Thüringische Landeszeitung (Gera)

Schillers Glocke passt nur auf ein Straußenei

Ostereiges­talter zeigen mit ihren zerbrechli­chen Objekten ein altes Handwerk

- Von Ilona Berger

„228 Wörter zählt Goethes Osterspazi­ergang“, sagt Andrea Steinel aus Gera. Das berühmte Gedicht hat sie auf ein weinrot gefärbtes Hühnerei gebannt. Auf anderen Eiern sind Zitate, Balladen und Volksliede­rn mit Noten gekratzt. Der Zauberlehr­ling musste auf ein Gänseei. Der Text war zu lang. Friedrich Schillers „Das Lied von der Glocke“passte nur auf ein Straußenei. Es hat 2049 Wörter.

Wenn sie sich verschreib­t, dann war die Arbeit umsonst

Für die gelernte Bauzeichne­rin war das eine Herausford­erung. „Vorab kann ich die Einteilung immer schlecht beurteilen. Es dürfen keine Buchstaben übrig bleiben. Neu auf einem Ei zu lesen ist das Gedicht „Die drei Spatzen“von Christian Morgenster­n. „Mein Enkel musste es lernen. Im Winterurla­ub hat er es immer aufgesagt. Der Siebenjähr­ige brachte mich auf die Idee“, erzählt Andrea Steinel.

Beim Beschrifte­n würde nicht viel kaputt gehen, sagt die Geraerin. Verschreib­t man sich allerdings, war die Arbeit umsonst.

Beim Gestalten den Unterschie­d gesucht

Seit 14 Jahren verziert sie ihre Eier mit klassische­r Literatur. „Traditione­lle Techniken wie gefilzt, gefräst, gebohrt oder perforiert gibt es reichlich. Also habe ich überlegt, wie ich mich unterschei­den kann. Irgendwann kam mir die Idee.“

18 dieser außergewöh­nlich gestaltete­n Eier von Andrea Steinel wären zum „15. Ostereierm­arkt Gera“im Museum für Naturkunde der Stadt zu sehen gewesen.

Fast alle Vitrinen waren schon mit wunderbare­n und außergewöh­nlichen Objekten bestückt. Das Coronaviru­s stoppte den weiteren Aufbau. Im nächsten Jahr, so der Museumspäd­agoge Frank Hrouda, soll die Ausstellun­g mit den möglichst gleichen Exponaten zu sehen sein.

Olaf Frenzel aus Ichtershau­sen positionie­rte sieben seiner kunstvoll und mit edlen Materialie­n verzierten Eier in die Vitrinen. Der Kunsthandw­erker, der sonst Eigenes schöpft, brachte Nachbauten und Adaptionen von Peter Carl Fabergé mit. Der 1846 in St. Petersburg geborene und 1920 in Lausanne verstorben­e russische Goldschmie­d und Juwelier des russischen Zaren ist weltberühm­t für seine meisterhaf­ten Schmuckstü­cke, vor allem für seine Fabergé-Eier. 2020 jährt sich sein Todestag zum 100. Mal.

Zu bewundern wäre unter anderem Olaf Frenzels filigrane Adaption vom Eisenbahn-Ei. Grundlage des Kunstwerks ist ein graviertes Straußenei mit Marmor-Sockel und vergoldete­r Fassung. Es zeigt den Verlauf der 1900 eröffneten Transsibir­ischen Eisenbahn. Das Original dieses Eies wurde am 13. Januar 1901 dem russischen Zaren geliefert und kostete 7000 Rubel.

Der Unterschie­d: Das Grüne Gewölbe wird gefüllt

„In meiner Werkstatt sieht es aus wie im Grünen Gewölbe. Der Unterschie­d: Ich räume es nicht aus, sondern fülle es“, ulkt Frenzel. Eine Schau vor vielen, vielen Jahren und der Kauf eines Buches mit der Abbildung eines Maiglöckch­en-Eies von Fabergé regte den heute 62Jährigen an. Er holte sich ein Nandu-Ei und empfand das Gesehene nach. Der Frau gefiel es. „Nun erhält sie jedes Jahr zum Hochzeitst­ag eine Adaption eines Fabergé-Eies.“20 seien es schon, glaubt er. „Seit 1996 fertige ich in meiner Werkstatt kunsthandw­erkliche Arbeiten im Stil des Barock an, zum Beispiel Straußenei­pokale, Edelsteins­chalen und Produkte aus Kokosnuss. Ich glaube, ich bin in Deutschlan­d der Einzige, der so etwas herstellt. Seine Stücke sind entweder vergoldet, versilbert oder mit SwarovskiS­teinen verziert. Private Käufer, vor allem Frauen, und Museen, finden Interesse an Frenzels Arbeiten.

18 Ostereiges­talter wollten mit ihren Exponaten ein altes Handwerk vorstellen. Jana Müller aus Gera gehörte dazu. Um ihren Bienenkorb, den ein sehr guter Freund geflochten hatte, schwirrten 26 lustig anzusehend­e Ei-Bienen mit Acrylfarbe gemalt. „Schade, dass die Ausstellun­g nicht stattfinde­t. Aber die Sicherheit geht vor.“

 ?? FOTO: PETER MICHAELIS ?? Kunsthandw­erker Olaf Frenzel, der sonst eigene Schöpfunge­n verwirklic­ht, stellt Nachbauten von Ostereiern von Peter Carl Fabergés aus.
FOTO: PETER MICHAELIS Kunsthandw­erker Olaf Frenzel, der sonst eigene Schöpfunge­n verwirklic­ht, stellt Nachbauten von Ostereiern von Peter Carl Fabergés aus.
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FOTO: PETER MICHAELIS

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