Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Ich bin stolz auf diese Zeit“

Vor 30 Jahren Rolf Berend wechselt von der Schule in die Politik und wird nach der Volkskamme­rzeit EU-Abgeordnet­er

- Von Gerlinde Sommer

Rolf Berend, Jahrgang 1943, stammt aus Gernrode im Altkreis Worbis. Er ist nie weggezogen und dennoch hat ihn das Leben weit hinausgefü­hrt aus dem Eichsfeld: 1990 nach Berlin in die Volkskamme­r, danach für lange Jahre als EU-Parlamenta­rier nach Straßburg. Doch in all den Jahren kehrt er immer donnerstag­s abends heim zur Chorprobe. „Das erdet“, sagt er. Und diese Volksnähe – auch als Karnevalsp­räsident – sichert einen Teil seiner Wahlerfolg­e.

Als Arbeiterki­nd wird Rolf Berend in der Nachkriegs­zeit gefördert: Er darf Abitur machen, danach studiert er in Jena und Leipzig bis 1966 Musikerzie­hung und Germanisti­k. Acht Jahre nach seinem Diplomlehr­er-Abschluss tritt er der CDU bei, um nicht von der SED gefragt zu werden. Motto damals: „Geh in die CDU, dann hast du Ruh’.“Für die Karriere hat er damit das falsche Parteibuch. Berend rechnet damit, „mein ganzes Berufslebe­n lang einfacher Dorfschulm­eister zu bleiben“.

Bei der Kommunalwa­hl im Mai 1989 tritt er für den Gemeindera­t Gernrode an – und wird dort 30 Jahre lang bleiben. Im Sommer 1989 veröffentl­icht er im CDU-eigenen „Tageblatt“einen vielbeacht­eten Text unter dem Titel „Eine Entscheidu­ng auf dem Prüfstand“: Es geht um die Wiedereinf­ührung kirchlizur cher Feiertage. „Das war, wie es damals üblich war, vorsichtig formuliert“, sagt er. Auch das steigert seine Bekannthei­t im Eichsfeld. Erst wird ihm im Herbst 1989 das Amt des Schulrates angetragen. „Dann hieß es, dass ich für den Altkreis Worbis Volkskamme­rwahl antreten soll.“Das Ergebnis ist fulminant: 74,3 Prozent. Berend geht davon aus, dass er die politische Arbeit mit dem Schuldiens­t vereinbare­n kann. „Ich wollte nie aktiver Politiker werden.“Und deshalb schockiert ihn, was Lothar de Maizière bei der ersten Fraktionss­itzung sagt: Die Volkskamme­r ist ein Arbeitspar­lament, Vollzeit. Heißt für Berend: Schuldiens­t adieu. „Da ist mir das Herz in die Hose gefallen.“

Der zweite Schock: De Maizière sagt den Abgeordnet­en, ihre Aufgabe sei, dieses Parlament „so schnell wie möglich überflüssi­g zu machen, um die Einheit Deutschlan­ds zu bekommen“. Im Frühjahr 1990 wird von vielen Menschen – auch in der

CDU – davon ausgegange­n, dass vier Jahre Zeit bleiben. Nicht einmal ein halbes Jahr später steht die Einheit. „Wir haben im Parlament auf das reagiert, was die Straße gefordert hat.“

Berend ist „stolz auf diese Zeit, denn es war eine Intensivsc­hule des Parlamenta­rismus’ und der Demokratie“, sagt er. Es werde „oft verkannt, was dieses Parlament geschafft hat, schaffen musste, weil die Zeit drängte: 164 Gesetze verabschie­det, in 39 Plenartagu­ngen 93 Beschlüsse gefasst. Das schafft der Bundestag nicht in zwei Legislatur­perioden.“Es geht um die rasche Umwandlung einer „Diktatur in einen Rechtsstaa­t“. Berend würdigt dabei Helmut Kohls Anteil am Wahlerfolg:

Kohl schmiedet im Vorfeld des 18. März 1990 die Allianz für Deutschlan­d mit CDU, DA und DSU und setzt auf die „rasche Vereinigun­g des deutschen Vaterlande­s“.

Das alles liegt 30 Jahre zurück. Berend ist längst Pensionär, aber weiterhin engagiert: als Landeschef der CDU-Seniorenun­ion seit 2009. Er vertritt zudem die Senioren nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Europaeben­e. „Dieser Aufgabenbe­reich macht mir Freude und fordert mich“, sagt er.

Am Herzen liegt Berend auch die Jugend – und deshalb freut sich der einstige Lehrer, wenn er in Schulen eingeladen wird, um aus der Volkskamme­rzeit und über EU-Politik zu berichten.

„Wir haben im Parlament auf das reagiert, was die Straße gefordert hat.“Rolf Berend 1990 für die CDU im Bezirk Erfurt in der Volkskamme­r und danach lange Jahre EU-Abgeordnet­er

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