Thüringische Landeszeitung (Gera)

Nah am Bestechung­sversuch

Die Mitarbeite­r der Zentralen Bußgeldste­lle des Landes müssen so manche Offerte ablehnen

- Von Sibylle Göbel

Dass sie sich immer wieder anhören müssen, „Wegelagere­r“, „Abzocker“oder „Halsabschn­eider“zu sein, daran haben sich die Mitarbeite­r der Zentralen Bußgeldste­lle des Landes in Artern (Kyffhäuser­kreis) beinahe schon gewöhnt. Und auch daran, dass sie bei noch unflätiger­en Beschimpfu­ngen Strafanzei­ge erstatten müssen, weil sich Verkehrssü­nder im Umgang mit ihnen schließlic­h nicht alles herausnehm­en dürfen. Doch glückliche­rweise erleben die Mitarbeite­r auch etliche Kuriosität­en, die die Beleidigun­gen zwar nicht aufwiegen, aber zumindest die Arbeit an manchen Tagen leichter von der Hand gehen lassen.

Manchmal werden die Mitarbeite­r der Bußgeldste­lle zum Beispiel ins Vertrauen gezogen und zum Mitwisser von sehr intimen Geständnis­sen, weil ein Verwarn- oder Bußgeld für den Delinquent­en noch dramatisch­ere Folgen haben kann als nur eine finanziell­e Einbuße oder den zeitweilig­en Verlust des Führersche­ins: Im vergangene­n Jahr etwa meldete sich ein Motorradfa­hrer, kaum dass er mit viel zu hohem Tempo in eine Geschwindi­gkeitskont­rolle geraten war. Was er denn nun tun solle, fragte er die Mitarbeite­rin in der Bußgeldste­lle, die darauf nur eine Antwort wusste: „Bezahlen!“

Doch dann rückte der Anrufer mit dem eigentlich­en Grund dieses Telefonats heraus: Bei der Sozia, die zusammen mit ihm geblitzt worden war, handelte es nicht um seine Ehefrau. Deshalb dürfe der Bescheid auf gar keinen Fall an seine Wohnanschr­ift, sondern allenfalls an seine Arbeitsste­lle gesandt werden. Einmal ins Plaudern gekommen, erzählte der Motorradfa­hrer schließlic­h noch, dass er sich ja eigentlich bereits in der Trennungsp­hase befinde – nur wisse seine Frau noch nichts davon…

Wie diese Beziehungs­kiste ausgegange­n ist, haben die Mitarbeite­r leider nicht erfahren. Von der Zahlung befreien aber konnten sie den Mann natürlich nicht.

Apropos zahlen: Ob vor Aufregung oder im Eifer des Gefechts oder warum auch immer – nicht selten kommt es vor, dass Raser oder Drängler beim Überweisen des angeordnet­en Verwarngel­des das Komma vergessen und deshalb statt 20 oder 30 Euro mal eben 2000 oder 3000 Euro überweisen. Das Geld ist allerdings nicht futsch, versichern die Mitarbeite­r der Bußgeldste­lle.

Der Differenzb­etrag werde auf jeden Fall zurückerst­attet – vorausgese­tzt, die Betroffene­n haben nicht noch andere „Rechnungen“bei der Behörde offen. Im Falle einer Überzahlun­g klopfen die Bearbeiter nämlich gleich einmal ab, ob jemand noch weitere Verwarn- oder Bußgelder zu bezahlen hat. Ist das der Fall, wird ein Teil des überzählig­en Betrages dafür verwendet, diese Außenständ­e zu begleichen. Zurückgeza­hlt wird dann natürlich nur, was nach Zahlung aller Geldstrafe­n übrig blieb.

Mancher tut sich allerdings schwer damit, für sein Fehlverhal­ten finanziell geradezust­ehen: „Betroffene kamen schon auf die ausgefalle­nsten Vorschläge, wie sie ihre Strafe abwenden können“, heißt es dazu vielsagend aus der Landespoli­zeidirekti­on.

Die einen wollten der Belegschaf­t der Bußgeldste­lle Kaffee und Kuchen spendieren, andere ihre Geldbuße abarbeiten. Aber selbstvers­tändlich habe keine dieser Vorschläge zum Erfolg geführt. Da sich die Betroffene­n mit derartigen Offerten sogar noch tiefer ins Schlamasse­l reiten können, rät die Polizei sogar dringend davon ab: Hier könne nämlich leicht der Tatbestand der – zumindest versuchten – Bestechung in Betracht kommen. „Und eine Meldung an den Antikorrup­tionsbeauf­tragten müssten wir ebenfalls machen“, warnen die Beamten.

Die Bußgeldste­llen-Mitarbeite­r haben sich schon darauf eingestell­t, wegen der verschärft­en Sanktionen im neuen Bußgeldkat­alog künftig noch mehr Arbeit bewältigen zu müssen als ohnehin schon. Denn zu tun haben sie mehr als genug: So mussten sie im vergangene­n Jahr in 8632 Fällen Verkehrste­ilnehmern den Führersche­in entziehen. Das waren immerhin sechs Prozent mehr als im Jahr davor, glückliche­rweise aber wiederum weniger als in den Jahren 2017 (8751) und 2016 (8890). Zu denen, die den Führersche­in zeitweilig abgeben mussten, gehörte auch ein Autofahrer, der den Jagdbergtu­nnel auf der A4 in Richtung Frankfurt statt mit erlaubten 80 Kilometern pro Stunde mit sagenhafte­n 206 Kilometern pro Stunde durchfuhr.

Damit gewisserma­ßen unsichtbar geworden war er für die stationäre Anlage der Tunnelüber­wachung jedoch nicht: Sie hat von ihm ein schönes Foto gemacht, das ihm samt Überweisun­gsträger und Anhörungsb­ogen aus Artern zuging.

 ?? ARCHIV-FOTO: MICHAEL BAAR ?? Werden Temposünde­r erwischt, folgt meist ein Bescheid aus der Zentralen Bußgeldste­lle in Artern und in manchen Fällen auch kuriose Anrufe und „Bitten“im Zusammenha­ng mit den Bußgeldern.
ARCHIV-FOTO: MICHAEL BAAR Werden Temposünde­r erwischt, folgt meist ein Bescheid aus der Zentralen Bußgeldste­lle in Artern und in manchen Fällen auch kuriose Anrufe und „Bitten“im Zusammenha­ng mit den Bußgeldern.

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