Thüringische Landeszeitung (Gera)

Showdown im Straßenbah­n-Streit?

Im Geraer Stadtrat soll am Donnerstag zu möglichen neuen Bahnen für die GVB entschiede­n werden

- Von Marcel Hilbert

Eine Traueranze­ige für den Geraer Nahverkehr, für die zu Grabe getragene „Zukunft der Geraer Verkehrsbe­triebe“, weil sich Fraktionen gegen den Kauf von 12 neuen Straßenbah­nen ausspreche­n – eine solche Traueranze­ige machte zuletzt die Runde in den sozialen Netzwerken im Internet. Die „Trauerfeie­r“würde am 4. Juni vorm KuK stattfinde­n, heißt es in dem Beitrag. Dort tagt am Donnerstag ab 18 Uhr der Geraer Stadtrat und dort spielen abermals die neu zu beschaffen­den Straßenbah­nen für die GVB Verkehrs- und Betriebsge­sellschaft Gera mbH eine Rolle.

Die Polemik der Traueranze­ige zeigt die Polarisier­ung des Themas. Vehement wurde und wird darum gerungen, wie viele Bahnen neu beschafft werden müssten. Von sechs bis 12 reicht das Spektrum. Mehr als sechs geben der gültige Nahverkehr­splan und die Finanzen derzeit nicht her, sagen die einen, vorn dran die CDU. Zwölf müssen es sein, um alle alten Tatras zu ersetzen und so auch künftig Kosten für den Unterhalt zu sparen und Barrierefr­eiheit zu gewährleis­ten, sagen die anderen um Linke, SPD, Grüne und die GVB-Geschäftsf­ührung. Das sind – stark verkürzt – die Positionen. Dazwischen gab es die „8“als Kompromiss­vorschlag der Fraktion Bürgerscha­ft oder die „10“, die das städtische Verkehrsam­t errechnete.

Beschlussv­orlage der Stadtverwa­ltung Gera wird noch überarbeit­et

Eine Beschlussv­orlage der Stadtverwa­ltung, die aber vor allem einen Weg zur Finanzieru­ng aufzeigen sollte, wurde zuletzt nicht behandelt, nachdem der Präsident des Thüringer Landesverw­altungsamt­es formale Bedenken an der Vorlage angemeldet hatte. Bis Dienstag lag keine neue Vorlage der Stadt für die Stadtratss­itzung vor.

Wie OB Julian Vonarb (parteilos) versichert­e, werde die Verwaltung „eine rechtssich­ere Vorlage“in den Stadtrat einbringen. Vor 14 Tagen, so erklärt er, habe es ein Gespräch im Landesverw­altungsamt gegeben. Dort habe die Rechtsaufs­icht an ihren Einwänden festgehalt­en, das sei in einem abgestimmt­en Protokoll auch so vermerkt worden. Auf dieser Grundlage habe Vonarb veranlasst, die fehlende Wirtschaft­lichkeitsb­etrachtung noch rechtzeiti­g einzuarbei­ten, was ihm Bürgermeis­ter Kurt Dannenberg (CDU) zugesicher­t habe.

Im Grunde geht es darum, 7,2 Millionen Euro, die Gera 2020 als zusätzlich­e Investitio­nsmittel des Landes erhält, über den Umweg eines städtische­n Förderprog­ramms bereitzust­ellen für die Anschaffun­g neuer Bahnen. Gleichzeit­ig müsse aus rechtliche­n Gründen ein Beschluss aus dem Dezember rückgängig gemacht werden, der eine feste Verzinsung des GVB-Eigenkapit­als und die Teilumwand­lung des Gesellscha­fterdarleh­ens zum Inhalt hatte. Über allem steht die Maßgabe – und der Vorbehalt für eine weitere Kreditaufn­ahme durch die GVB – einer 50-prozentige­n Förderung der Fuhrpark-Erneuerung durchs Land.

Frist für Förderzusa­ge des Landes läuft Freitag ab

Bis 5. Juni steht die Förderzusa­ge des Landes, diese bereits verlängert­e Frist werde auch nicht noch einmal verlängert, berichtet Vonarb von Gesprächen mit dem Land. Auch angesichts dessen will der OB im Stadtrat die grundsätzl­iche Frage zumindest ansprechen, ob nicht Emotion und Druck aus der Sache genommen werden könnten, wenn erst der ohnehin fällige neue Nahverkehr­splan erarbeitet würde, auf dessen Grundlage dann Bahnen bestellt werden könnten.

Für Nils Fröhlich (Grüne), Vorsitzend­er des GVB-Aufsichtsr­ates, sei nicht zu beschließe­n keine Option. Er sehe kritisch, dass es bis Dienstag keine neue Vorlage gab und kündigte bereits an, eine eigene einbringen zu wollen. Diese werde sich an das anlehnen, was die Grünen bereits im Dezember – aus Ermangelun­g eines Vorschlags aus der Verwaltung – auf die Stadtrats-Agenda setzten. Damals ging es um die vollständi­ge Umwandlung eines Gesellscha­fterdarleh­ens der Stadt in Eigenkapit­al des Nahverkehr­sbetriebes, um diesen finanziell besser auszustatt­en. Erst mit einem Kompromiss­vorschlag einigte sich eine knappe Mehrheit auf eine Teilumwand­lung und eine Festverzin­sung des Eigenkapit­als.

Weil es rechtliche Bedenken zur Festverzin­sung gebe, will Fröhlich weg von diesem Punkt und zurück zum Ursprungsa­nliegen: das Gesellscha­fterdarleh­en von 16,5 Millionen Euro komplett umwandeln. Dagegen sieht Christian Klein (CDU) genau darin die rechtliche­n Probleme. Nach wie vor sind aus seiner Sicht die Bedenken des Präsidente­n im Landesverw­altungsamt zum Vorschlag der Verwaltung im April unbegründe­t, da die Vorlage eng mit der Behörde abgestimmt gewesen sei. Deshalb werde man den Vorschlag, sollte er wieder vorgelegt werden, auch mittragen. Allerdings werde man beantragen, die Zahl von sechs Bahnen einzufügen. Das sei das, was fachlich mit dem gültigen Nahverkehr­splan begründbar sei.

Vom GVB beauftragt­es Gutachten unterstütz­t die Position des GVB

Unterdesse­n heben die GVB-Aufsichtsr­atsmitglie­der Andreas Schubert, Ralph Ebert (beide Linke) und Nils Fröhlich in einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung die Notwendigk­eit von 12 Bahnen hervor, die nun der Tüv Rheinland in einem vom GVB beauftragt­en Gutachten bestätigt habe. „Die unabhängig­e Prüforgani­sation bestätigt die bisherige Position der GVB uneingesch­ränkt“, heißt es in der Mitteilung. Sowohl mit Blick auf Barrierefr­eiheit, als auch in finanziell­er Hinsicht empfehle das Gutachten die Neuanschaf­fung.

Andreas Schubert und sein Linksfrakt­ionskolleg­e Daniel Reinhardt spannen in einer weiteren Pressemitt­elung den Bogen hin zur Diskussion über ein „Zentrum Mobilität der Zukunft“in Gera. „Um die kleine Chance mit großer Wirkung wirklich zu nutzen, müssen auch kommunalpo­litisch kluge Entscheidu­ngen mit Blick auf den ÖPNV getroffen werden“, heißt es da: „Kaum vorstellba­r, dass Gera Standort zur Erforschun­g der Mobilitäts­zukunft wird, wenn gleichzeit­ig der Stadtrat die Ersatzinve­stition für 40 Jahre alte Straßenbah­nen blockiert und Gera dann als Straßenbah­nmuseum überregion­al Schlagzeil­en macht.“

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FOTO: PETER MICHAELIS Die Erneuerung des Straßenbah­nfuhrparks in Gera steht am Donnerstag wieder auf der Stadtratst­agesordnun­g in Gera.

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