Thüringische Landeszeitung (Gera)
Hilfe ist doch selbstverständlich
Petra Grötsch ist eine der stillen Helden: Neben der Arbeit im Supermarkt näht sie Mundschutz-Masken
Petra Grötsch ist eine fröhliche Frau. Sie lacht viel am Telefon, ist freundlich, beantwortet geduldig alle Fragen des Reporters. Sie engagiere „sich täglich als Verkäuferin, Mutter, Oma, in der Kirche, in Vereinen und in der jetzigen Situation in jeder freien Minute für Menschen“, schreibt eine Bergaer Familie in einer E-Mail an die Redaktion, mit der sie auf besondere Helferin aufmerksam machen will.
Dabei hat Grötsch derzeit eigentlich genug zu tun, sie gehört zu den stillen Helden, die das öffentliche Leben während der Corona-Krise, soweit es geht, aufrecht erhalten. Und sie geht sogar noch einen Schritt weiter.
An vorderster Front
Die 57-Jährige arbeitet im Servicebereich der Rewe Wutzler in Weida und steht damit in vorderster Front, wenn es darum geht, die Menschen mit den täglichen Waren zu versorgen. Die Lage sei manchmal schwierig, erzählt sie. Viele Menschen seien vernünftig, manche aber eben nicht. Sie habe schon ältere Menschen gesehen, die im Supermarkt regelrecht spazieren gingen, anstatt die Einkäufe so schnell wie möglich zu erledigen, wenn sie schon niemand anders übernehmen könne. Und natürlich sei auch in Weida plötzlich das Klopapier zu einem der begehrtesten Artikel geworden, Hamsterei habe sie immer mal wieder erlebt.
Vereinzelt würden Einschränkungen bei der Anzahl der zu kaufenden Packungen einfach umgangen, anstatt auch einmal ein paar für Menschen aufzuheben, die durch die Arbeit vielleicht erst später zum Einkaufen kämen. „Sie kaufen eine Packung und schicken dann den Ehemann oder die Ehefrau rein, um noch eine zu holen.“Doch es betreffe nicht nur das Klopapier.
Vereinzelt werden Kunden pampig
Einmal habe sie gesehen, wie ein Mann den Laden mit 18 SechserPacks Wasser verließ, wofür auch immer. Den Großteil der Kunden habe sie in den vergangenen Wochen als sehr dankbar erlebt, nur einzelne würden mal pampig oder patzig. In Erinnerung ist ihr geblieben, wie sich vor ein paar Tagen jemand darüber beschwerte, dass die Regale mit Billig-Milch leer waren, während es aber noch genug andere Sorten gab – wenn auch ein wenig teurer.
Dennoch mache sie ihre Arbeit weiterhin sehr gerne, was auch daran läge, dass das Kollegium toll sei und alle ihre Bestes gäben. „Die Stimmung ist nach wie vor gut. Wir haben viel Spaß und Lachen viel“, will sie sich bei ihren Kollegen bedanken, die genauso stille Helden wie sie sind.
Doch die Bergaerin hilft nicht nur im Supermarkt: Als sie an einem Sonntag auf der Couch lag, erreichte sie über Whatsapp ein Hilferuf der Pleißental-Klinik in Werdau, die dringend Mundschutz-Masken benötige. Der Aufruf kam von Caroline Saupe, die in der Klinik in der Verwaltung arbeitet. „Damit ging alles los“, sagt Grötsch.
45 Minuten nach einem Telefonat mit Caroline Saupe, in dem sie ihre Hilfe zusicherte, lag schon alles auf dem Schreibtisch bereit, erinnert sich Petra Grötsch. Das Schnittmuster und der OP-Stoff wurden gestellt, die Nähmaschine begann zu glühen. Ehemann Gerd Grötsch schnitt die Bündchen und kochte Kaffee – das ging in den nächsten Tagen so weiter. Bis 20 Uhr waren die ersten zwölf Mundschutz-Masken fertig. Für die Tage danach habe ihr Alltag immer gleich ausgesehen. „Morgens um 4 Uhr aufstehen, um 5 auf der Arbeit sein, das bis 14 oder 14.30 Uhr, danach nach Hause, Hühner füttern, ein schnelles Käffchen und ab an die Nähmaschine“, sagt sie. In fünf Tagen wurden so 80 Stück fertig, die auf den Stationen in Werdau dringend benötigt wurden. In diesem Zusammenhang sehe sie auch die Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisch. Noch im Februar hatte dieser gesagt, dass Deutschland gut gerüstet und vorbereitet sei auf den Coronavirus. Inzwischen klagen viele Krankenhäuser nicht nur über Personal- sondern auch über Materialmangel.
„Jeder, der kann, sollte helfen“
Die Entscheidung, trotz weniger Freizeit noch zusätzlich ehrenamtlich in der aktuellen Krise zu helfen, habe sie aus dem Bauch heraus getroffen. „Für mich war das selbstverständlich und für meinen Mann auch“, sagt Grötsch.
„Es sollte momentan jeder helfen, der helfen kann“, findet sie. „Man vertut sich ja nichts.“Auch wenn sie wisse, dass es ähnliche Projekte auch in der Region schon gebe, hoffe sie, dass sich vielleicht noch ein paar mehr Nachahmer fänden. Dieser Wunsch gelte vor allem für die Stadt Greiz, eine der Schwerpunktregionen in Thüringen. Deswegen habe sie dem Zeitungsinterview auch zugestimmt, auch wenn sie eigentlich nicht gerne im Rampenlicht stünde. Sie hoffe, dass die Zahl der Helfer so vielleicht noch größer werde.