Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Eine Politik-Karriere hatte ich nicht vor“

Vor 30 Jahren Gottfried Müller, der den Weimarer Brief mitinitiie­rt, wird Medienmini­ster in der Regierung de Maizière

- Von Gerlinde Sommer

Gottfried Müller, 1934 in Schweina geboren, gehört 1990 der Regierung de Maizière an, ist aber kein Volkskamme­r-Mitglied. Der evangelisc­he Theologe leitet seit

1981 die Thüringer Kirchenzei­tung „Glaube + Heimat“sowie in den

End-80ern den Wartburg Verlag Jena. Sein Name ist eng verbunden mit dem „Brief aus Weimar“, der bei der Block-CDU demokratis­che Erneuerung anmahnt.

„Auch in regimekrit­ischen Kreisen sprach man vor 30 Jahren von Reformen, nicht von Revolution“, macht er deutlich. Die Staatsführ­ung habe „ein deutliches Warnschild errichtet“, erklärt er mit Blick auf den Sommer 1989: „Die Volkskamme­r begrüßte die Niederschl­agung der Studentenb­ewegung in China.“Zugleich werden die Forderung nach Reformen immer drängender -- auch an der Partei-Basis. So kritisiert­e bei dem Zusammentr­itt der Stadtveror­dneten-Versammlun­g nach der Kommunalwa­hl in Jena eine Mitarbeite­rin der CDU-Geschäftss­telle die Durchführu­ng der Wahlen, erinnert sich Müller. „Dem Kreis-Geschäftsf­ührer brachte das die heftige Kritik der SED-Stadtleitu­ng ein.“

Die Ost-CDU hat 130.000 Mitglieder, „von denen ein nicht geringer Teil mit den Verhältnis­sen in der DDR unzufriede­n war“, wie Müller weiß. „Wichtig für die Kampagne19­89

Fähigkeit war das landesweit­e Netz von über 200 Kreis- und Bezirksges­chäftsstel­len, die hauptamtli­ch besetzt waren und vor allem über Telefone verfügten.“Dem Weimarer Reformbrie­f, der am 10. September

erscheint, liegt „erklärterm­aßen die Absicht zugrunde, die Partei zu demokratis­ieren, um sie fähig zu machen, an der Demokratis­ierung der Gesellscha­ft teilzunehm­en“, so Müller. „Die Decke des Verschweig­ens von widerständ­igen Regungen, die der Hauptvorst­and über die Partei gelegt hatte, zerriss.“

Am 2. November 1989 tritt der Parteivors­itzende Gerald Götting zurück, seinen Platz nimmt der bisher in der CDU ämterlose Lothar de Maizière ein. Ein Sonderpart­eitag Mitte Dezember in Berlin bestätigt „die Abkehr der Ost-CDU von Sozialismu­s und Demokratis­chem Zentralism­us“. Die Führung der Partei wird personell erneuert. Einen Monat später wird als erster

Landesverb­and die CDU Thüringen wieder gegründet.

Für Müller sind mit diesen Weichenste­llungen die Hauptpunkt­e des Weimarer Briefes erfüllt. „und ich beabsichti­gte, wieder in die publizisti­sche und verlegeris­che Arbeit der Kirche zurückzuke­hren. Eine Politik-Karriere hatte ich nicht vor.“

Doch es soll anders kommt: „Als bei den Verhandlun­gen zur Bildung einer Regierung nach der von der CDU gewonnenen Volkskamme­rWahl das Projekt eines Medienress­orts auftauchte, wurde mein Interesse geweckt“, erklärt Müller: „,Und das Amt des Medienmini­sters fiel mir zu.“

Wenn er an dieser Zeit denkt, kommt ihm „die ungeheure Beschleuni­gung

der Veränderun­gen“in den Sinn, die „abschließe­nde Ergebnisse in diesem Ministeriu­m verhindert­en“. So konnte „die Rundfunkla­ndschaft erst später nach dem Entstehen der Länder in der ehemaligen DDR neu geordnet werden“, macht er deutlich. Und „das überrasche­nde Überleben der bisherigen SED-Bezirkszei­tungen lag im Bereich der Treuhand, nicht in dem des Ministeriu­ms“, hebt er hervor. „Mitgewirkt hatte dabei auch der Reformwill­e innerhalb der Redaktione­n selbst“, so Müller.

Nach seiner Zeit in der letzten DDR-Regierung ist er in der ersten Legislatur des Thüringer Landtag von 1990 bis 1994 dessen Präsident. Müller lebt in Jena.

„Ein nicht geringer Teil der 130.000 Mitglieder der CDU war mit den Verhältnis­sen in der DDR unzufriede­n.“Gottfried Müller, 1990 Medienmini­ster in der Regierung de Maizière

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