Thüringische Landeszeitung (Gera)
Promenadologie
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Zum Spazieren muss es nicht in den Park oder am Stadtrand entlang der Felder gehen. Spazieren darf auch gerne in den bebauten Gebieten stattfinden. Es ist irgendwo zwischen dem Flanieren, dem Bummeln, dem Schlendern und dem fast vergessenen Herumstreunen in der Kinderzeit angesiedelt und ziemlich weit entfernt vom Wandern.
Und weil der Mensch in diesem Lande nicht einfach einer Gemütsregung nachgeht, sondern bei allem auch der Sinn erkundet werden muss, gibt es die Promenadologie. Das hört sich zunächst eher nach der Wissenschaft an, die sich mit Promenadenmischungen befasst. Aber weit gefehlt: Promenadologie will als Gegenpol verstanden sein zu jener bereits der Vergangenheit angehörenden Stadtplanung, die vor allem das Auto im Blick hat.
Die Promenadologen kämen auch wohl kaum auf die Idee, von der steinernen Stadt zu träumen, der Stadt ohne schattenspendende Bäume also. Die sogenannten Spazierwissenschaftler gehen (!) davon aus, dass der Planer das Gebiet kennen muss, dem er sich widmet. Und wie könnte er es besser kennen lernen als dadurch, dass er sich in ihm ergeht...
In Leipzig wurde das zwischenzeitlich Stadtwahrnehmung genannt. Und wer es genauer wissen will, der sollte: Einfach losgehen. So lautet der Titel von Bertram Wesshaars neustem Buch zu dem Thema. Ein schöner Satz von ihm ist dieser: „Nichts führt dichter in die Welt hinein als das Gehen.“Darüber lohnt es sich gehend nachzudenken.
Gerlinde Sommers Weblog lädt zu „Gedankenreisen“ein: www.tlz.de/gedankenreisen Kontakt: g.sommer@tlz.de