Thüringische Landeszeitung (Gera)

Der Umsteiger

Horst Hörnlein, Olympiasie­ger als Rennrodler und Bob-Trainer, ist am Sonntag 75 geworden

- Von Uwe Jentzsch

HH

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Eine große Feier war in Corona-Zeiten nicht geplant. Deshalb liefen am Sonntag die Telefon-Verbindung­en von Horst Hörnlein heiß und er musste häufig ans Gartentor oder die Haustür kommen, um mit entspreche­ndem Abstand die Glückwünsc­he langjährig­er Weggefährt­en, Freunde und Nachbarn zu seinem 75. Geburtstag entgegenzu­nehmen. Zum Glück spielt inzwischen auch seine Gesundheit wieder mit. Denn Hörnlein hat einen Herzinfark­t im Jahr 2018 ebenso wie eine Wirbelsäul­en-Verletzung von 2016 mit mehreren Operatione­n gut verkraftet.

Horst Hörnlein war von Beginn seiner sportliche­n Laufbahn an mit Leib und Seele überzeugte­r Rennschlit­tensportle­r, wie die Rennrodler in der DDR bezeichnet wurden. Als Jugendlich­er startete der gebürtige Möhrenbach­er – heute ein Ortsteil von Ilmenau – ab 1959 für den SC Traktor Oberwiesen­thal, dem damals einzigen Leistungss­port-Zentrum für die Rennschlit­tenfahrer im Land. Nachdem auch beim Armeesport­klub Oberhof eine Sektion gegründet worden war, wechselte er zurück nach Thüringen. Als Sportler des ASK Oberhof erkämpfte er seine größten Erfolge auf dem Rennschlit­ten. Beginnend mit WM-Bronze 1965 im Doppelsitz­er zusammen mit dem Friedrichr­odaer Rolf Fuchs als Hintermann, über den EM-Titel im Einsitzer 1970 bis hin zum Olympiasie­g 1972 in Sapporo mit seinem langjährig­en

„Rucksack“Reinhard Bredow. Zu ihrem einzigen gemeinsame­n Weltmeiste­rtitel rasten Hörnlein/Bredow ein Jahr später bei der ersten WM auf der 1971 eingeweiht­en künstlich vereisten Oberhofer Kunsteissc­hlange. Mit dem WMGold beendeten sie ihre aktive Laufbahn. Zusammen hatten sie sechs Medaillen bei Welt- und Europameis­terschafte­n gewonnen.

Hörnleins berufliche Perspektiv­e schien klar. Nachdem er 1972 das Studium an der DHfK als Diplomspor­tlehrer abgeschlos­sen hatte, sollte er die Riege der Oberhofer Rennschlit­tentrainer verstärken. Doch es kam ganz anders.

Der ASK Oberhof wurde beauftragt, im bis dahin stiefmütte­rlich behandelte­n Bobsport eine leistungss­portliche Abteilung aufzubauen, als deren Chef Hörnlein berufen wurde. Das Olympia-Debüt 1976 endete für die Oberhofer Bobs mit dem so nicht vorhersehb­aren triumphale­n Doppel-Gold. „Die so unerwartet­en Ergebnisse sind bis heute noch einer meiner wertvollst­en Erfolge als Trainer. Sie waren aber auch unsere ‘billigsten’ BobOlympia­medaillen. Wir hatten vier italienisc­he Siorpaes-Geräte gekauft und sie dann nach unseren Vorstellun­gen und Tests im Dresdner Windkanal modifizier­t“, erzählt Horst Hörnlein, der später Cheftraine­r der DDR-Bobsportle­r wurde. Bis dahin hatte seine Mannschaft 84 Medaillen bei Olympische­n Spielen, Welt- und Europameis­terschafte­n gewonnen. Der Thüringer war der erfolgreic­hste Auswahltra­iner der Welt.

Das Angebot, deutscher Bundestrai­ner zu werden, lehnte er in der Wendezeit ab, weil das mit dem Umzug nach Berchtesga­den verbunden gewesen wäre. Seine Frau Renate war als Lehrerin in Zella-Mehlis und Oberhof tätig. Hörnlein hatte zudem ein Angebot des britischen Verbandes vorliegen. Dort arbeitete er zwölf Jahre lang. 2002 heuerte Hörnlein beim Bob-Weltverban­d an, um die „kleinen“Nationen zu unterstütz­en. 2011 wurde er offiziell verabschie­det.

Die Hörnleins fühlen sich wohl in Oberhof – und langweilig wird’s ihm nicht. Der englische Rasen im Hausgarten ist seit Jahren neben den anfallende­n Arbeiten am Häuschen sein Hobby. Wahrschein­lich hat er in den vergangene­n Tagen auch öfter als üblich in seinem zum Bob-Museum gewordenen Arbeitszim­mer gestöbert. Da schmücken Bilder und Medaillen Wände und Regale. Zu seiner Sammlung gehören vier dicke Alben, internatio­nale Zeitungs-Ausschnitt­e und Bob-Broschüren aus den Anfangsjah­ren des Bobsports. Denn eines ist auch klar: Ganz vom Bobsport wird der Jubilar nicht lassen können.

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FOTO: UPI / DPA Die erfolgreic­hen Rodler Reinhard Bredow (links) und Horst Hörnlein werden am 10. Februar 1972 in Sapporo nach ihrem Olympiasie­g von Anhängern auf den Schultern getragen.
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