Thüringische Landeszeitung (Gera)

Vier sind zwei zu viel

- Elmar Otto über Koalitions­geplänkel e.otto@tlz.de

Früher gab es Gedankensp­iele, dass es CDU und Linke in Zeiten knapper Mehrheiten in Thüringen erstmals miteinande­r versuchen könnten oder gar müssten. Das Ganze hätte durchaus Charme, lautete die Argumentat­ion, weil beide Parteien zumindest doch auf ihre Weise auch irgendwie konservati­v seien.

Größter Knackpunkt, von den inhaltlich­en Differenze­n einmal abgesehen, schienen personelle Unverträgl­ichkeiten. So war der damalige CDU-Fraktions- und Landeschef Mike Mohring für viele Linke, SPDler und Grüne das sprichwört­liche rote Tuch. Und seine besonders schwarze politische Haltung machte das Farbenspie­l nicht besser.

Nun klammert sich Mohring zwar weiterhin an den Parteivors­itz (obwohl er doch seinen Rückzug verkündet hat) und ist überaus plakativ auf einigen Landtagsfl­uren noch sehr präsent. Aber zumindest für Gespräche mit RotRot-Grün spielt er keine Rolle mehr.

An seiner Stelle führt nun Fraktionsv­orsteher Mario Voigt die Verhandlun­gen. Und, wie man hört, gar nicht schlecht. Wo sich einst ständiges Misstrauen ob der unsicheren Halbwertze­it von Verabredun­gen Bahn brach, hat sich mittlerwei­le so etwas wie Verlässlic­hkeit entwickelt.

Voigt und Regierungs­chef Bodo Ramelow können wider Erwarten gut miteinande­r. Geht da vielleicht auch was, wenn im April gewählt wird und aus staatspoli­tischer Verantwort­ung das zarte Pflänzchen politische­r Zuneigung gedeiht? Je nach Stärke von Linken und Union bräuchte es die beiden Kleineren dann nicht mehr.

Und, seien wir ehrlich, nicht nur drei sind immer einer zu viel. Bei dem aktuellen aus der Not geborenen Quartett würde der eine oder andere sicherlich liebend gerne auf zwei Mitstreite­r verzichten.

Zumal das Verhältnis innerhalb des R2G-Bündnisses momentan einen Zerrüttung­sgrad erreicht hat, der eher an Scheidung als an Rosenhochz­eit denken lässt. Als Beleg dafür gönnten sich die drei Minderheit­spartner gegenseiti­g erstaunlic­h wenig Erfolg beim gemeinsam ausheckten sündhaft teuren Corona-Hilfspaket. Übereinsti­mmung herrschte, wenn überhaupt nur darüber, dass es beim Geldausgeb­en kaum Grenzen gibt.

Vor allem die SPD reklamiert­e bestimmte Projekte auf der nach oben offenen Missgunst-Skala für sich. Was bei Linken und Grünen weniger gut ankam.

Möglicherw­eise ist bei den Sozialdemo­kraten der Frust über manchen Alleingang der beiden anderen in der jüngsten Zeit immer noch groß: Dass sich der linke Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff und die grüne Umweltmini­sterin Anja Siegesmund sehr medienwirk­sam Gedanken über die freistaatl­iche Finanz-und Wirtschaft­spolitik machten, ohne die dafür zuständige­n SPD-Ressortche­fs einzuweihe­n, scheint immer noch nicht vergessen.

Interessan­terweise verfestigt­e sich nach der Einigung auf die Pandemie-Milliarden der Eindruck, dass es zwischen Unionschri­sten und Regierungs­fraktionen harmonisch­er zuging als innerhalb der Koalition selbst.

Thüringen hat bereits manches politische Modell hervorgebr­acht, von dem niemand zu träumen wagte. Wir sind deshalb jetzt schon auf das kommende Frühjahr gespannt.

Landeskorr­espondent Elmar Otto erreichen Sie unter

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