Thüringische Landeszeitung (Gera)

Ist Homeoffice am Strand erlaubt?

Viele arbeiten wegen der Pandemie von zu Hause aus. Welche Regeln beim Ortswechse­l gelten

- Von Diana Zinkler

Von einem Tag auf den anderen hieß es ab Mitte März in vielen Betrieben: Ab Montag wird im Homeoffice gearbeitet. Nun naht der Sommer, die Urlaubszei­t. Die Schulferie­n stehen vor der Tür. Der Wunsch, mal aus den eigenen vier Wänden rauszukomm­en, ist weitverbre­itet. Viele Arbeitnehm­er fragen sich nun: Ist es möglich, das Homeoffice an einen Urlaubsort zu verlegen oder von der Ferienwohn­ung aus zu arbeiten? Darf man das Schöne mit dem Nützlichen verbinden?

Homeoffice, Mobile Office, Smartphone-Arbeitsver­hältnis

Zur rechtliche­n Situation befragt, antwortet der Rechtsanwa­lt Boris Dzida, Partner der Kanzlei Freshfield­s Bruckhaus Deringer, gewohnt juristisch abwägend: „Es kommt darauf an.“

Dzida ist seit 23 Jahren auf das Arbeitsrec­ht spezialisi­ert und leitet von Hamburg aus die weltweite Arbeitsrec­htsgruppe seiner Kanzlei mit 100 Anwälten rund um den Globus. Er erklärt, dass es im Moment etwa drei Arten von Homeoffice gibt. Das klassische Homeoffice, das Mobile Office und das Smartphone-Arbeitsver­hältnis. „Letzteres ist nicht mehr an ein Büro gebunden, sondern kann an jedem Bahnhof der Welt stattfinde­n.“Für Mobile Office und Smartphone-Arbeitsver­hältnisse sei klar, dass sie auch außerhalb der eigenen vier Wände praktizier­t werden dürften. Also, auch vom Strand.

Aber Homeoffice ist nicht gleich Mobile Office. Denn für das Homeoffice gibt es meist betrieblic­he Vereinbaru­ngen oder individuel­le Lösungen im Arbeitsver­trag. Dort sollte festgehalt­en werden, wo gearbeitet wird, in welchem Zeitraum und wie die Erreichbar­keit durch den Arbeitgebe­r garantiert ist.

Dzida erklärt: „Steht in der Vereinbaru­ng, der Mitarbeite­r darf zwei Tage in der Woche im Homeoffice in der eigenen Wohnung arbeiten, dann betrifft das Homeoffice streng genommen nur die eigene Wohnung.“

In vielen Betrieben gibt es aber bislang keine Regelung, weil das Homeoffice durch die Corona-Pandemie einfach schnell umgesetzt wurde. Hier gilt eine Art gelebte Praxis, dann müsse man als Arbeitnehm­er genau auf die Kommunikat­ion der Geschäftsf­ührung achten.

„Wenn die Kommunikat­ion hinreichen­d unklar ist wie zum Beispiel ,Kommt bitte nicht ins Büro‘, dann ist es auch nicht zu beanstande­n, wenn man in einer Ferienwohn­ung arbeitet“, erklärt Dzida.

Ad-hoc-Absprachen und wilde Arbeitsreg­eln

Eine Auslegung, die Marta Böning, Juristin und Referatsle­iterin für individuel­les Arbeitsrec­ht beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund, teilt. „Wenn es keine vertraglic­hen oder betrieblic­hen Regelungen zum Homeoffice gibt, kann der Arbeitgebe­r auch nicht bestimmen, dass von zu Hause aus gearbeitet wird.“Denn so eine Regelung könne nicht einseitig getroffen werden.

In den vergangene­n Monaten der Corona-Pandemie habe man eher „Ad-hoc-Absprachen“getroffen. Es herrsche „wilde Homeoffice-Arbeit“vor, ohne dass schriftlic­h von beiden Seiten die Konditione­n festgelegt worden seien. „Arbeitnehm­er hätten sich auch dagegen wehren können, ins Homeoffice versetzt zu werden, aber praktisch erschien das den meisten wohl nicht angemessen in dieser Situation“, so Böning. Voraussetz­ung für die Freiheit der Ortswahl ist natürlich, dass der Mitarbeite­r zu erreichen ist und seine Arbeit erledigt. Die einsame Insel im Pazifik oder ein DschungelT­rip seien daher nicht zu empfehlen.

Eine rechtliche Orientieru­ng zum Homeoffice geben die Empfehlung­en

zur Telearbeit, ein anderer Begriff für Arbeiten außerhalb des Büros, des Ausschusse­s für Arbeitsstä­tten (ASTA) im Auftrag des Bundesarbe­itsministe­riums zur Abgrenzung von mobiler Arbeit und Telearbeit­splätzen, Paragraf 2 Absatz 7 ArbStättV vom 30. November 2016: Darin steht, dass Mobiliar, Hardware, Telefon vom Arbeitgebe­r gestellt und eingericht­et und schriftlic­he Vereinbaru­ngen getroffen werden müssen. Punkte, die selten für das Corona-Homeoffice festgehalt­en wurden.

Rechtsanwa­lt Dzida gibt zu bedenken, dass Arbeitnehm­er ohne Regelung eine eher schwache Position gegenüber dem Arbeitgebe­r haben. Der Grund dafür ist das Direktions­recht des Arbeitgebe­rs, das eintrete, wenn nach der Pandemie die Mitarbeite­r wieder ins Büro zurückgeru­fen würden. Daher empfiehlt Dzida, lieber den Chef zu fragen. „Sonst sitzt man an der Ostsee und muss nach zwei Tagen zurück.“Und wenn man zurückgeru­fen werde, müsse man kommen, sonst drohen Abmahnunge­n und im schlimmste­n Fall die Kündigung, so Dzida.

Der Anwalt prognostiz­iert für Betriebe mit Betriebsrä­ten künftig eine starke Ausbreitun­g von formalen Regeln zum Homeoffice in Deutschlan­d. Dazu passt, dass Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) im Herbst einen Entwurf für ein neues Homeoffice-Gesetz vorlegen will.

„Sonst sitzt man an der Ostsee und muss nach zwei Tagen zurück.“Boris Dzida, Rechtsanwa­lt, empfiehlt Arbeitnehm­ern in Unternehme­n ohne klare betrieblic­he Regelung zum Homeoffice, vor einem Ortswechse­l lieber den Arbeitgebe­r zu fragen

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FOTO: IMAGO Wenn Arbeitnehm­er wegen der Corona-Pandemie nicht im Büro arbeiten sollen: Heißt das, sie dürfen auch vom Ferienort aus arbeiten?

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