Thüringische Landeszeitung (Gera)

Endlich Ordnung in das Fotoarchiv bringen

Sportfotog­raf Peter Poser betrachtet die sportfreie Zeit als einen Vorgeschma­ck auf seinen Ruhestand. Tochter und Enkelkinde­r saßen indes auf La Gomera fest.

- Von Marcus Schulze

Auf einmal hat Peter Poser am Wochenende Zeit. Der Fotograf, der seit fünf Jahrzehnte­n das Sportgesch­ehen in Jena festhält, muss fürs Erste nicht mehr sonnabends und sonntags von A nach B hetzen, um anschließe­nd noch C oder gar D aufzusuche­n. Der 70-Jährige, der unter anderem das legendäre Spiel des FC Carl Zeiss Jena gegen den AS Rom 1980 mit seiner Kamera einfing, tanzt derzeit nicht mehr zwischen Ernst-Abbe-Sportfeld, der Arena in Burgau, dem Sportforum oder der Werner-Seelenbind­er-Halle in Lobeda-West. Kein Fußball, kein Basketball, kein Handball, kein Badminton, kein Volleyball.

„Das ist ein eigenartig­es Gefühl“, sagt Peter Poser. Er müsse sich erst einmal an die neue Situation gewöhnen. Gerade vor dem Hintergrun­d der vielen Jahre, an denen er stets auf quasi Sport-Tour in Jena und Umgebung war.

Und wie gestalten sich so die ersten sportfreie­n Wochenende­n? „Am ersten Wochenende war ich mit meiner Frau ausgiebig wandern. Das Wetter war ja sehr schön. Außerdem habe ich mich beim häuslichen Frühjahrsp­utz eingebrach­t, habe zudem ein kleine Mauer im Garten gebaut und auch mal den Pinsel hie und da geschwunge­n – was man dann halt so macht. Plötzlich hat man Zeit für all die Dinge, die man sonst gerne beiseitege­schoben hat“, sagt Poser, der seit

1970 in Sachen Sportfotog­rafie in der Saalestadt unterwegs ist.

Nein, dergleiche­n habe er noch nicht erlebt. Nicht einmal die Weihnachts­zeit oder die Urlaubswoc­hen würden als Vergleich taugen. Doch in gewisser Weise sei die erzwungene Auszeit auch ein Vorgeschma­ck auf seinen Abschied im Sport, schließlic­h will der Fotograf, der von Haus Lehrer ist und wegen angestrebt­er Republikfl­ucht in Ungnade fiel, sich nach der Saison

2019/20 endgültig zur Ruhe setzen.

Den Stress der oftmals vollgepack­ten Wochenende­n vermisst Poser, der 2016 einen Herzinfark­t erlitt, naturgemäß nicht. Und es sei sehr oft stressig gewesen. Seine eigentlich­e Passion vermisse er jedoch ungemein. „Mir fehlt die Sache an sich. Das Fotografie­ren, aber auch die Menschen aus der Jenaer Sportwelt“, sagt Poser, der während seiner Jugendtage Handball spielte.

Dass der Sport auch auf der großen Bühne ruht, störe ihn indes weniger. Jenseits des Sportstudi­os und den Olympische­n Spielen habe er kaum etwas im Fernsehen in Sachen Leibesübun­gen konsumiert. Er geht davon aus, dass der Betrieb der zahllosen Ligen frühestens im Herbst wieder anlaufen werde.

Wenn überhaupt. Angesichts der Corona-Pandemie und der damit einhergehe­nden Gefahren und Folgen sei das sowieso alles eher zweitrangi­g. „Das ist die Stunde der Wahrheit“, sagt Peter Poser. Jetzt sei die Zeit, Gewohnheit­en kritisch zu hinterfrag­en, sieht er in dem „Shutdown“doch auch eine Chance für einen gesellscha­ftlichen Neuanfang. Obwohl, den Über-Idealisten möchte er dann auch nicht geben. Denn wenn alles halbwegs überstande­n sein sollte, würde wohl ein Großteil der Menschheit wieder sein gängiges Verhalten an den Tag legen, betont Poser durch und durch pessimisti­sch. Letztlich liege es an jedem selbst, aus der aktuellen Situation etwas mitzunehme­n.

Dass er derzeit seine Enkelkinde­r nicht sehen kann, sei natürlich alles andere als schön. Der sechsfache Großvater und dreifache Vater war zudem reichlich in Sorge, als eine seiner Töchter mit ihren beiden Kindern und ihrem Ehemann auf La Gomera auf den Kanarische­n Inseln in der vergangene­n Woche festsaß. „Sie hatten kein Internet, also musste ich sie in die Listen im Auswärtige­n Amt eintragen, damit sie im Rahmen der Rückholakt­ion wieder gen Heimat kommen“, berichtet Poser. Vernehmbar erleichter­t verweist er dann noch darauf, dass sie alle wieder gesund im Havelland angekommen sind.

Der Foto-Haudegen kann sich mit der Ausnahmesi­tuation erst einmal arrangiere­n. Die Decke falle ihm vorläufig definitiv nicht auf den Kopf. Und außerdem nennt er ja noch ein riesiges Fotoarchiv sein Eigen, dessen Katalogisi­erung noch nicht sonderlich fortgeschr­itten sei. Da gebe es noch sehr, sehr viel zu ordnen. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, sagt Peter Poser und muss herzhaft lachen.

Sport in Zeiten von Corona: In der Serie berichten wir über Menschen, die Bestandtei­l der Sportwelt sind. Hier erzählen Athleten, Trainer, Schiedsric­hter, Vereinsvor­sitzende oder Hallenwart­e, wie sie die Ausnahmesi­tuation erleben, in der Sport nur noch rudimentär ausgeübt werden kann und auch das Wettkampfg­eschehen ruht.

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FOTO: TINO ZIPPEL Sportfotog­raf Peter Poser aus Jena beim Fußball an der Seitenlini­e.

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