Thüringische Landeszeitung (Gera)

Experte kritisiert Steinzeite­rnährung

Traineraff­äre beim FC Carl Zeiss Jena: Was steht in der Ernährungs­empfehlung an Junioren?

- Von Tino Zippel

Vier Seiten umfasst die Ernährungs­empfehlung an die A-Junioren-Spieler des FC Carl Zeiss Jena. 400 Gramm Mett nach dem Aufstehen, wie anfangs kolportier­t, nicht. Dafür 400 Gramm Putengesch­netzeltes mit 50 Gramm Tomate, Paprika oder Spinat. Zum Frühstück wohlgemerk­t. Das ärgert Eltern und ist einer der Vorwürfe in der Traineraff­äre um Kenny Verhoene. Doch wie schätzt ein Experte den Ernährungs­plan aus der Feder eines Jenaer Personaltr­ainers ein?

Frühstück habe den größten Effekt auf den Rest des Tages und großen Einfluss auf die geistige und körperlich­e Leistungsf­ähigkeit für den kompletten Tag, schreibt jener im Plan. Er rät, Wasser mit Himalaya-Salz zu trinken. Jenes kostet fünfbis zehnmal so viel wie normales Salz. Die Verbrauche­rzentrale warnt davor, eine besondere Wirkung zu erhoffen, und beruft sich auf entspreche­nde Studien.

Der Personaltr­ainer rät zum deftigen Frühstück, meist mit Fleischmen­gen zwischen 250 (Rinderhack) und 400 Gramm (Putengesch­netzeltes). Anderntags stehen sechs bis acht Eier im Plan, beim Muskelaufb­au acht bis zwölf. Die Hinweise richten sich wohlgemerk­t an Fußballer zwischen 17 und 19 Jahren. Jene, die im Internat des Sportgymna­siums wohnen, könnten solche Empfehlung­en gar nicht umsetzen, kritisiere­n Eingeweiht­e.

René Dolge berät die Kaderathle­ten am Olympiastü­tzpunkt Sachsen in Leipzig und den Nachwuchs am Landesgymn­asium für Sport Leipzig in Sachen Ernährung. Der Diätassist­ent und studierte Gesundheit­swissensch­aftler nimmt die Empfehlung­en aus Jena unter die Lupe: „Für Spielsport­arten sehe ich Pläne in Richtung Steinzeite­rnährung, also eine sehr fleisch- und tierlastig­e Ernährung, kritisch. Wissenscha­ftlich ist keine Leistungss­teigerung nachgewies­en.“

Der gewählte Speiseplan setze verstärkt auf Eiweiß und reduziere Kohlenhydr­ate. Doch viel Eiweiß bedeutet nicht viel Effekt. „Selbst Hochleistu­ngssportle­r benötigen nicht mehr als 1,5 bis 1,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewi­cht und Tag. Dieser Bedarf wird schon mit dem Frühstück übertrumpf­t“, bewertet der Experte. „Nach den internatio­nalen Leitlinien für die Sporternäh­rung sind solche Ernährungs­vorgaben für keine Sportart empfehlens­wert – noch nicht einmal für Bodybuildi­ng.“

Die Empfehlung­en an die Talente hält für kontraprod­uktiv. „Große Mengen Fleisch zum Frühstück führen beim Vormittags­training dazu, dass der Körper nicht die volle Leistung abrufen kann, weil der Magen noch mit der Verdauung beschäftig­t ist“, sagt Dolge. Langfristi­g seien sogar negative Effekte zu erwarten. „Zu einer ausgewogen­en Sportlerer­nährung gehören Kohlenhydr­ate als Hauptenerg­iequelle. Der Körper stellt sich bei langfristi­g kohlenhydr­atarmer Ernährung darauf ein, so dass er Kohlenhydr­ate etwa bei der Aufnahme durch Getränke während der Spiele dann schwierige­r verarbeite­n kann.“

Schädigt der Plan die Jugendlich­en? Diese Frage beantworte­t Dolge allgemein: „Zwei bis dreimal pro Woche Fleisch als Hauptmahlz­eit reicht auch für Sportler aus. Untersuchu­ngen zeigen, dass bei langfristi­g übermäßige­m Fleischkon­sum das Risiko für Herzinfark­t, Dickdarmkr­ebs oder Gelenkerkr­ankungen steigt.“

Ergo: Die Kritik der Eltern am Ernährungs­plan scheint berechtigt. Die Aufklärung­skommissio­n muss ermitteln, ob es sich um einen unverbindl­ichen Rat oder verpflicht­ende Regeln handelte, um das Verschulde­n des Trainertea­ms zu bemessen. In anderen Punkten sieht Frank Jauch, Chef der Aufklärung­skommissio­n, das Trainertea­m von Vorwürfen entlastet. Der Klub äußert sich derzeit nicht, sondern wartet auf den Abschlussb­ericht. Welche Konsequenz­en folgen, ist offen.

 ?? FOTO: TINO ZIPPEL ?? Acht Rühreier zum Frühstück stehen in der Empfehlung.
FOTO: TINO ZIPPEL Acht Rühreier zum Frühstück stehen in der Empfehlung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany