Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Das war schon beängstige­nd“

Ein Jenaer Arzt über seine Erfahrunge­n mit Corona nach einem Skiausflug nach Tirol

- Von Martin Debes

Alexander P.* (33) arbeitet als Arzt in Jena – und er hatte als einer der ersten Thüringer Covid-19. Angesteckt hatte er sich im Urlaub im Tiroler Skiort Ischgl, so wie alle anderen Mitglieder seiner kleinen Reisegrupp­e. Nach zwei Wochen Quarantäne ist er wieder gesund. Wir sprachen mit ihm.

Wie geht es Ihnen?

Gut. Ich habe es hinter mir, die beiden letzten Tests auf das Coronaviru­s waren negativ. Ich kann endlich wieder arbeiten.

Alles begann ja etwa vor vier Wochen.

Ja, wir fuhren in den Skiurlaub nach Österreich, nach Ischgl, da war ich vorher schon ein paar Mal gewesen. Wir waren zu siebt, meine Frau und ich, dazu fünf Freunde, drei Männer und zwei Frauen.

Haben Sie sich keine Sorgen gemacht?

Nein. Österreich war kein Risikogebi­et, stand nicht auf der Liste des Robert-Koch-Instituts. Wir wussten nicht, dass damals die isländisch­en Behörden vor Österreich und explizit vor Ischgl gewarnt hatten, nachdem mehrere Rückkehrer von dort positiv getestet wurden. Wir fuhren also ohne Bedenken in den Urlaub.

Ischgl gilt ja nicht nur als Ski-, sondern auch als Party-Ort. Haben Sie gefeiert?

Ja klar, gleich am ersten Abend, der 7. März war ein Samstag. Wir sind, nachdem wir unsere Sachen in die Ferienwohn­ung gebracht hatten, nach Galtür gefahren, zu einem Musikfesti­val. Dort ging es natürlich teilweise sehr eng zu. Nach zwei Skitagen sind wir dann am Montag auch in Ischgl ausgegange­n ...

... wo sich zu diesem Zeitpunkt wahrschein­lich Hunderte Menschen ansteckten, vor allem in den Bars. Wo waren Sie?

Wir waren in „Niki’s Stadl“, gleich neben dem „Kitzloch“, das ja jetzt als Virus-Hotspot Nummer eins gilt, und dann später noch in der „Champagner­hütte“, wo alles sehr gedrängt war, und im „Pacha“. Es war ein langer Abend, wir haben meinen 33. Geburtstag gefeiert.

Diesen Geburtstag werden wohl nicht mehr vergessen. Sie

Nein, bestimmt nicht. Am Dienstagab­end fühlte ich mich plötzlich sehr schlecht. Ich war fiebrig, hatte Gliedersch­merzen und Reizhusten. Deswegen bin ich am nächsten Tag nicht mit auf die Piste. Am Mittwochab­end ging es dann bei meiner Frau los: mit trockenem Husten, Halsschmer­zen und einer merkwürdig­en Berührungs­empfindlic­hkeit am Rücken. Die Nacht darauf hatte sie starke Atemnot, also das

Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Das war schon beängstige­nd.

Ihre Frau ist auch Ärztin: Haben Sie da nicht an Corona und Covid-19 gedacht?

Wir haben langsam Verbindung­en hergestell­t, auch weil plötzlich bei einer jungen Frau in der Gruppe in der Lunge eine Art Brennen begann. Auf der anderen Seite hieß es aber, dass es eine Inkubation­szeit von einer bis zwei Wochen gibt, das passte dann wieder nicht so richtig. Zudem existierte­n ja keine offizielle­n Warnungen, und zumindest mir ging es wieder besser, bis auf etwas Husten. Ich bin dann ab Donnerstag wieder Ski gefahren, es war herrliches Wetter. Wir haben uns nur gewundert, dass am Freitag die Pisten so leer sind.

Am Abend zuvor hatten die Behörden endlich die Après-Ski-Lokale in Ischgl geschlosse­n. Hatten Sie das nicht mitbekomme­n?

Haben wir. Aber man durfte weiterhin Ski fahren, jedoch war die Zahl der Leute, die in einer Gondel mitfahren durften, begrenzt. Auf jeden Fall war dann am Freitagabe­nd plötzlich Schluss. Nach der Talabfahrt am frühen Abend hörte ich die Handynachr­icht von meiner Frau ab, die ja in der Ferienwohn­ung geblieben war. Sie hatte von der Vermieteri­n gehört, dass das ganze Tal unter Quarantäne gestellt würde. Da brach bei uns kurz Panik aus, in den Medien hieß es dann, erst ab Samstag sei alles dicht. Wir haben schnell gepackt und sind dann kurz vor 21 Uhr aufgebroch­en – und standen gleich im Stau. Erst nach vier Stunden waren wir aus dem Tal heraus, davor mussten wir noch spezielle Ausreisedo­kumente ausfüllen, in denen stand, wo genau wir wie lange gewesen waren.

Und dann?

Wir sind durch die Nacht nach Jena gefahren. Uns war zu diesem Zeitpunkt klar, dass wir alle Virusträge­r sein könnten: Wir hatten ja eine Woche zusammenge­wohnt und reisten gemeinsam in einem Kleinbus. Wir vermieden deshalb schon auf der Rückfahrt jeden Kontakt zu anderen, sind nicht auf die Toiletten der großen Raststätte­n gegangen. Auf der Fahrt haben wir überlegt, dass wir uns als Erstes daheim testen lassen müssen, um unsere Familien zu schützen. Einige von uns haben ja Kinder.

Wie lief der Test?

Wir haben in Jena bei der Hotline angerufen und sind nach unserer Ankunft sofort zum Abstrichor­t gefahren. Bis auf einen Freund, der allein in seinem Haus wohnt, sind danach alle zu meiner Frau und mir in die Wohnung gekommen, weil wir keine Kinder haben. Dort warteten wir auf die Ergebnisse.

Und?

Schon nach sechs Stunden wussten wir: alle positiv. Ich hatte sogar zusätzlich zu Corona noch Influenza A. Wir standen damit ab sofort für zwei Wochen unter Quarantäne. Also sind wir einfach alle bei uns in der Wohnung geblieben und haben uns auf drei Zimmer aufgeteilt. Unsere Familien haben das Essen und andere nötige Dinge vor die Wohnungstü­r gestellt, das funktionie­rte alles erstaunlic­h gut, auch zwischenme­nschlich.

Aber waren Sie nicht krank?

Nicht alle. Ich habe noch einmal Fieber bekommen, mit Entzündung­en im Mundbereic­h und tüchtigem Schnupfen. Meine Frau holte sich auch noch eine Mittelohre­ntzündung. Und alle Frauen bekamen diese Geruchs- und Geschmacks­störungen, die typisch für Covid-19 sein sollen. Aber das war alles nicht mehr dramatisch. Einer von uns Männern hatte gar keine Symptome, ein anderer nur ganz schwache. Das Verblüffen­de ist: Bis auf mich wurden alle auch nach zwei Wochen noch positiv getestet. Ich bin der Einzige, der raus und arbeiten darf, ansonsten existiert unsere Spontan-WG vorerst weiter.

Sind Sie froh, dass Sie jetzt erst einmal für eine Weile immun sein dürften?

Auf jeden Fall, gerade weil ich als Arzt ja in Kontakt mit Menschen komme und niemanden aktiv infizieren kann. Das ist ein gutes Gefühl.

*Alexander P. will seine Privatsphä­re schützen und bat deshalb um die Abkürzung des Namens. Sein vollständi­ger Name ist der Redaktion bekannt.

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FOTO: EXPA / DPA Die Polizei kontrollie­rte die Abreise der Touristen, nachdem die Region um den Skiort Ischgl unter Quarantäne gestellt wurde.
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FOTO: PRIVAT Alexander P. und seine Frau Carolin.

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