Thüringische Landeszeitung (Gera)
Vertrauen in der digitalen Welt
1 Wie entsteht eigentlich Vertrauen in einer Geschäftsbeziehung, beispielsweise zwischen Kunden und Berater?
Durch meiner Erfahrung aus 30 Jahren Arbeit in Verkauf, Marketing und Beratung habe ich festgestellt: Vertrauen basiert auf der Glaubwürdigkeit, die aus dem Zusammenspiel entsteht zwischen dem was ich tue und dem, was ich sage. Wenn beides nicht zusammen passt, bleibt das Vertrauen aus. Die oft als oberflächlich verschriene Optik – und die schließt Körpersprache, Gestik und Mimik mit ein – wird somit zu einem Türöffner für das, worum es eigentlich gehen soll.
2 Lässt sich dieses Vertrauen auch virtuell über das Internet herstellen?
Kaum, denn technische Geräte wirken wie ein Filter: Die Körpersprache, das Leuchten in den Augen oder die Tonlage kommen digital einfach anders rüber. Und noch etwas fehlt: Die berühmte Wellenlänge, die nur beidseitig entstehen kann. Gerade Beratungsangebote werden zwangsläufig einseitig, sobald sie online gehen und womöglich in einer hohen Auflage verbreitet werden sollen. Gerade jetzt, in Corona-Zeiten, sollten wir abwägen, ob digital das richtige Medium für diese Botschaft ist – oder ob es auf Kosten der Qualität geht. Beratung heißt auch nicht, dem Kunden zu geben, was er hören will, sondern sie sollte im Dialog stattfinden und ehrlich sein. Und die Basis, auf der sie ehrlich sein kann, lässt sich nicht digitalisieren. Anders ist das sicherlich, wenn wir den anderen bereits gut genug kennen.
3 Sehen Sie bei rein digitalem Kontakt größere Gefahren, dass Vertrauen missbraucht wird?
Ja, denn in der digitalen Welt finden diejenigen Menschen einen guten Ansprechpartner, die in der analogen Welt ihren Bedarf nicht gedeckt sehen. Das sieht man zum Beispiel in Partnerbörsen, aber auch in der Produkt- oder Beratungswelt: Wer einen hohen Bedarfsdruck hat, neigt zu Fehlkäufen oder Fehlentscheidungen.