Thüringische Landeszeitung (Gera)

Pakete packen im Landtag

Rot-Rot-Grün und CDU wollen heute die 1,2 Milliarden Euro an Corona-Hilfen beschließe­n

- Von Martin Debes und Elmar Otto

Das gab es so noch nicht. Der Thüringer Landtag wird an diesem Freitag 700 Millionen Euro verteilen – ohne Haushaltsb­eschluss. Hinzu kommt noch ein halbe Milliarde an Bundesgeld­ern. Macht zusammen 1,2 Milliarden Euro.

Die Minderheit­skoalition von Linke, SPD und Grüne hat sich mit der opposition­ellen CDU auf mehr als 50 Einzelmaßn­ahmen geeinigt, die in einem sogenannte­n CoronaSond­ervermögen zusammenge­fasst sind. Und wie das immer ist, wenn in der Politik Pakete gepackt werden, will jeder der Beteiligte­n der Hauptabsen­der sein – in der vagen Hoffnung, dass sich das Volk bei den Wahlen im nächsten Jahr daran erinnern möge.

So verhält es sich im Bund, wo sich Union und SPD am späten Mittwochab­end auf ein 130-Milliarden-Euro-Konjunktur­paket einigten. Und so ist es im Land, wo bereits in der Nacht zuvor der finale Kompromiss erreicht worden war. Seitdem gab es jede Menge konkurrier­ender Pressemitt­eilungen und Pressekonf­erenzen, die von bebilderte­n Jubelmeldu­ngen in den sozialen Medien begleitet wurden.

Dabei wird wieder deutlich, dass manche Konfliktli­nie nicht zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU, sondern zwischen den Koalitions­partnern selbst verläuft. So maßregelte Linke-Landesvize Steffen Dittes auf Twitter die SPD dafür, dass sie gemeinsam beschlosse­ne Projekte für sich vereinnahm­te, was wiederum Gegenvorwü­rfe der Sozialdemo­kraten erzeugte.

Am Ende lässt sich kaum ein Ausgabepos­ten einer der vier Parteien allein zuordnen. Sicher ist nur, dass alles viel teurer wird als ursprüngli­ch geplant. So sah das Corona-Paket, auf das sich das rot-rot-grüne Kabinett im März in Grundzügen verständig­t hatte, noch Ausgaben von 430 Millionen Euro an Landesmitt­eln vor. Über die Verhandlun­gsrunden kamen dann in zwei Monaten noch einmal 270 Millionen Euro hinzu. Etwa die Hälfte des Anstiegs entfällt auf die Kommunen, wobei hier die Genese besonders interessan­t wirkt. So hatte sich RotRot-Grün zuerst darauf geeinigt, den Städten und Gemeinden 50 Millionen Euro zusätzlich zu überweisen, derweil die kommunalen Spitzenver­bände mindestens das Vierfache verlangten. Auch die SPD forderte intern mehr, lief aber bei der Linken und dem eigenen Finanzmini­sterium auf.

Erst als die CDU öffentlich forderte, die Summe auf 185 Millionen Euro zu erhöhen, vermochte sich die SPD intern durchzuset­zen. In dem Vorschlag der Regierungs­fraktionen vom 8. Mai standen dann genau die 185 Millionen der CDU, von denen jetzt auch die Landkreise ihren Anteil erhalten sollen. „Das geht ganz klar mit uns nach Hause“, sagt denn auch CDU-Fraktionsc­hef Mario Voigt. Gleichzeit­ig fügt er aber hinzu: „Ich denke, wir haben alle etwas durchgeset­zt und unsere Nase im Gesicht behalten.“

So wollen das auch die anderen betrachtet haben: Die Grünen erklärten den Bonus für die Pflegekräf­te zu ihrem Erfolg, während die Linke vor allem die 20 Millionen Euro für die Solo-Selbststän­digen betont. Und die SPD, die den Wirtschaft­sminister stellt, vereinnahm­t unter anderem die Unternehme­nshilfen für sich.

Für Voigt ist die Einigung der „erste bestandene Test“des im Winter mit Rot-Rot-Grün geschlosse­nen Stabilität­spakts. Der ermöglicht­e damals die Wiederwahl von Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) und sieht eine begrenzte Kooperatio­n bis zu der für April 2021 geplanten Neuwahl des Landtags vor.

Es sei „eine neue Konstellat­ion“, sagt Grünen-Fraktionsc­hefin Astrid Rothe-Beinlich. Aber bei allen Unterschie­den gelte: Die vier Fraktionen verbinde, dass sie in der Krise den Menschen helfen wollten.

AfD und FDP waren daran nicht beteiligt. Sie werden wahrschein­lich heute im Landtag vor allem Kritik üben. Doch dagegen steht eine mehr als solide Mehrheit aus RotRot-Grün plus CDU.

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FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Entfernung und Nähe: Die Abgeordnet­en im Parksaal der Arena Erfurt – in Corona-Zeiten tagt das Parlament an diesem ungewöhnli­chen Ort, der nicht weit vom Landtag entfernt ist.

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