Thüringische Landeszeitung (Gera)
Gera ist bei Arbeitslosigkeit das Schlusslicht
Die Stadt hat wieder die höchste Quote in Thüringen. Kurzarbeit nimmt ein nie gekanntes Ausmaß an
Wie zu erwarten, schlägt sich die Corona-Krise stark auf dem Arbeitsmarkt nieder. Dies äußert sich nicht in erster Linie beim Anstieg der Arbeitslosigkeit, jedoch bei einem noch nie da gewesenen Umfang an Kurzarbeit. „In diesem Ausmaß hatten wir sie tatsächlich nicht seit der Wiedervereinigung“, schätzt Stefan Scholz, Leiter der Arbeitsagentur Altenburg-Gera ein.
Kurzarbeit nimmt riesiges Ausmaß an
So haben im März und April insgesamt 4200 Unternehmen Kurzarbeit angezeigt für 43.600 Beschäftigte. Im Mai gingen nochmals 286 Anzeigen für 3440 Beschäftigte in der hiesigen Arbeitsagentur ein. Diese Kurzarbeit habe tatsächlich einen anderen Charakter als das, was in der Finanzkrise 2008/09 eine Rolle gespielt hat. Damals sei weitgehend das verarbeitende Gewerbe betroffen gewesen. Die Pandemie dagegen wirke sich insbesondere auf den Dienstleistungs- und Servicesektor aus. Bundesweit habe man 93 Prozent der Restaurants und Gaststätten in Kurzarbeit. „Das sind fast alle“, so Scholz. Selbst Branchen, in denen Kurzarbeit nicht üblich sei, seien nun betroffen, beispielsweise öffentliche Dienstleistungen sowie Zeitarbeit. „Bezüglich Anzeigen auf Kurzarbeit registrieren wir für betroffene Unternehmen das 212-fache gegenüber Mai vorigen Jahres und bei Arbeitnehmern das 90-fache gegenüber dem Vorjahr“, verdeutlicht Stefan Scholz die Situation. Außerdem wagt kaum ein Unternehmen Neueinstellungen. „Die sonst übliche Frühjahrsbelebung ist komplett ausgefallen“, so Scholz.
Praxis-Mitarbeiter erhalten auch Kurzarbeitergeld
Nach lange unsicherer Rechtslage besteht nun auch Klarheit, dass Mitarbeiter in Arzt- und Zahnarztpraxen bei Kurzarbeitergeld anspruchsberechtigt sind. „Da haben wir wirklich erst seit Anfang Mai Klarheit und wissen, wir können bewilligen“, bekennt der Agenturchef.
Nach wie vor stehe die Arbeitsagentur Altenburg-Gera zu ihrem Versprechen, dass die Betroffenen schnell zu ihrem Geld kommen. Bei der Bearbeitung der Anträge gibt es laut Agenturchef nur sehr geringe Rückstände von zwei bis drei Tagen. Allerdings könne die Agentur nicht beeinflussen, wann welches Lohnbüro die jeweiligen Abrechnungen einreiche, was unter Umständen auch ein Grund für Verzögerungen sein könnte.
Stadt Gera ist das Schlusslicht
Stefan Scholz betonte nochmals, dass Kurzarbeit ein Instrument ist, um Menschen vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Insofern ist die Arbeitslosenquote im Agenturbezirk von 6,6 Prozent im April auf 6,8 Prozent im Mai auch nur vergleichsweise gering angestiegen. 4290 Menschen meldeten sich in der Stadt Gera arbeitslos. Von April auf Mai stieg die Arbeitslosigkeit um 3,5 Prozent. Insgesamt weist Gera derzeit eine absolute Arbeitslosenquote von 9,1 Prozent auf. „Die Stadt hat immer noch die mit Abstand höchste Arbeitslosigkeit in Thüringen.“Von Januar bis Mai erhielt die Agentur 890 freie Stellen von Geraer Unternehmen – das sind 600 Stellen, sprich 40 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Hinsichtlich Kurzarbeit setzt sich der allgemeine Trend in Gera fort: 45 Prozent der Firmen und damit fast jedes zweite Unternehmen – hat Kurzarbeit angezeigt.
Ausbildung bleibt wichtiges Thema
Wann das normale Wirtschaftsgeschehen wieder einsetzt, dazu wagt Stefan Scholz keinerlei Prognosen. Die schwierige Lage und Unsicherheit führte auch dazu, dass die Übernahmebereitschaft für Auszubildende in Firmen abgenommen hat. Wurden früher neun von zehn Azubis nach erfolgreicher Ausbildung eingestellt, sind derzeit viele Arbeitgeber zögerlich geworden und übernehmen im Zweifelsfall nicht, wenngleich auch die demografische Entwicklung Firmen weiterhin dazu zwingt, in das Thema Ausbildung zu investieren. Seit Mitte Mai kontaktiert die Arbeitsagentur Altenburg-Gera alle Ausbildungsunternehmen, die ihr Stellen gemeldet haben. Bis jetzt habe man 55 Prozent der Unternehmen kontaktiert. Bis Mitte Juni soll diese Aktion abgeschlossen werden, berichtet der Agenturchef.
„Als Unternehmer muss man schon etwas Licht am Ende des Tunnels sehen, um sich wieder mit dem Thema Ausbildung zu beschäftigen. Deshalb nicht im April, sondern jetzt die Kontakte zu den Ausbildungsbetrieben, um sicher zu sein, inwiefern die einst gemeldeten
Lehrstellen noch existieren für den Ausbildungsbeginn 2020. Mit Stand Mittwoch habe man immer noch genügend Ausbildungsstellen: Rein rechnerisch kommen auf 1900 Stellen 1000 Bewerber. In Gera gibt es 482 gemeldete Ausbildungsstellen. Diesen stehen 232 Jugendliche gegenüber, erst 84 von ihnen haben bereits einen Vertrag in der Tasche. „Ob es konkret immer noch jene Stelle gibt, auf die sich der Jugendliche beworben hat, das stellen wir gerade fest“, betont Scholz. Ziel ist es, in jedem Fall die „Generation Corona“zu vermeiden.
Die Arbeitsagentur AltenburgGera hat derzeit noch keinen Publikumsverkehr. Schrittweise will man jetzt dazu übergehen, Termine (online oder telefonisch) zu vergeben und Ratsuchende einzuladen. Einen freien Zugang für jedermann wird es aber auch in den nächsten Wochen nicht geben.