Thüringische Landeszeitung (Gera)
Showdown im Straßenbahn-Streit?
Im Geraer Stadtrat soll am Donnerstag zu möglichen neuen Bahnen für die GVB entschieden werden
Eine Traueranzeige für den Geraer Nahverkehr, für die zu Grabe getragene „Zukunft der Geraer Verkehrsbetriebe“, weil sich Fraktionen gegen den Kauf von 12 neuen Straßenbahnen aussprechen – eine solche Traueranzeige machte zuletzt die Runde in den sozialen Netzwerken im Internet. Die „Trauerfeier“würde am 4. Juni vorm KuK stattfinden, heißt es in dem Beitrag. Dort tagt am Donnerstag ab 18 Uhr der Geraer Stadtrat und dort spielen abermals die neu zu beschaffenden Straßenbahnen für die GVB Verkehrs- und Betriebsgesellschaft Gera mbH eine Rolle.
Die Polemik der Traueranzeige zeigt die Polarisierung des Themas. Vehement wurde und wird darum gerungen, wie viele Bahnen neu beschafft werden müssten. Von sechs bis 12 reicht das Spektrum. Mehr als sechs geben der gültige Nahverkehrsplan und die Finanzen derzeit nicht her, sagen die einen, vorn dran die CDU. Zwölf müssen es sein, um alle alten Tatras zu ersetzen und so auch künftig Kosten für den Unterhalt zu sparen und Barrierefreiheit zu gewährleisten, sagen die anderen um Linke, SPD, Grüne und die GVB-Geschäftsführung. Das sind – stark verkürzt – die Positionen. Dazwischen gab es die „8“als Kompromissvorschlag der Fraktion Bürgerschaft oder die „10“, die das städtische Verkehrsamt errechnete.
Beschlussvorlage der Stadtverwaltung Gera wird noch überarbeitet
Eine Beschlussvorlage der Stadtverwaltung, die aber vor allem einen Weg zur Finanzierung aufzeigen sollte, wurde zuletzt nicht behandelt, nachdem der Präsident des Thüringer Landesverwaltungsamtes formale Bedenken an der Vorlage angemeldet hatte. Bis Dienstag lag keine neue Vorlage der Stadt für die Stadtratssitzung vor.
Wie OB Julian Vonarb (parteilos) versicherte, werde die Verwaltung „eine rechtssichere Vorlage“in den Stadtrat einbringen. Vor 14 Tagen, so erklärt er, habe es ein Gespräch im Landesverwaltungsamt gegeben. Dort habe die Rechtsaufsicht an ihren Einwänden festgehalten, das sei in einem abgestimmten Protokoll auch so vermerkt worden. Auf dieser Grundlage habe Vonarb veranlasst, die fehlende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung noch rechtzeitig einzuarbeiten, was ihm Bürgermeister Kurt Dannenberg (CDU) zugesichert habe.
Im Grunde geht es darum, 7,2 Millionen Euro, die Gera 2020 als zusätzliche Investitionsmittel des Landes erhält, über den Umweg eines städtischen Förderprogramms bereitzustellen für die Anschaffung neuer Bahnen. Gleichzeitig müsse aus rechtlichen Gründen ein Beschluss aus dem Dezember rückgängig gemacht werden, der eine feste Verzinsung des GVB-Eigenkapitals und die Teilumwandlung des Gesellschafterdarlehens zum Inhalt hatte. Über allem steht die Maßgabe – und der Vorbehalt für eine weitere Kreditaufnahme durch die GVB – einer 50-prozentigen Förderung der Fuhrpark-Erneuerung durchs Land.
Frist für Förderzusage des Landes läuft Freitag ab
Bis 5. Juni steht die Förderzusage des Landes, diese bereits verlängerte Frist werde auch nicht noch einmal verlängert, berichtet Vonarb von Gesprächen mit dem Land. Auch angesichts dessen will der OB im Stadtrat die grundsätzliche Frage zumindest ansprechen, ob nicht Emotion und Druck aus der Sache genommen werden könnten, wenn erst der ohnehin fällige neue Nahverkehrsplan erarbeitet würde, auf dessen Grundlage dann Bahnen bestellt werden könnten.
Für Nils Fröhlich (Grüne), Vorsitzender des GVB-Aufsichtsrates, sei nicht zu beschließen keine Option. Er sehe kritisch, dass es bis Dienstag keine neue Vorlage gab und kündigte bereits an, eine eigene einbringen zu wollen. Diese werde sich an das anlehnen, was die Grünen bereits im Dezember – aus Ermangelung eines Vorschlags aus der Verwaltung – auf die Stadtrats-Agenda setzten. Damals ging es um die vollständige Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens der Stadt in Eigenkapital des Nahverkehrsbetriebes, um diesen finanziell besser auszustatten. Erst mit einem Kompromissvorschlag einigte sich eine knappe Mehrheit auf eine Teilumwandlung und eine Festverzinsung des Eigenkapitals.
Weil es rechtliche Bedenken zur Festverzinsung gebe, will Fröhlich weg von diesem Punkt und zurück zum Ursprungsanliegen: das Gesellschafterdarlehen von 16,5 Millionen Euro komplett umwandeln. Dagegen sieht Christian Klein (CDU) genau darin die rechtlichen Probleme. Nach wie vor sind aus seiner Sicht die Bedenken des Präsidenten im Landesverwaltungsamt zum Vorschlag der Verwaltung im April unbegründet, da die Vorlage eng mit der Behörde abgestimmt gewesen sei. Deshalb werde man den Vorschlag, sollte er wieder vorgelegt werden, auch mittragen. Allerdings werde man beantragen, die Zahl von sechs Bahnen einzufügen. Das sei das, was fachlich mit dem gültigen Nahverkehrsplan begründbar sei.
Vom GVB beauftragtes Gutachten unterstützt die Position des GVB
Unterdessen heben die GVB-Aufsichtsratsmitglieder Andreas Schubert, Ralph Ebert (beide Linke) und Nils Fröhlich in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Notwendigkeit von 12 Bahnen hervor, die nun der Tüv Rheinland in einem vom GVB beauftragten Gutachten bestätigt habe. „Die unabhängige Prüforganisation bestätigt die bisherige Position der GVB uneingeschränkt“, heißt es in der Mitteilung. Sowohl mit Blick auf Barrierefreiheit, als auch in finanzieller Hinsicht empfehle das Gutachten die Neuanschaffung.
Andreas Schubert und sein Linksfraktionskollege Daniel Reinhardt spannen in einer weiteren Pressemittelung den Bogen hin zur Diskussion über ein „Zentrum Mobilität der Zukunft“in Gera. „Um die kleine Chance mit großer Wirkung wirklich zu nutzen, müssen auch kommunalpolitisch kluge Entscheidungen mit Blick auf den ÖPNV getroffen werden“, heißt es da: „Kaum vorstellbar, dass Gera Standort zur Erforschung der Mobilitätszukunft wird, wenn gleichzeitig der Stadtrat die Ersatzinvestition für 40 Jahre alte Straßenbahnen blockiert und Gera dann als Straßenbahnmuseum überregional Schlagzeilen macht.“