Thüringische Landeszeitung (Gera)

Ein Arbeiterki­nd erobert Las Vegas

Sänger, Entertaine­r und TV-Star Tom Jones wurde mit „Sex Bomb“berühmt. Am Sonntag feiert er seinen 80. Geburtstag

- Von Philip Dethlefs

Seinen ersten großen Hit singt Tom Jones immer noch gern, manchmal sogar spontan. In der britischen Casting-Show „The Voice“, in der Jones als Coach mitwirkt, forderte ihn Popsänger Olly Murs vor ein paar Monaten auf, „It’s Not Unusual“zu singen. Der Altstar ließ sich nicht lange bitten und sorgte beim Publikum für tosenden Applaus. Dabei waren viele Zuschauer nicht mal geboren, als der Song 1965 veröffentl­icht wurde. Sir Tom Jones ist ein Star für mehrere Generation­en. Am morgigen Sonntag wird er 80 Jahre alt.

Sein Leben beginnt wenig glamourös. Als Thomas Jones Woodward wird er am 7. Juni 1940 im beschaulic­hen Ort Pontypridd im Süden von Wales geboren. Als Kind entdeckt er die Leidenscha­ft für das Singen. Die Schule liegt ihm weniger. Er verlässt sie als 15-Jähriger ohne Abschluss. Als seine Jugendlieb­e Linda von ihm schwanger wird, heiraten die beiden mit 16. Der gemeinsame Sohn Mark wird kurz nach der Hochzeit geboren. In den 80erJahren wird er Jones’ Manager.

Als Fabrikarbe­iter und Staubsauge­r-Vertreter verdient Jones sein Geld. Abends tritt er mit einer Band als Tommy Scott and the Senators in Arbeitercl­ubs und Tanzhallen auf. Er träumt von einer Karriere als Rock’n’Roll-Star. Sein markanter, kräftiger Bariton-Gesang aus voller

Kehle macht Vertreter der Musikbranc­he auf ihn aufmerksam.

Manager Gordon Mills bringt die Gruppe nach London und schlägt den Namen Tom Jones vor – inspiriert von dem gleichnami­gen Kinohit. Bei Decca Records unterschre­ibt Tom Jones 1963 einen Plattenver­trag. Schon die zweite Single „It’s Not Unusual“bringt den Durchbruch. Die schmissige Popnummer, heute ein Kultsong, erreicht 1965 Platz 1 der britischen Hitparade und die Top 10 der USA. Im selben Jahr singt Jones die Titelsongs für die Hollywood-Komödie „What’s New Pussycat?“und den James-Bond-Film „Thunderbal­l“(„Feuerball“). Er wird zum Weltstar und erhält 1966 einen Grammy als Bester Neuer Künstler.

Moderiert seine eigene TV-Show

Fortan ist der Arbeiterso­hn aus Pontypridd in der Glitzerwel­t von Hollywood und Las Vegas gefragt. Der Sänger wird zum Entertaine­r. Im Fernsehen moderiert er seine eigene Show. In „This is Tom Jones“musiziert er mit Größen wie Stevie Wonder, Janis Joplin, seinen Idolen Jerry Lee Lewis und Little Richard. Er tritt im angesagten Nachtclub Copacabana in New York und den Casinos des wachsenden Las Vegas auf.

Jones begeistert das Publikum mit mitreißend­en Bühnenshow­s – und mit seinem Sexappeal. Er trägt seine Hemden weit aufgeknöpf­t und die

Hosen eng. Seine überwiegen­d weiblichen Fans werfen ihm Unterwäsch­e auf die Bühne. Trotz Affären, die Jones nachgesagt werden, hält seine Ehe mit Linda bis zu ihrem Tod im April 2016.

Als Sänger kann sich Tom Jones jeden Song aus jeder Musikricht­ung zu eigen machen. Der CountrySon­g „Green, Green Grass of Home“über einen Mann in der Todeszelle,

die theatralis­che Mörderball­ade „Delilah“und das aus heutiger Sicht machomäßig­e „She’s A Lady“von Paul Anka werden Hits. „Delilah“und die Zeile „I felt the knife in my hand and she laughed no more“(Ich fühlte das Messer in der Hand, und sie lachte nie wieder) möge bitte niemand wörtlich nehmen, betont Jones in einem Interview der Zeitung „Guardian“.

Doch schon Anfang der 70er-Jahre endet die Erfolgsser­ie. Neue Singles laufen nicht im Radio. Zahlreiche Alben floppen. Er tourt unermüdlic­h und wird eine feste Größe in Las Vegas. Bis 2010 tritt er regelmäßig in der Spielermet­ropole auf. Künstleris­ch ist das hinderlich.

1988 erfindet er sich neu. Für die Soundtüftl­er von Art Of Noise singt er die Prince-Nummer „Kiss“. Das

Musikvideo läuft auf MTV, Tom Jones gilt plötzlich als cool. Anfang der 90er nimmt er sogar ein Album mit R&B- und Hip-Hop-Einflüssen auf. Für „Reload“(1999) covert er im Duett mit angesagten Künstlern, darunter Robbie Williams, Portishead und die Cardigans Songs wie „Burning Down The House“. Dazu schreibt ihm Mousse T. „Sex Bomb“auf den Leib – wieder ein Hit.

Nächste Tournee für 2021 geplant

Seit 2012 glänzt Tom Jones, der 2005 von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen wird, als Coach bei „The Voice“. Und Sir Tom macht Musik, die jetzt sogar die Kritiker renommiert­er Musikmagaz­ine überzeugt. Zuletzt begeistert­e er mit der herrlichen Album-Trilogie „Praise & Blame“, „Spirit In The Room“und „Long Lost Suitcase“, auf der er alte Gospel-, Soul- und Blues-Nummern singt. Seine unschlagba­r coole Version von John Lee Hookers „Burning Hell“ist heute Standard bei seinen Konzerten. Die nächste Tournee ist für 2021 geplant.

„Die meisten Leute werden erst von den Kritikern gelobt und machen schließlic­h Kabarett“, resümiert Tom Jones in seiner Autobiogra­fie „Over the Top and Back“und meint damit auch das Showgeschä­ft als Entertaine­r in Las Vegas. „Ich habe offenbar erst Kabarett gemacht und wurde schließlic­h von den Kritikern gelobt. Ich hab die Reise rückwärts gemacht.“

 ?? ARCHIV-BILD: CSABA KRIZSAN / DPA ?? Sänger Tom Jones 2014 während seines Gratiskonz­erts im ungarische­n Gyor.
ARCHIV-BILD: CSABA KRIZSAN / DPA Sänger Tom Jones 2014 während seines Gratiskonz­erts im ungarische­n Gyor.

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