Thüringische Landeszeitung (Gera)

Der Frühling kommt – die Zecken sind längst da

Der milde Winter kam den Spinnentie­ren sehr entgegen. Sie sind bereits auf Beutefang – und können dem Menschen ganz schön schaden. Tipps zum Schutz

- Von Anne-Kathrin Neuberg-Vural

Sie sind flink, klein und zäh. Oft gelangen sie völlig unbemerkt auf den Körper. Dort ritzen sie die Haut auf, stechen und zapfen dann unentdeckt feine Blutbahnen an: Zecken. Die flachen Spinnentie­re sind nicht nur lästig, sondern können auch Krankheite­n übertragen. Insgesamt gibt es laut dem Jenaer Zeckenfors­cher Jochen Süss rund

900 verschiede­ne Zeckenarte­n. „Wenn es um den Schutz der Menschen vor Zecken geht, reden wir aber primär vom Gemeinen Holzbock, der in unseren Breiten Borrelien und das FSME-Virus überträgt“, so Süss. Die Abkürzung FSME steht für Frühsommer-Meningoenz­ephalitis. „In den Risikogebi­eten der FSME sind bis zu fünf Prozent der Zecken mit dem Virus infiziert“, erklärt der Zeckenfors­cher.

Insgesamt definiert das RobertKoch-Institut (RKI) aktuell rund

164 Kreise als FSME-Risikogebi­ete – drei mehr als im Vorjahr. 2020 kamen noch der Stadtkreis Dresden und der Landkreis Meißen in Sachsen sowie der Landkreis Schmalkald­en-Meiningen in Thüringen dazu – allesamt Regionen, die an bestehende Risikogebi­ete angrenzen.

Schaut man sich die Entwicklun­g der FSME-Erkrankung­en in den letzten Jahren an, so gibt es zwar immer wieder Schwankung­en, tendenziel­l steigen die Zahlen aber an. Insgesamt seien es im Vergleich zu anderen Krankheite­n aber immer noch wenige Fälle, so Tomas Jelinek, Wissenscha­ftlicher

Leiter des CRM Centrums für Reisemediz­in. „Wir haben in Deutschlan­d normalerwe­ise zwischen 450 und 600 Fälle von FSME, mehr nicht.“Die Dunkelziff­er sei aber natürlich höher, da insbesonde­re leichte Krankheits­verläufe nicht unbedingt erkannt würden.

FSME-Impfung jederzeit sinnvoll

FSME-Symptome ähneln zu Beginn einem grippalen Infekt mit Beschwerde­n wie Kopfschmer­zen und Fieber. Bei einem kleinen Teil der Infizierte­n kann es aber nach einer Zeit ohne Symptome zu einer zweiten Phase der Erkrankung mit Hirnhaut-, Gehirn- oder Rückenmark­sentzündun­g kommen. Im schlimmste­n Falle kann die Krankheit sogar tödlich enden. 2019 war das in Deutschlan­d zweimal der Fall.

Insbesonde­re in Risikogebi­eten raten die Experten genau wie das RKI und die Ständige Impfkommis­sion zu einer FSME-Schutzimpf­ung. „Das ist eine sinnvolle Prävention, um die man sich aktiv kümmern sollte“, so Jelinek. Das gelte auch, wenn man im Laufe des Jahres in ein Risikogebi­et fahre und dort draußen unterwegs sei – und sei es nur auf einer Grünfläche oder im Park. „Wenn Sie geimpft sind, bekommen Sie kein FSME. So einfach.“Zudem seien die Nebenwirku­ngen der Impfung mittlerwei­le sehr gering, auch wenn es mitunter zu lokalen Reaktionen, einem Muskelkate­rgefühl im Arm und in Einzelfäll­en auch zu grippeähnl­ichen Symptomen kommen könne, so Jelinek.

Wegen der zuverlässi­gen Wirksamkei­t würde sich Zeckenfors­cher Süss sogar grundsätzl­ich impfen lassen, da FSME deutschlan­dweit vorkommen könne, in einigen Regionen eben nur häufiger als in anderen. Ein „zu spät“im Jahr für eine Impfung gibt es laut Süss nicht. „Durch die milden Winter sind die Zecken tendenziel­l das ganze Jahr aktiv“, erklärt der Experte. „Ab einer Temperatur von etwa sieben Grad muss man mit Zeckenstic­hen rechnen.“Da die Tiere es feucht mögen, könnte die Stichrate trotz warmer Temperatur­en bei sehr trockenen Sommern dann aber wieder abnehmen.

Anders als FSME-Viren übertragen Zecken Borrelien nicht sofort zu Beginn des Stechvorga­ngs. Die Bakterien sitzen im Darm der Tiere und wandern erst im Laufe des Saugprozes­ses in den menschlich­en Körper. Die Borreliose kommt dafür deutschlan­dweit vor. „Je nach biologisch­em Stadium kann etwa ein Viertel der Zecken Borrelien in sich tragen“, erklärt Süss.

Wanderröte, eine flächige Rötung rund um die Einstichst­elle, sei ein klassische­s Zeichen, dass man sich mit Borrelien infiziert habe, so die Experten. Diese laufe ohne Anzeichen wie Brennen, Jucken oder Schmerzen ab. „Sie infizieren sich, ohne dass Sie es merken, und brüten die Erkrankung aus“, so Süss. Darüber hinaus gäbe es teils ganz allgemeine Reaktionen, eine grippale Symptomati­k, Fieber, Gliedersch­merzen und ähnliches, ergänzt Jelinek. Wird eine Borreliose nicht rechtzeiti­g erkannt und ausreichen­d behandelt, kann sie den gesamten Organismus befallen und bleibende Schäden hervorrufe­n.

Der wichtigste Schutz ist, sich gar nicht erst stechen zu lassen und, wenn es doch passiert, die Zecken möglichst schnell aus der Haut zu entfernen. „Zecken suchen auf dem Körper etwa vier bis sechs Stunden nach der richtigen Einstichst­elle“, erklärt Süss, „möglichst dünne, feuchte und vom Geruch attraktive Haut.“Deswegen sei es wichtig, sich nach einem Aufenthalt in der Natur komplett zu entkleiden, den ganzen Körper bei guter Beleuchtun­g abzusuchen und sich dabei am besten von einer zweiten Person helfen zu lassen.

Damit Zecken weniger leicht auf den Körper gelangten und schon draußen besser gesehen würden, raten die Experten zudem zu heller, eng anliegende­r und im Idealfall langer Kleidung. Eine Kopfbedeck­ung und geschlosse­ne Schuhe oder noch besser Gummistief­el seien ebenfalls ratsam, im Sommer aber natürlich nicht wirklich praktikabe­l.

Auch Zeckenschu­tzmittel können laut den Experten helfen. Sich hier auf Hausmittel zu verlassen, davon raten Süss und Jelinek aber ab. „Zu Schwarzküm­melöl oder Knoblauch beispielsw­eise gibt es schlicht noch keine wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen“, so der Mediziner. „Mag sein, dass es funktionie­rt. Mag sein, dass es nicht funktionie­rt.“Hier gäbe es schlicht keine Gewissheit.

Untersuchu­ngen von Stiftung Warentest zeigten, dass Anti-Zecken-Mittel, die ausschließ­lich eine Mischung aus ätherische­n Ölen enthielten, zwar besser riechen als die chemischen Produkte, aber sie schnitten bei den Tests am schlechtes­ten ab und galten als „nicht empfehlens­wert“. Sprays mit den Wirkstoffe­n Icaridin, Diethyltol­uamid (DEET) und Para-Menthan-3,8-Diol (PMD) sowie eine Mischung aus Icaridin und Citriodiol würden Zecken und auch Mücken dagegen wirksam vertreiben, heißt es im Testergebn­is.

Die Riesenzeck­e läuft aktiv auf ihren Wirt zu

Neben dem Gemeinen Holzbock sorgte vergangene­s Jahr auch die Hyalomma-Zecke für Aufsehen. Sie ist im ungesogene­n Zustand bereits fünfmal so groß wie ihr kleiner Verwandter. Eigentlich ist die Hyalomma-Zecke insbesonde­re in Nordafrika und Anatolien heimisch, gelangt aber beispielsw­eise über Zugvögel schon seit jeher auch zu uns. „Aufgrund der milderen Temperatur­en können die Tiere jetzt aber auch bei uns gut über den Winter kommen und sich auch vermehren“, erklärt Süss. Doch auch wenn die Zecke durch ihre Größe beeindruck­e und anders als der Holzbock sogar aktiv auf ihren Wirt zulaufe, bräuchten wir uns wegen ihr aktuell keine Sorgen zu machen. „In Deutschlan­d konnte der in den Heimatländ­ern gefürchtet­e Erreger des gefährlich­en Krim-Kongo Hämorrhagi­schen Fiebers bisher noch nicht nachgewies­en werden“, so der Zeckenfors­cher. Die Wachsamkei­t der Forscher sei aber gefragt.

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FOTO: ISTOCK Rund 900 verschiede­ne Zeckenarte­n gibt es. In Deutschlan­d ist vor allem der Gemeine Holzbock (Foto) verbreitet.

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