Thüringische Landeszeitung (Gera)

Epische Einflüsse

- Christian Werner über das Album „Tamer Animals“

Wer was wann gehört hat und vor allem, wie er es dann fand, daran entscheide­n sich gefühlt komplette Künstlerka­rrieren. Marketings­trategien für neue Musik basierten etwa eine Zeit lang anscheinen­d nur auf dem Fakt, ob David Bowie bei einem Gig einer Gruppe im Publikum gesichtet wurde oder ob sich das große Chamäleon der Popmusik in einem der seltenen Interviews über Musiker halbwegs positiv oder überhaupt geäußert hatte.

Arcade Fire etwa hatte von dieser die Karriere fördernden Begleiters­cheinung ihrer Musik profitiert. Inzwischen sind auch andere in die Riege der unbestechl­ichen Meinungsma­cher aufgestieg­en, Radioheads Thom Yorke etwa. Spätestens, als der einen Song der Band Other Lives zu einem seiner Playlist-Lieblinge und somit als quasi unantastba­r deklariert­e sowie die Musiker zusätzlich als Vorgruppe auf Tour einlud, horchte die Popwelt auf.

Die Weihen waren berechtigt: Das Album, auf dem sich das Stück befindet, gehört zu den gelungenst­en des vergangene­n Jahrzehnts. „Tamer Anierschie­nene mals“erschien 2011, es war das zweite Werk in LP-Länge der Band aus dem US-Bundesstaa­t Oklahoma.

Die Platte und die Musik von Other Lives generell werden immer wieder in Verbindung gebracht mit dem Einfluss von cineastisc­hen Großmeiste­rn wie Ennio Morricone. Einen gewissen epischen Ansatz im Sound, eine Breitwanda­ffinität kann man dem Werk von Other Lives auch gar nicht streitig machen. Die Band aber selbst entzieht sich einer solchen Kategorisi­erung und nutzt lieber die Fähigkeite­n ihrer Multiinstr­umentalist­en. Was nebenbei bemerkt auch das eben erst

neue Album „For their Love“zeigt.

Der Einsatz von Trompeten oder Streichern ist auf „Tamer Animals“jedenfalls keine Seltenheit. Auch vor orchestral­em Schlagwerk scheut sich die Gruppe nicht. Vielschich­tige Klangstruk­turen, ungewöhnli­che Rhythmen und beim ersten Hören scheinbar disharmoni­sche Melodieläu­fe komplettie­ren den besonderen Status des Albums.

Wer schon einmal die Gunst der Stunde nutzen konnte, um sich diese beeindruck­ende Live-Band mit ihrer ausgefeilt­en Auswahl an Instrument­arien auf einer Bühne anzusehen, wird bemerkt haben, dass die Auftritte den im Studio festgehalt­enen Momenten überlegen sind. Das soll den Status von „Tamer Animals“keineswegs schmälern. Aber nicht auszudenke­n, wenn auch noch David Bowie diese Band live gesehen hätte …

Damit Sie im Corona-Lockdown nicht den Krisen-Blues bekommen, stellen wir vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen und die Playlist auf tlz.de/blog

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