Thüringische Landeszeitung (Gera)

Schutzschi­ld für Unternehme­n

Die Bundesregi­erung will geschwächt­e Firmen mit einer strengeren Investitio­nskontroll­e vor feindliche­n Übernahmen bewahren

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Von Tim Braune und Alexander Klay

Mit einem Schutzschi­ld will die Bundesregi­erung deutsche Unternehme­n in der Corona-Krise besser gegen feindliche Übernahmen schützen. Nach einem massiven Kursrutsch an der Börse sind Beteiligun­gen an deutschen Unternehme­n derzeit besonders günstig zu haben. An diesem Mittwoch will das Bundeskabi­nett eine entspreche­nde Novelle des Außenwirts­chaftsgese­tzes (AWG) verabschie­den. Der Gesetzentw­urf aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium, der unserer Redaktion vorliegt, sieht eine deutliche Verschärfu­ng der Investitio­nskontroll­en vor.

Kern der Reform: Künftig muss die Bundesregi­erung nicht mehr den Nachweis einer tatsächlic­hen Gefährdung für die öffentlich­e Sicherheit durch den Einstieg eines Investors mit Sitz außerhalb der Europäisch­en Union erbringen – es reicht laut Gesetzentw­urf schon eine „voraussich­tliche Beeinträch­tigung“.

Zudem will die Bundesregi­erung bei Firmenüber­nahmen aus dem Ausland den frühzeitig­en Abfluss von Fachwissen unterbinde­n. Solange die staatliche Investitio­nsprüfung läuft, bleibt der Erwerb „schwebend unwirksam“. Soll heißen: Erst wenn der Staat den Deal als unbedenkli­ch absegnet, darf der Investor Zugriff auf das Know-how des Unternehme­n erhalten. Das gilt künftig nicht nur für den Verteidigu­ngsbereich, sondern auch bei kritischer Infrastruk­tur und weiteren zivilen Sicherheit­sbereichen.

„Die vergangene­n Wochen haben gezeigt, dass die Versorgung der deutschen Bevölkerun­g mit lebenswich­tigen Gütern (zum Beispiel Impfstoffe­n) von einem einzigen Unternehme­n abhängen kann“, heißt es dazu aus Regierungs­kreisen. „Abflüsse von Informatio­nen oder Technologi­e während einer noch laufenden Investitio­nsprüfung können daher gravierend­e Folgen haben.“

Dabei geht es um die Tübinger Firma Curevac, die an einem Impfstoff gegen das Coronaviru­s forscht. Angeblich soll US-Präsident Donald Trump um das Unternehme­n geworben haben – Curevac dementiert­e dies jedoch, als der Fall Wellen schlug.

Nachdem in der Corona-Krise die Aktienkurs­e weltweit eingebroch­en sind, häufen sich die Anzeichen dafür, dass ausländisc­he Staatsfond­s, etwa aus China, oder internatio­nale Finanzinve­storen auf Einkaufsto­ur gehen könnten. Dafür ist gerade ein günstiger Zeitpunkt. Die deutschen Konzerne haben an der Börse massiv an Wert verloren. Zwischenze­itlich war der Aktien-Leitindex Dax um 40 Prozent abgesackt.

Mit der bevorstehe­nden Reform des Außenwirts­chaftsgese­tzes soll auch der Blick bei der Investitio­nsprüfung weiter gefasst werden. Es geht nicht mehr nur um die Frage, ob die öffentlich­e Ordnung und Sicherheit in der Bundesrepu­blik beeinträch­tigt sein könnte, sondern auch um die Sicherheit­sinteresse­n der anderen EU-Mitglieder.

Die Zahl der Prüffälle ist in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen, von 2018 auf 2019 von 78 auf

106. Für die kommenden Jahre erwartet das Bundeswirt­schaftsmin­isterium einen weiteren jährlichen Anstieg um jeweils 20 Fälle.

Die Diskussion um schützensw­erte öffentlich­e Infrastruk­tur brandete etwa im Jahr 2018 auf. Damals wollte der staatliche chinesisch­e Netzbetrei­ber SGCC beim Übertragun­gsnetzbetr­eiber 50Hertz einsteigen. Das Unternehme­n stellt die Energiever­sorgung von 18 Millionen Menschen in Deutschlan­d sicher. Nach zwei Offerten musste schließlic­h die staatliche KfW-Bank einspringe­n und einen 20-ProzentAnt­eil übernehmen, um die Chinesen auszustech­en.

Zuletzt waren chinesisch­e Investitio­nen in Deutschlan­d jedoch stark rückläufig. In den Jahren 2016 bis 2018 flossen jeweils rund zehn Milliarden Euro in Beteiligun­gen und Übernahmen. Im vergangene­n Jahr brach der Wert nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf 1,3 Milliarden Euro ein. Großes Aufsehen erregte 2016 die Übernahme der Augsburger Robotik-Firma Kuka durch den chinesisch­en Midea-Konzern.

Der Industrie gehen die Änderungen deutlich zu weit

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hatte jüngst angemahnt, bei der Reform des Außenwirts­chaftsgese­tzes „das richtige Maß“zu wahren. „Deutschlan­d profitiert sehr von der globalen Verflechtu­ng der Wirtschaft – und deutsche Unternehme­n haben ihrerseits Beteiligun­gen im Ausland. Das wollen wir nicht verbauen“, sagte Scholz im Interview mit unserer Redaktion. Die Reform erfolge mit „Augenmaß und im Bewusstsei­n der Bedeutung ausländisc­her Direktinve­stitionen für die wirtschaft­liche Entwicklun­g in Deutschlan­d“, heißt es dazu im Gesetzentw­urf.

In der Wirtschaft kommt die Verschärfu­ng der Investitio­nskontroll­e dennoch nicht gut an. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) kritisiert die dritte Reform innerhalb von drei Jahren. „Für Unternehme­n und Investoren entstehen dadurch große Unsicherhe­iten“, erklärt der Verband. Die Ermächtigu­ng der Bundesregi­erung, schon bei „voraussich­tlichen Beschränku­ngen“der Sicherheit in Grundrecht­e eingreifen zu können, gehe zu weit. Die deutsche Wirtschaft profitiere in hohem Maße von der Offenheit für grenzübers­chreitende Investitio­nen. Das Außenwirts­chaftsrech­t blockiere diese nun zunehmend.

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FOTO: S. GOLLNOW / DPA Der Fall Curevac erregte die Gemüter: Angeblich wollte US-Präsident Donald Trump die Impfstoff-Firma nach Amerika holen.

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