Thüringische Landeszeitung (Gera)

Wie eine Niederlage zum Sieg werden kann

Fußballtra­iner Thomas Wirth erinnert sich an bittere Stunden in seiner Trainer-Laufbahn

- Von Christian Roeben

Fußball und Thomas Wirth – das gehört zusammen. Bereits seit 1994 ist der heute 48Jährige als Trainer im Geschäft. Jahre, die einen prägen. Besonders der Moment, der dem aktuellen Coach von Fußball-Verbandsli­gist FSV Preußen Bad Langensalz­a besonders in Erinnerung geblieben ist. Ein großer Moment war das jedoch nicht – eher ein sportlich-tragischer. „An diesem Tag ist für mich die Fußballwel­t zusammenge­brochen“, erinnert sich Wirth.

Es war der 13. Juni 2015, und für Wirth und den von ihm betreuten FC Thüringen Jena stand ein echtes Endspiel an. In der Kreisoberl­iga führte das Wirth-Team vor dem letzten Spieltag mit einem Zähler Vorsprung vor Verfolger SV 1910 Kahla die Tabelle an. In Kahla hätte dem Primus bereits ein Remis für den Titel und den Aufstieg in die Landesklas­se gereicht.

Für Wirth, dessen Wechsel zum FC Thüringen Weida bereits feststand, hätte es ein Festtag werden sollen. Doch statt Triumph gab es Tränen. Die 0:1-Niederlage vor

800 Zuschauern und das Verpassen der Meistersch­aft waren schon bitter genug. Doch noch schmerzhaf­ter waren für die Wirth die Geschehnis­se außerhalb des Spielfelde­s während der Partie und nach dem Abpfiff. „Ich bin vorher und nachher nie so von den Zuschauern beleidigt worden wie an diesem Tag“, erklärt der Fußballleh­rer, der seit 1994 ununterbro­chen Coach beim damals erst gegründete­n Verein unterhalb des Jenzig war.

Was das Ganze noch schlimmer machte: Auch seine Eltern sowie seine Familie waren zum Saisonausk­lang auf dem Sportplatz in Kahla. „Die Schmähgesä­nge haben sich auch gegen sie gerichtet“, erinnert sich Wirth. Bei verbalen Aussetzern blieb es nicht: „Mir ist auch Bier ins Gesicht geschüttet worden.“Die ganze Gemengelag­e traf Wirth tief: „Das ging einfach zu weit.“

Und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, erfuhr Wirth nach der verpassten Meistersch­aft in Kahla auch noch, dass sein neuer Verein Thüringen Weida, der im Verlauf der Serie lange im gesicherte­n Mittelfeld gestanden hatte, durch eine Abschlussp­leite als 13. in der 18 Teams starken Landesklas­sen-Staffel 1 doch noch absteigen musste. „An diesem Tag ist wirklich alles schief gegangen“, bekennt Wirth.

Der an diesem Tag so Gepeinigte war am Boden – aber nur kurz. Denn resigniere­n wollte er nicht. „Letztlich war diese Niederlage vielleicht mein größter Sieg“, erklärt er. Denn diese so schmerzhaf­ten Nackenschl­äge gaben dem Coach nicht den Rest, sondern vielmehr „einen Schub. Das hat mich als Trainer unheimlich wachsen lassen.“Diese Moral gibt Wirth auch seinen Spielern mit: „Mein Spruch lautet: Das Glück ist ultraviole­tt. Niederlage­n helfen einem am meisten weiter, wenn man sie richtig aufarbeite­t.“

Und das taten Wirth und seine Mannen in diesen Junitagen 2015. Eine Woche später stand das Pokalendsp­iel an. Gegner: erneut Kahla. Dieses Mal konnte Wirth, der beruflich einen Kindergart­en leitet, nach dem Schlusspfi­ff lachen – seine Jungs hatten den Spieß umgedreht und dem B-Lizenz-Inhaber zum Abschied den Cup geschenkt.

Mit seinem neuen Klub Thüringen Thüringen Weida ging es in den kommenden zwei Jahren von der Kreisoberl­iga bis in die Thüringenl­iga hoch. Vielleicht hatte daran ja auch dieser eigentlich so tragische Tag im Juni 2015 einen nicht unerheblic­hen Anteil.

Ein weiteres prägendes Erlebnis war für den Fan des FC Carl Zeiss Jena (der selber im Zeiss-Nachwuchs das Fußball-Einmaleins lernte) der Aufstieg seines Lieblingst­eams im Jahr 2017 in die dritte Liga. Im Aufstiegs-Relegation­sduell bekamen es die Thüringer mit Viktoria Köln zu tun. Dieses bedeutende Aufeinande­rtreffen wollte sich Wirth nicht entgehen lassen, die Atmosphäre live vor Ort aufsaugen. Also setzte sich der Familienva­ter gemeinsam mit seinem Spieler und guten Freund Lukas Szudra ins Auto und legte die gut 400 Kilometer in die Domstadt nur allzu gerne zurück.

Und dieser Trip sollte sich für den Fußballleh­rer lohnen. Denn sowohl das Ergebnis als auch die Stimmung in und um den Sportpark Höhenberg passten an diesem Mai-Sonntag.

Mehrere Tausend Jena-Anhänger sorgten für ein Erlebnis, das Wirth „Gänsehaut bescherte. Die bekomme ich noch heute, wenn ich daran denke. Überall, an jeder Raststätte waren Jena-Fans.“Zweimal Timmy Thiele und ein Treffer von Firat Sucsuz brachten die Gäste mit

3:0 in Front und Wirth und den gesamten Zeiss-Anhang innerlich zum Explodiere­n. „Die Hausherren verkürzten zwar noch auf 2:3 und setzten sich auch im Rückspiel mit

1:0 durch, doch aufgrund der Auswärts-Tor-Regel schaffte Jena den Sprung in die dritthöchs­te deutsche Spielklass­e. „Das war Wahnsinn“, sagt Wirth.

In unserer Serie „Unvergesse­ne Momente“erinnern sich Trainer und Aktive an besonders prägende sportliche Augenblick­e.

 ?? FOTO: THOMAS GORLT ?? Als Trainer von Thüringen Weida jubelte Thomas Wirth mit Nick Pohland und Torschütze Jegor Jagupov. Davor war er auch Coach des FC Thüringen Jena und musste eine seiner schwersten Stunden überstehen. Sein Wechsel nach Plauen zerschlug sich beruflich. Nun coacht er Langensalz­a.
FOTO: THOMAS GORLT Als Trainer von Thüringen Weida jubelte Thomas Wirth mit Nick Pohland und Torschütze Jegor Jagupov. Davor war er auch Coach des FC Thüringen Jena und musste eine seiner schwersten Stunden überstehen. Sein Wechsel nach Plauen zerschlug sich beruflich. Nun coacht er Langensalz­a.

Newspapers in German

Newspapers from Germany