Thüringische Landeszeitung (Gera)
Nah am Bestechungsversuch
Die Mitarbeiter der Zentralen Bußgeldstelle des Landes müssen so manche Offerte ablehnen
Dass sie sich immer wieder anhören müssen, „Wegelagerer“, „Abzocker“oder „Halsabschneider“zu sein, daran haben sich die Mitarbeiter der Zentralen Bußgeldstelle des Landes in Artern (Kyffhäuserkreis) beinahe schon gewöhnt. Und auch daran, dass sie bei noch unflätigeren Beschimpfungen Strafanzeige erstatten müssen, weil sich Verkehrssünder im Umgang mit ihnen schließlich nicht alles herausnehmen dürfen. Doch glücklicherweise erleben die Mitarbeiter auch etliche Kuriositäten, die die Beleidigungen zwar nicht aufwiegen, aber zumindest die Arbeit an manchen Tagen leichter von der Hand gehen lassen.
Manchmal werden die Mitarbeiter der Bußgeldstelle zum Beispiel ins Vertrauen gezogen und zum Mitwisser von sehr intimen Geständnissen, weil ein Verwarn- oder Bußgeld für den Delinquenten noch dramatischere Folgen haben kann als nur eine finanzielle Einbuße oder den zeitweiligen Verlust des Führerscheins: Im vergangenen Jahr etwa meldete sich ein Motorradfahrer, kaum dass er mit viel zu hohem Tempo in eine Geschwindigkeitskontrolle geraten war. Was er denn nun tun solle, fragte er die Mitarbeiterin in der Bußgeldstelle, die darauf nur eine Antwort wusste: „Bezahlen!“
Doch dann rückte der Anrufer mit dem eigentlichen Grund dieses Telefonats heraus: Bei der Sozia, die zusammen mit ihm geblitzt worden war, handelte es nicht um seine Ehefrau. Deshalb dürfe der Bescheid auf gar keinen Fall an seine Wohnanschrift, sondern allenfalls an seine Arbeitsstelle gesandt werden. Einmal ins Plaudern gekommen, erzählte der Motorradfahrer schließlich noch, dass er sich ja eigentlich bereits in der Trennungsphase befinde – nur wisse seine Frau noch nichts davon…
Wie diese Beziehungskiste ausgegangen ist, haben die Mitarbeiter leider nicht erfahren. Von der Zahlung befreien aber konnten sie den Mann natürlich nicht.
Apropos zahlen: Ob vor Aufregung oder im Eifer des Gefechts oder warum auch immer – nicht selten kommt es vor, dass Raser oder Drängler beim Überweisen des angeordneten Verwarngeldes das Komma vergessen und deshalb statt 20 oder 30 Euro mal eben 2000 oder 3000 Euro überweisen. Das Geld ist allerdings nicht futsch, versichern die Mitarbeiter der Bußgeldstelle.
Der Differenzbetrag werde auf jeden Fall zurückerstattet – vorausgesetzt, die Betroffenen haben nicht noch andere „Rechnungen“bei der Behörde offen. Im Falle einer Überzahlung klopfen die Bearbeiter nämlich gleich einmal ab, ob jemand noch weitere Verwarn- oder Bußgelder zu bezahlen hat. Ist das der Fall, wird ein Teil des überzähligen Betrages dafür verwendet, diese Außenstände zu begleichen. Zurückgezahlt wird dann natürlich nur, was nach Zahlung aller Geldstrafen übrig blieb.
Mancher tut sich allerdings schwer damit, für sein Fehlverhalten finanziell geradezustehen: „Betroffene kamen schon auf die ausgefallensten Vorschläge, wie sie ihre Strafe abwenden können“, heißt es dazu vielsagend aus der Landespolizeidirektion.
Die einen wollten der Belegschaft der Bußgeldstelle Kaffee und Kuchen spendieren, andere ihre Geldbuße abarbeiten. Aber selbstverständlich habe keine dieser Vorschläge zum Erfolg geführt. Da sich die Betroffenen mit derartigen Offerten sogar noch tiefer ins Schlamassel reiten können, rät die Polizei sogar dringend davon ab: Hier könne nämlich leicht der Tatbestand der – zumindest versuchten – Bestechung in Betracht kommen. „Und eine Meldung an den Antikorruptionsbeauftragten müssten wir ebenfalls machen“, warnen die Beamten.
Die Bußgeldstellen-Mitarbeiter haben sich schon darauf eingestellt, wegen der verschärften Sanktionen im neuen Bußgeldkatalog künftig noch mehr Arbeit bewältigen zu müssen als ohnehin schon. Denn zu tun haben sie mehr als genug: So mussten sie im vergangenen Jahr in 8632 Fällen Verkehrsteilnehmern den Führerschein entziehen. Das waren immerhin sechs Prozent mehr als im Jahr davor, glücklicherweise aber wiederum weniger als in den Jahren 2017 (8751) und 2016 (8890). Zu denen, die den Führerschein zeitweilig abgeben mussten, gehörte auch ein Autofahrer, der den Jagdbergtunnel auf der A4 in Richtung Frankfurt statt mit erlaubten 80 Kilometern pro Stunde mit sagenhaften 206 Kilometern pro Stunde durchfuhr.
Damit gewissermaßen unsichtbar geworden war er für die stationäre Anlage der Tunnelüberwachung jedoch nicht: Sie hat von ihm ein schönes Foto gemacht, das ihm samt Überweisungsträger und Anhörungsbogen aus Artern zuging.