberg (mit Stublach) eingemeind­et. Darüber hinaus erfolgte 1950 kamen Roschütz, Zschippern, Lietzsch, Kaimberg, Poris-Lengefeld, Taubenpres­keln, Liebschwit­z, Röppisch, Zeulsdorf, Dürreneber­sdorf und Langengrob­sdorf zu Gera. Im Rahmen der Eingemeind­ungsproble­matik des Jahres 1950 hob Clement Toepel, der damals für dieses Prozedere zuständige Bürgermeis­ter, die Eingemeind­ung von Kaimberg besonders hervor, indem er notierte: „Die in Kaimberg abgehalten­e Gemeindeve­rtretung mit Gemeindeve­rsammlung ist wohl als die positivste und markantest­e der von mir vorgenomme­nen Eingemeind­ungen anzusehen. Nicht nur, dass diese Versammlun­g sehr gut besucht war, zeugte dieselbe auch von einem laufenden guten Einvernehm­en mit dem Gemeindera­t und zeigte darüber hinaus auch eine rege und wertvolle Diskussion.“

Von den 482 Kaimberger Einwohnern am 4. Juli 1950 waren zwischen 90 und 100 Personen der Einladung zu dieser Gemeindeve­rsammlung gefolgt. Betont wurde, dass Kaimberg über umfangreic­he Bauflächen sowie einen ausgedehnt­en Waldbestan­d verfügte. Allerdings herrschten in allen neu eingemeind­eten Orten auch Zweifel darüber, ob die Stadt Gera den Anforderun­gen und Besorgniss­en in den Ortsteilen auch gerecht werden könnte. So wurde in Kaimberg unter anderem beklagt, dass ein starker Mangel an Schuhwerk herrschte. Besonders die Schulkinde­r, die für die letzten Schuljahre nach Zwötzen laufen mussten so

viele Werktätige, die ihrer Arbeit in Gera nachgingen, hatten einen hohen Bedarf an Schuhen, dem bis dahin nicht abgeholfen werden konnte. Auch die Anbindung an den öffentlich­en Nahverkehr sowie der schlechte Zustand der Straßen und Wege wurden vielerorts thematisie­rt. Somit erhofften sich die Bürgerinne­n und Bürger dieser Orte eine Verbesseru­ng der Situation in ihren Ortsteilen durch die Zugehörigk­eit zur Stadt Gera.

Zwölf Eingemeind­ungen im Jahr 1994

Im Jahr 1994 konnte der seit 1989 kontinuier­lich im Rückgang befindlich­en Einwohnerz­ahl Geras durch die Eingemeind­ung weiterer Orte und damit den Zugewinn von 5170 Einwohnern noch einmal kurzzeitig abgeholfen werden. Zu den zwölf Gemeinden, die 1994 zur Stadt Gera eingemeind­et wurden, zählten Roben (mit den Ortsteilen Roben, Rusitz, Steinbrück­en), Röpsen (mit Röpsen, Dorna und Negis), Söllmnitz (mit Söllmnitz, Lauenhain und Wernsdorf), Thränitz (mit Thränitz, Collis und Stern), Weißig (mit Weißig, Gorlitzsch und Schafpresk­eln), Naulitz, Aga (mit Lessen, Reichenbac­h, Großaga, Kleinaga und Seligenstä­dt), Cretzschwi­tz, Falka (mit Großfalka, Kleinfalke, Niebra und Otticha), Hermsdorf, Hain (mit Wachholder­baum) sowie Trebnitz (mit Trebnitz, Laasen). Durch diese Eingemeind­ungen erreichte die Fläche der Stadt Gera 1994 eine Gesamtgröß­e von 151,9 Quadratkil­ometer, das heißt 15.190 Hektar.

Seit den ersten beiden Eingemeind­ungen vor 115 und 108 Jahren hatte sich die Grundfläch­e des Geraer Stadtgebie­tes somit fast verzehnfac­ht.

Die Autorin des Beitrages ist die Leiterin des Geraer Stadtarchi­vs. Ihr Beitrag ist Teil der diese Woche veröffentl­ichen „Nachrichte­n aus dem Stadtarchi­v“.

 ?? FOTO: STADTMUSEU­M GERA ?? Landkarte mit den Eingemeind­ungen zum Geraer Stadtgebie­t seit dem Jahr 1905 (Quelle: Stadtmuseu­m Gera: Die Geschichte Geras von 1914 bis heute, Gera 2010, S.84)
FOTO: STADTMUSEU­M GERA Landkarte mit den Eingemeind­ungen zum Geraer Stadtgebie­t seit dem Jahr 1905 (Quelle: Stadtmuseu­m Gera: Die Geschichte Geras von 1914 bis heute, Gera 2010, S.84)

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