Thüringische Landeszeitung (Gera)
Kanzlerduell 2021: Vorteil für Söder und Scholz
Der CSU-Chef und der Bundesfinanzminister profilieren sich in der Krise immer stärker als Macher
Der Tourismusbeauftragte der Bun- desregierung, Thomas Bareiß, sieht Chancen für deutsche Urlauber auf einen Sommerurlaub in der Türkei. Der CDU-Politiker sagte: „Wir set- zen uns dafür ein, Reisewarnungen auch für Drittstaaten in den nächs- ten Wochen zurücknehmen zu können. Wenn die Infektionszahlen niedrig sind und es hohe Sicher- heitsstandards und Schutzvorkeh- rungen gibt, sehe ich keinen Grund dafür, eine Reisewarnung aufrecht- zuerhalten.“Die Regierung sei dazu mit der Türkei im Gespräch.
Warnung vor Cyberangriffen
Die Bundesregierung warnt einem Bericht zufolge angesichts der Co- rona-Krise und der damit verbunde- nen Online-Kommunikation etwa beim Homeoffice vor mehr Cyber- angriffen. „Cyberkriminelle ma- chen sich oft das erhöhte Informa- tionsbedürfnis in akuten Lagen zu- nutze, um schädliche Links und ma- nipulierte Anhänge mit Schadstoffsoftware zu verbreiten“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen.
Verzicht auf Parade
Frankreich verzichtet wegen der Corona-Krise auf die traditionelle Militärparade am Nationalfeiertag 14. Juli. Stattdessen solle es auf der Place de la Concorde im Herzen von Paris eine militärische Feier mit mehreren Tausend Menschen ge- ben, bei der auch Krankenhaus- und Pflegekräfte für ihre Arbeit während der Covid-19-Pandemie gewürdigt werden sollen.
Brennpunkt Lateinamerika
Mexiko gab am Mittwoch zum ers- ten Mal mehr als tausend Coronavi- rus-Todesfälle an einem Tag bekannt, Brasilien registrierte einen Rekord von 1349 Todesopfern. Während in Europa der Höhepunkt der Krise überwunden ist, sind Süd- und Mittelamerika zu den neuen Brennpunkten geworden. n Verbraucher
Auf dem Papier theoretisch jeder, da die Umsatzsteuer auf alle Waren und Konsumgüter fällig wird. Vor allem Geringverdiener könnten profitieren, da sie – gemessen am Einkommen – mehr Geld für Essen, Trinken und Alltagsprodukte als Besserverdiener ausgeben müssen. Bereits ab 1. Juli wird die Steuer von 19 auf 16 Prozent (bei reduzierten Sätzen von 7 auf 5 Prozent) abgesenkt – befristet bis Jahresende. Das soll einen Konsumboom auslösen. Fraglich ist jedoch, ob der Handel mitzieht und zügig seine Preise voll anpasst. Je teurer man einkauft, des
Von Tim Braune und Kerstin Münstermann
An diese Pressekonferenz zum Konjunkturpaket wird man vielleicht noch länger zurückdenken. Direkt neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen CSUChef Markus Söder und SPD-Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz Platz. Es wirkte ein bisschen so wie die Aufstellung für das künftige Kanzlerkandidatenduell.
Söder, der in den Verhandlungen von der Kaufprämie für Autos zugunsten eines Gesamtkonzepts abgerückt war, sprach von einem „wuchtigen strategischen Paket“. Die Beteiligten hätten sich in den über zwei Tage verteilten Debatten to mehr kann man theoretisch sparen. Bei einer Flasche Saft für jetzt
99 Cent macht die Steuersenkung zwei Cent aus, bei einer Waschmaschine für 700 Euro bereits 15 Euro. Lässt der Händler den Verkaufspreis trotzdem gleich, macht er entsprechend mehr Gewinn – ändert er ihn, spart der Verbraucher. Im Handwerk könnte sie gut greifen, da Renovierungsleistungen oft netto ausgewiesen werden. Mit der Mehrwertsteuersenkung nimmt die Koalition auf jeden Fall den größtmöglichen Hebel in die Hand, um die Kauflaune anzuregen. Die Maßnahme allein kostet den Staat rund
20 Milliarden Euro.
Scholz forderte den Handel bereits auf, die Steuersenkung an die Verbraucher weiterzugeben – zwingen kann die Politik die Geschäfte aber nicht. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte, sie setze auch auf den mündigen Konsumenten „und ein bisschen auf Schwarmintelligenz“. Sie könne sich kein wirklich kluges Unternehmen vorstellen, das sich in eine Debatte mit Kunden verwickeln lasse, ob es die Erleichterung weitergebe.
Familien
n
Familien erhalten im Rahmen des Konjunkturpakets einen einmaligen Kinderbonus von 300 Euro pro
„nicht ideologisch verhakt, sondern eher politisch ergänzt“. Was im nächsten Jahr sei, „ist völlig ohne Belang“. Nun, nicht ganz. Im nächsten Jahr steht die Bundestagswahl an – und in der Union hat man auf einmal mehrere Bewerber, die kanzlertauglich scheinen.
Die CDU muss im Dezember zunächst ihren Parteichef wählen, als Favorit erscheint derzeit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen antritt. Doch dann stellt sich die Frage nach der Kanzlerkandidatur. Söder betonte vor der Corona-Krise stets, sein Platz sei in Bayern. Doch er gewann zunehmend an bundespolitischem Profil, überflügelte in Umfragen die anderen
Kind. Der Bonus muss versteuert werden, er wird aber nicht auf Hartz IV angerechnet. Die Extrazahlung soll voraussichtlich in drei Raten in Höhe von je 100 Euro überwiesen werden. Kostenpunkt: 4,3 Milliarden Euro. Zugleich werden die rund
1,6 Millionen Alleinerziehende in Deutschland steuerlich bessergestellt. Der sogenannte Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende, der wie ein Steuerfreibetrag wirkt, wird für dieses und nächstes Jahr von
1908 Euro auf 4000 Euro angehoben. Mütter und Väter, die ihren Nachwuchs alleine versorgen, können dadurch netto mehr von ihrem Verdienst behalten. Der Staat lässt sich das eine Dreiviertelmilliarde Euro kosten. Für Erweiterungen, Umbauten oder Neubauten von Kitas und Krippen soll es in diesem und nächsten Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich geben – auch, um die Hygienesituation zu verbessern.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber
n
Um eine Steigerung der Lohnnebenkosten, etwa Kranken- und Arbeitslosenversicherung, zu verhindern, plant die Koalition eine „Sozialgarantie 2021“. Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bei maximal 40 Prozent stabilisiert werden, durch milliardenschwere Zuschüsse aus dem
Bewerber. Ob ihn das beeindruckt? Söder sagte am Wochenende, man müsse die Wahl des neuen CDUChefs abwarten. „Wer weiß, was bis dahin noch alles passiert.“Und fügte mit Blick auf die Corona-Pandemie hinzu: „Die Krise zeigt, wem die Deutschen in schwierigen Zeiten vertrauen. Das ist eine hohe Verantwortung.“Auf die Nachfrage, ob er doch noch einmal über seine Rolle im Bund nachdenke, sagte er: „Ich
Bundeshaushalt. Dies soll die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer schützen und Arbeitgebern Verlässlichkeit bringen.
Autofahrer
n
Es wird keine Neuauflage der Abwrackprämie für Diesel und Benziner wie nach der Bankenkrise geben. Stattdessen will der Bund die bereits bestehende Umweltprämie beim Kauf von umweltfreundlicheren Elektro-Autos von 3000 auf 6000 Euro erhöhen. Dies gilt bis zu einem Nettolistenpreis des E-Fahrzeugs bis zu 40.000 Euro. Die Förderung ist bis Ende 2021 befristet. Für die Prämie sind insgesamt 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Damit habe nur ganz allgemein gedacht.“
Scholz wiederum hatte nach seinem „Bazooka“-Moment, als er im März unbegrenzte Bundesbürgschaften versprach, jetzt seinen „Wumms“-Auftritt. „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen“, sagte der Finanzminister. Diesen Satz dürfte sich der 61 Jahre alte Stratege wohl überlegt haben. Die Formulierung dürfte auf absehbare Zeit das staatliche Handeln in der Corona-Wirtschaftskrise prägen. Mit jedem Krisenmonat ragt Scholz aufseiten der SPD stärker als tonangebender Akteur heraus.
Für die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist das ein Problem. Sie hatten Scholz im Mitgliederentscheid um die SPDSpitze große Hersteller wie VW und Daimler doch stärker profitieren, plant die Koalition eine Abwrackprämie für Lastwagen. Für den Kauf schwerer Nutzfahrzeuge mit effizienten Motoren soll es bis zu 15.000 Euro geben. Hier muss die EU-Kommission noch zustimmen. Die Förderung sollen auch europäische LkwHersteller bekommen können.
Kommunen
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Dass der Bund den Städten und Gemeinden dauerhaft einen Großteil der Kosten der Unterkunft (KdU) abnimmt, ist für Länder und Kommunen ein Meilenstein. Die Ausgaben für Miete, Heizung und Warmwasser für Bezieher von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Asylbewerber sind ein großer Kostenblock. Hier trägt der Bund künftig zusätzlich rund vier Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld können Kommunen nun für andere Sachen nutzen, etwa um Schwimmbäder zu sanieren oder Kitas zu bauen. Da den Kommunen wegen der Krise in diesem Jahr um die zwölf Milliarden Euro an Gewerbesteuern wegbrechen, zahlt der Bund über einen „Solidarpakt“5,9 Milliarden Euro.
besiegt. Beide schätzen Scholz fachlich und loben die Zusammenarbeit. Als Kanzlerkandidaten wollen sie ihn aber nicht haben. Dafür gibt es gute Gründe. Jemanden ins Rennen zu schicken, der in der eigenen Partei durchgefallen ist? Als Alternative versuchen interessierte Kreise in der SPD, Fraktionschef Rolf Mützenich für die Poleposition aufzubauen. Einige hoffen noch auf Franziska Giffey als Signal eines weiblichen Aufbruchs und einer Verjüngung der SPD. Das Herz der Familienministerin schlägt aber lauter für Berlin, wo sie Bürgermeisterin werden möchte. Im Spätsommer will die SPD-Spitze eine Entscheidung fällen.
„Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.“Olaf Scholz, Vizekanzler und SPD-Finanzminister