Thüringische Landeszeitung (Gera)
Österreich lockert die Zügel
Die Regierung in Wien will die Einschränkungen schrittweise aufheben – will aber notfalls erneut die „Stopptaste“drücken
Der Kanzler trägt sie bei jedem öffentlichen Auftritt, auch der Vizekanzler und alle Abgeordneten im Parlament. Nur Vertreter der FPÖ wollen ihre Kollegen offenbar nicht schützen. Maske ist in in Österreich. Es werden bereits Gesichtsmasken geschneidert, die zu Trachtenmode wie Dirndln passen. Seit einigen Tagen gilt eine MaskenTragepflicht im Supermarkt. Nun wird diese Pflicht ausgedehnt – das soll die schrittweise Lockerung der verhängten Restriktionen, die nun kommen soll, abfedern.
Tatsächlich entwickeln sich die Infektionszahlen in der Alpenrepublik gut – sowohl bei den Neuansteckungen
Ostern rückt näher, die 14-tägige Quarantäne von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu Ende – die Corona-Krise hingegen noch lange nicht. Die Zahl der mit dem Virus infizierten Bürger steigt. Am Montag überschritt sie die
100.000er-Grenze. „Wir leben weiter in der Pandemie“, stellte Merkel klar. Am Dienstag nach Ostern will sie mit den Ministerpräsidenten der
16 Bundesländer darüber beraten, ob und wann die zumeist bis zum
19. April datierten Kontaktauflagen reduziert werden. Die Beschlüsse und Merkels Positionen:
Exit-Strategie ohne Enddatum
Das öffentliche Leben wird nicht abrupt, sondern schrittweise hochgefahren. Merkel wäre nach ihren eigenen Worten eine schlechte Kanzlerin, „wenn wir jetzt schon ein Datum nennen würden“. Vor allem glaubt sie, dass sich die Diskussion drehen würde, wenn mehr Menschen sterben, weil das Gesundheitssystem überfordert wird. Merkel will keine Auflagen erst lockern und dann wieder neu anordnen müssen. Auch Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) warnt vor einer Lockerung. „Es gibt derzeit keinen Grund zur Entwarnung“, sagte er unserer Redaktion. Nach wie vor seien die Infektionszahlen sehr hoch, mit einem schnellen Rückgang sei nicht zu rechnen.
Garantie für die Maskenhersteller
37 Millionen Masken sind zuletzt eingegangen. Die weltweite Beschaffung des Mundschutzes läuft auf Hochtouren. Merkel hat aus dem Verlauf der Krise gelernt, „dass wir eine gewisse Souveränität brauchen, eine Säule der Anfertigung“. Eine Reihe von Unternehmen hat angeboten, bei der Produktion einzuspringen. Damit sie Planungssicherheit haben, will ihnen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Rahmenvertrag bis Ende
2020 anbieten. Das läuft auf eine Abnahmegarantie hinaus. Der Bund will zudem sicherstellen, dass auch die Ausgangsstoffe für die Produktion erhältlich sind.
Meldepflicht für Intensivbetten
Derzeit sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums 10.000 Betten in der Intensivmedizin frei. Bisher werden sie freiwillig gemeldet. Jetzt will Spahn die Kliniken verpflichten,
als auch bei jenen, die auf Intensivstationen behandelt werden müssen, flacht die Kurve ab. Am Montag verzeichnete das Land rund 12.000 gemeldete Infektionen und 220 Todesfälle. Die Zahl der Infektionen verdoppelt sich inzwischen nur noch alle drei Wochen.
Daher hat sich die Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen darauf verständigt, dass Geschäfte bis 400 Quadratmeter Fläche sowie Bau- und Gartenmärkte ab dem 14. April wieder öffnen dürfen. Es soll aber strenge Einlasskontrollen geben, damit pro 20 Quadratmeter nur ein Kunde im Laden ist.
Die Lockerungen nach Ostern gehören zum „Auferstehungsversprechen“von Kanzler Sebastian ihre Kapazitäten täglich zu melden. „Wenn alle transparent zusammenarbeiten, gelingt eine bessere Versorgung“, sagte er. Gestern hatten 1015 der 1160 Krankenhäuser freie Betten angemeldet. Der Bund will keinen Ausgleich zwischen den Hospitälern organisieren. Das ist Sache der Länder.
Quarantäne für Einreisende
Nach zweiwöchigem Hickhack hinter den Kulissen hat sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit seiner Forderung durchgesetzt, allen Einreisenden eine 14-tägige Quarantäne vorzuschreiben. Tatsächlich kann eine Quarantäne nicht von der Bundespolizei angeordnet werden, sondern nur von den örtlichen Gesundheitsämtern.
Kurz, das er vor drei Wochen gegeben hat. Sie sind vor allem ein Signal an die Wirtschaft. Ab 1. Mai sollen alle Geschäfte wieder öffnen dürfen – nur große Einkaufszentren und Friseure sollen bis Mitte Mai geschlossen bleiben. Hotels und Gastronomie dürfen voraussichtlich Mitte Mai wieder öffnen. Veranstal
Seehofer ist darauf angewiesen, dass alle 16 Bundesländer mitziehen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) feiert es als Erfolg, dass er Schließungen an den Grenzen nach Holland und Belgien verhindert hat: „Der Kampf hat sich gelohnt, die Grenze bleibt offen – ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen!“
Sofortkredite für den Mittelstand
Die bisherigen Hilfsprogramme haben strukturell einen Nachteil: Der Staat haftete nur zu 90 Prozent für die Kredite. Das bedeutet, dass die Banken für die restlichen zehn Prozent die Antragsteller prüfen mussten. Das ist aufwendig, dabei vergeht Zeit, „die nicht jeder hat“, erkannte Finanzminister Olaf Scholz tungen dürfen bis mindestens Ende Juni keine stattfinden.
Im Gegenzug wird an vielen Orten Maskenpflicht eingeführt: Just in dem Land, in dem eigentlich Vermummungsverbot gilt, müssen sich die Bürger in sämtlichen Läden, aber auch in allen öffentlichen Verkehrsmitteln ein Tuch oder etwas Ähnliches vor Mund und Nase binden. Kurz betonte am Montag, dass die Kurve nicht erneut in die Höhe schnellen dürfe: „Das geht mit Disziplin, einer möglichst breiten Testung, Big Data und auch der Nutzung von Schutzmasken im öffentlichen Raum.“Falls die Fallzahlen wieder stiegen, würde die Stopptaste gedrückt, so Kurz.
Familienfeste und Ausflüge sowie (SPD). Überfordert werden gerade kleinere Unternehmen. Damit deren Liquidität nicht leidet, haben Scholz und Wirtschaftsminister Peter
Bundeskanzlerin
Besuche in Pflege- und Seniorenheimen bleiben untersagt. Lockerungen wird es hingegen auch im Bildungswesen geben – die Schulen sollen Mitte Mai wieder öffnen.
Die meisten Österreicher begrüßen die bisherigen Einschränkungen. Das hat vor allem mit der Kommunikationsstrategie der Regierung zu tun. Der Kanzler und der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober haben mit einer Mischung aus Blut-Schweiß-und-Tränen-Ansprachen und der Einladung an die Österreicher, ein heroisches Projekt zum Erfolg zu führen, die Bürger auf ihre Seite gezogen. In einer Umfrage legten Kurz und Anschober bei den Vertrauenswerten um 32 Prozentpunkte zu.
Altmaier (CDU) ein Schnellkreditprogramm aufgelegt: Wer schon
2019 aktiv war, Gewinne erzielte und kreditwürdig war, soll schnell und unbürokratisch Kredite von bis zu 500.000 Euro (bis zu einer Größe von 50 Mitarbeitern) erhalten, für noch größere Betriebe sogar
800.000 Euro. Und ab jetzt bürgt der Bund zu 100 Prozent.
Europaweite Corona-App
„Ein ganz zentraler Baustein“ist nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert die sogenannte Corona-App – also die Möglichkeit, die Kontaktpersonen von Erkrankten digital zu erfassen, anonym und nur freiwillig. Noch vor Ostern soll eine technische Rahmenarchitektur vorliegen, auf die dann die Apps aufsetzen würden. In Deutschland bereiten das RobertKoch-Institut und das HeinrichHertz-Institut eine solche App vor. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) machte aber klar, dass man eine europaweite Lösung brauche.
Lockerung beim Kurzarbeitergeld?
Der CDU-Wirtschaftsrat forderte für Mittelständler, die über keinen Betriebsrat verfügen, die Möglichkeit, Werke oder Betriebseinheiten in Kurzarbeit zu schicken. Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, erklärte unserer Redaktion: „Gerade in der gegenwärtigen Krisensituation ist es unsäglich, dass Mittelständler ohne Betriebsräte nicht als Ganzes in Kurzarbeit gehen können, sondern sich um einzelvertragliche Regelungen mit jedem Arbeitnehmer bemühen müssen. Stimmen Beschäftigte nicht zu, laufen für sie die Personalkosten weiter wie bisher.“In der jetzigen Corona-Krise sei das „absolut existenzgefährdend“.
„Auch Deutschland wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es Europa gut geht.“Angela Merkel,