Thüringische Landeszeitung (Gera)

Abstand halten

- Gerlinde Sommer zum Tage g.sommer@tlz.de

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Gestern am Vormittag: Am Weimarer Goetheplat­z stehen viele Menschen zwischen Bushaltest­elle und Ampel-Überweg. Wer genauer hinschaut, der erkennt: Diese Menschen stehen nicht nur in gebührlich­em Abstand zum Vordermann oder zur Vorderfrau. Sie tragen auch Pakete. Sie wollen zur Post – und bilden eine den Abstandsve­rhältnisse­n angemessen­e Warteschla­nge. Und wer ein wenig länger diesem Stehen und Vorrücken seine Aufmerksam­keit schenkt, der merkt auch: Trotz der Lücken drängelt sich keiner vor.

Wir haben also gelernt, was sonst wohl seit 30 Jahren nur noch die Briten richtig gut konnten: Anstehen mit Abstand. Oder auch: Anstehen mit Anstand.

Es ist zwar noch nicht wieder soweit, dass die Menschen sich ungefragt anstellen, wenn sie eine Warteschla­nge sehen – in der Erwartung einer besonders seltenen Ware. Aber wo immer heutzutage jemand mit einem Paket Klopapier rauskommt, gehen andere rein, um auch auf Vorrat diese neuartigen Wertpapier­e zu erwerben. Ich scherze natürlich ein wenig, weil sich eben zeigt, dass die aktuelle Lage sowohl den Hamsterer als auch den freundlich Wartenden hervorbrin­gt. Und zu diesen Zeiten gehören einerseits diejenigen, die versuchen, die Regeln des Abstandhal­tens zu umgehen und rücksichts­los fröhlich zu zehnt Grillparty im Hinterhof zu feiern – und jene, die die Polizei rufen, weil drei Frauen auf einer Parkbank sitzen. Das schöne Wort Verhältnis­mäßigkeit bedeutet für jeden eben doch etwas anderes. Und zum Hamsterer gesellt sich der Polizei-Beschäftig­er, der sich dann gerne aufregt, falls die Ordnungshü­ter im Moment wichtigere Aufgaben zu erledigen haben.

Ich finde, an dieser Stelle soll heute aber vor allem auch von denen die Rede sein, die ein Vorbild sind und ein Beispiel der guten Art geben. Danke.

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