Thüringische Landeszeitung (Gera)
Wie fühlt sich Quarantäne an, Herr Merz?
Der Kandidat für den CDU-Parteivorsitz über seine Infektion, lange Skatabende und seine Zukunft
„Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals 14 Tage am Stück im Haus geblieben zu sein.“
Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, ist am 15. März positiv auf das Coronavirus getestet worden. Vermutlich hat er sich wenige Tage zuvor in Berlin angesteckt. Im Interview spricht er über seine 14-tägige Quarantäne in seiner Heimat.
Was haben Sie nach Ablauf der zweiwöchigen Quarantäne als Erstes unternommen?
Friedrich Merz: Ich bin endlich mal wieder gleich morgens zu meinem Bäcker gefahren und habe frische Brötchen geholt. Wir sind zwar in den Tagen zuvor von den Nachbarn gut versorgt worden, aber es war ein befreiendes Gefühl, wieder das Haus verlassen zu dürfen.
Wie haben Sie die Erkrankung erlebt?
Ich hatte viel Glück, weil die Symptome denen einer leichten bis mittleren Grippe entsprachen. Ich litt unter Halsschmerzen, Ohrenschmerzen und einem hartnäckigen Schnupfen. Das Ganze hat allerdings länger gedauert, als ich es von einer Grippe-Erkrankung normal kenne, wenn ich die denn überhaupt einmal habe. Die zwei Wochen im Haus waren schon herausfordernd, zumal meine Frau und unsere jüngste Tochter ebenfalls unter Quarantäne gestellt wurden. Sie sind beide zum Glück nicht erkrankt. Ich musste rund 80 Kontaktpersonen an das Gesundheitsamt im Hochsauerlandkreis melden. Gott sei Dank habe ich auch außerhalb der eigenen Familie, soweit ich es übersehen kann, niemanden angesteckt. Insbesondere meine Eltern, die ich kurz vorher noch gesehen hatte, sind verschont worden. Insofern hat sich bei mir alles zum Guten gewendet.
Zwangsurlaub oder Hausarrest? Wie fühlt sich Quarantäne an?
Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals 14 Tage am Stück im Haus geblieben zu sein. Aber ich habe es trotzdem nicht als unangenehme Zeit empfunden. Ich habe viel gelesen, viel am Schreibtisch gearbeitet, viele Telefonkonferenzen geführt. Und wir haben fast jeden Abend Skat gespielt, natürlich mit Abstand voneinander.
Und wer hat gewonnen?
(lacht) Ich habe ein bisschen mehr Erfahrung als meine Frau und unsere Tochter.
Haben Sie das Gefühl der Angst gespürt?
Nein, zu keinem Zeitpunkt. Ich gehöre aber auch zu keiner Risikogruppe. Ich habe keine gesundheitlichen Vorschäden und bin relativ gut in Form, weil ich regelmäßig Sport treibe. Deswegen war ich von Anfang an zuversichtlich, dass die Krankheit bei mir mehr oder weniger glimpflich verlaufen würde.
Wie wird die Krise die Gesellschaft verändern?
Das lässt sich momentan noch nicht abschließend beurteilen. Aber wir erleben eine tiefe Zäsur in unserem Leben, auch und gerade im Berufsund Arbeitsleben. Wir werden mit den Folgen dieser Pandemie noch sehr, sehr lange zu tun haben. Ich vermute, dass wir erhebliche Schleifspuren in der Wirtschaft, und zwar in fast allen Sektoren, sehen werden. Schon heute ist der gesamte Gastronomie- und Gaststättenbereich unmittelbar betroffen, aber auch die mittelständische Industrie leidet stark. Wir werden große Anstrengungen unternehmen müssen, um auf das Beschäftigungsund Wohlstandsniveau zurückzukommen, das wir zu Beginn des Jahres 2020 hatten. Ich gehöre zu denen, die die Prognosen für das Wirtschaftswachstum eher im zweistelligen Minusbereich sehen als im einstelligen.
Ist es zu früh, über eine Exit-Strategie zu sprechen?
Die entscheidende Frage ist: Wie lange wird die gesundheitliche Krise dauern? Alle Maßnahmen müssen so lange eingehalten werden, bis die Infektionskurve wieder abflacht, damit unser Gesundheitssystem die Lage verkraftet. Deshalb ist es richtig, dass der Fokus jetzt auf der Gesundheit der Bevölkerung liegt. Aber wir werden nach Ostern intensiv über die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft reden müssen. Das heißt: Über eine Exit-Strategie muss natürlich früher gesprochen werden, aber wir müssen von realistischen Annahmen ausgehen. Und dazu zählt, dass zumindest bis zum 20. April an dem gegenwärtigen Zustand nichts geändert wird. Danach kann es vielleicht mit dem „normalen Leben“langsam wieder losgehen, wahrscheinlich zuerst mit den Schulen und Kindergärten. Aber für die Wirtschaft wird das ein langer Prozess bleiben. Dort müssen wir vor dem Hintergrund, dass einzelne Sektoren völlig zum Erliegen gekommen sind, unterschiedliche Strategien anwenden. Im Vordergrund stehen aber momentan der Schutz und das Leben der Bevölkerung.
Behindert die Corona-Krise Ihre politischen Ambitionen?
Darüber mache ich mir momentan überhaupt keine Gedanken. Im Vordergrund steht jetzt die Lösung der Corona-Krise. Es geht dabei um existentielle Fragen für große Teile unserer Bevölkerung. Deswegen stehen sämtliche innerparteilichen Themen hintenan, bis hin zu der Frage, wer bei uns neuer Parteivorsitzender wird. Damit beschäftigen wir uns wieder, wenn wir das Gröbste dieser Krise hinter uns haben.