Thüringische Landeszeitung (Gera)
Ärger um systemrelevante Berufe
Linker Bildungsminister und SPD-Wirtschaftsminister uneins wegen Jobcenter und Aufbaubank
In der Thüringer Landesregierung herrscht Uneinigkeit darüber, welche Berufe im Zuge der Corona-Krise „systemrelevant“sind. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hält die bisherige Einordnung von Bildungsminister Helmut Holter (Linke) für „nicht vertretbar“, wie er in einem Brief an seinen Kabinettskollegen wissen lässt.
Tiefensee fordert, unter anderem auch die Mitarbeiter von Aufbaubank
und Jobcentern als „kritische Infrastruktur“einzustufen. Kinder, deren Eltern in diesem Bereich tätig sind, werden trotz geschlossener Kitas oder Schulen notbetreut.
Weil Beschäftigte von Förder- und Kreditinstituten sowie Arbeitsagenturen die Liquiditätshilfen und das Kurzarbeitergeld des Rettungsschirms bearbeiten, kommt ihnen aus Tiefensees Sicht Systemrelevanz zu. Andere Bundesländer hätten daher eine solche Einstufung vorgenommen. „Nur wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen ungehindert fließen, kann der Anstieg der Insolvenzen und Entlassungen in Thüringen aufgehalten werden“, so der Wirtschaftsminister.
Auch die Personalräte der Jobcenter haben Holter geschrieben und berichten von „enormer Arbeitsverdichtung“. Um die Aufgaben erfüllen zu können, sei der Arbeitszeitrahmen von 6 bis 22 Uhr ausgeweitet worden. „Uns obliegt die Sicherung des inneren sozialen Friedens in unserem Bundesland“, mahnen sie. Es gehe um die Zahlungen an die Menschen, die jetzt in eine sehr schwierige finanzielle Lagen geraten seien.
Im Thüringer Bildungsministerium sagt Holters Sprecher, man schätze die Tätigkeiten sehr, könne allerdings keine Ausnahme machen. „Ansonsten schaffen wir einen Präzedenzfall für ganz viele Einrichtungen, die auch sehr wichtige Aufgaben erledigen.“Und dann stelle sich die Frage, ob das Schließen der Kitas und Schulen noch Sinn mache und die Ziele der Pandemiebekämpfung erreicht werden könnten.