Thüringische Landeszeitung (Gera)
Pakete packen im Landtag
Rot-Rot-Grün und CDU wollen heute die 1,2 Milliarden Euro an Corona-Hilfen beschließen
Das gab es so noch nicht. Der Thüringer Landtag wird an diesem Freitag 700 Millionen Euro verteilen – ohne Haushaltsbeschluss. Hinzu kommt noch ein halbe Milliarde an Bundesgeldern. Macht zusammen 1,2 Milliarden Euro.
Die Minderheitskoalition von Linke, SPD und Grüne hat sich mit der oppositionellen CDU auf mehr als 50 Einzelmaßnahmen geeinigt, die in einem sogenannten CoronaSondervermögen zusammengefasst sind. Und wie das immer ist, wenn in der Politik Pakete gepackt werden, will jeder der Beteiligten der Hauptabsender sein – in der vagen Hoffnung, dass sich das Volk bei den Wahlen im nächsten Jahr daran erinnern möge.
So verhält es sich im Bund, wo sich Union und SPD am späten Mittwochabend auf ein 130-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket einigten. Und so ist es im Land, wo bereits in der Nacht zuvor der finale Kompromiss erreicht worden war. Seitdem gab es jede Menge konkurrierender Pressemitteilungen und Pressekonferenzen, die von bebilderten Jubelmeldungen in den sozialen Medien begleitet wurden.
Dabei wird wieder deutlich, dass manche Konfliktlinie nicht zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU, sondern zwischen den Koalitionspartnern selbst verläuft. So maßregelte Linke-Landesvize Steffen Dittes auf Twitter die SPD dafür, dass sie gemeinsam beschlossene Projekte für sich vereinnahmte, was wiederum Gegenvorwürfe der Sozialdemokraten erzeugte.
Am Ende lässt sich kaum ein Ausgabeposten einer der vier Parteien allein zuordnen. Sicher ist nur, dass alles viel teurer wird als ursprünglich geplant. So sah das Corona-Paket, auf das sich das rot-rot-grüne Kabinett im März in Grundzügen verständigt hatte, noch Ausgaben von 430 Millionen Euro an Landesmitteln vor. Über die Verhandlungsrunden kamen dann in zwei Monaten noch einmal 270 Millionen Euro hinzu. Etwa die Hälfte des Anstiegs entfällt auf die Kommunen, wobei hier die Genese besonders interessant wirkt. So hatte sich RotRot-Grün zuerst darauf geeinigt, den Städten und Gemeinden 50 Millionen Euro zusätzlich zu überweisen, derweil die kommunalen Spitzenverbände mindestens das Vierfache verlangten. Auch die SPD forderte intern mehr, lief aber bei der Linken und dem eigenen Finanzministerium auf.
Erst als die CDU öffentlich forderte, die Summe auf 185 Millionen Euro zu erhöhen, vermochte sich die SPD intern durchzusetzen. In dem Vorschlag der Regierungsfraktionen vom 8. Mai standen dann genau die 185 Millionen der CDU, von denen jetzt auch die Landkreise ihren Anteil erhalten sollen. „Das geht ganz klar mit uns nach Hause“, sagt denn auch CDU-Fraktionschef Mario Voigt. Gleichzeitig fügt er aber hinzu: „Ich denke, wir haben alle etwas durchgesetzt und unsere Nase im Gesicht behalten.“
So wollen das auch die anderen betrachtet haben: Die Grünen erklärten den Bonus für die Pflegekräfte zu ihrem Erfolg, während die Linke vor allem die 20 Millionen Euro für die Solo-Selbstständigen betont. Und die SPD, die den Wirtschaftsminister stellt, vereinnahmt unter anderem die Unternehmenshilfen für sich.
Für Voigt ist die Einigung der „erste bestandene Test“des im Winter mit Rot-Rot-Grün geschlossenen Stabilitätspakts. Der ermöglichte damals die Wiederwahl von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und sieht eine begrenzte Kooperation bis zu der für April 2021 geplanten Neuwahl des Landtags vor.
Es sei „eine neue Konstellation“, sagt Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich. Aber bei allen Unterschieden gelte: Die vier Fraktionen verbinde, dass sie in der Krise den Menschen helfen wollten.
AfD und FDP waren daran nicht beteiligt. Sie werden wahrscheinlich heute im Landtag vor allem Kritik üben. Doch dagegen steht eine mehr als solide Mehrheit aus RotRot-Grün plus CDU.