Thüringische Landeszeitung (Gera)
Ein bisschen Seelentröster und Mutmacher
Die Inhaberin des kleinen Kiosks auf der Sorge/Hinter der Mauer kennt manchen Kunden schon von klein auf
Pünktlich sechs Uhr öffnet Steffi Hadersbeck von Montag bis Freitag und Samstag ab 7 Uhr ihren kleinen Kiosk Sorge/Hinter der Mauer, schon 28 Jahre lang. Seit vielen Tagen lässt sie ihre Kunden einzeln eintreten, um eine Ansteckung mit Corona zu vermeiden. Sie selbst trägt blaue Handschuhe. Im etwa 20 Quadratmeter großen Raum, in dem unter anderem Zeitungen, Zigaretten, Getränke und Lottoscheine verkauft werden, riecht es nach Desinfektionsmittel. Sogar der Geldteller wird ständig abgewischt. Hygiene muss sein.
Der Erste wartet schon. Auf Kaffee und Morgenzeitung will der 50Jährige nicht verzichten. Er hat es eilig. „Zum Glück habe ich noch Arbeit“, sagt er und verschwindet. Im Laufe des Tages betritt Hildeburg Patzner das Geschäft. „Ach wissen Sie, ich brauche meine Fernsehzeitung und meine bunte Illustrierte“. Die 75-Jährige kommt immer donnerstags. „Mit gefällt der Kundendienst“, sagt sie. „Ich werde mit Namen begrüßt.“Einige kenne Steffi Hadersbeck von klein auf. „Als Kinder verlangten sie Lollis und heute Zigaretten.“
Das Schicksal kann gemein sein
Oft nutzen die Älteren den Kioskbesuch zum Reden. „Viele haben niemanden mehr. Sie erzählen über den Verlust eines geliebten MenWir schen, über die Kinder, auf die sie vergeblich warten. Arbeitslose klagen ihr Leid.“Das Schicksal kann gemein sein. Steffi Hadersbecks
Mitarbeiterin Birgit Wollny füllt für die Stammkunden auch mal Anträge für Behörden aus. „Manchmal fühlen wir uns wie Mutter Teresa.
sind Seelentröster und Mutmacher. Nun vielleicht noch mehr.“
Mit erhobenem Zeigefinger
Mehr denn je erhebt die Chefin ihren Zeigefinger. „Wiederholt weise ich die Senioren darauf hin, sie sollen zu Hause bleiben. Sie sind schließlich am meisten gefährdet.“Allerdings hätten diese am wenigsten Angst, sagt sie. „Ich brauche frische Luft. Alles übertrieben. Wir haben schon den Krieg überstanden“, begründen sie ihr Erscheinen.
Regelmäßig schaut Günter Schönfelder vorbei. Er füllt gerade seinen Lottoschein aus. Der Laden sei sein Glücksbringer, sagt Günter Schönfelder. „Und die Damen ganz freundlich.“