Thüringische Landeszeitung (Gera)

Ursachen für Kinderarmu­t haben sich nicht geändert

Soziale Ballungsrä­ume und Migration als Herausford­erungen für die Stadt

- Von Christiane Kneisel

Neben dem Bevölkerun­gsrückgang, der nach wie vor besteht, ist die Kinderarmu­t in Gera weiter gewachsen. Dies wird im zweiten Thüringer Sozialstru­kturatlas thematisie­rt, Ausschussv­orsitzende­r Daniel Reinhardt (Die Linke), Vorsitzend­er des Jugendhilf­eausschuss­es der Stadt, kritisiert zwar nicht die Sozialstud­ie selbst, aber „dass die misslichen Umstände, die wir in Gera haben, nicht wirklich verbessert worden sind.“

„Der Kinderarmu­t lässt sich unter anderem begegnen, wenn man keine sozialen Ballungsrä­ume dafür hat“, betont Reinhardt. Mit Geras Zentrum, Lusan und Bieblach-Ost existieren sie aber nach wie vor. Übliche Steuermech­anismen wie Wohnungsle­erstand greifen in der Stadt nicht. „Günstige Mieten ziehen natürlich Menschen mit niedrigem Einkommen an. Sie finden sich in der Regel nur da, wo wenig Wohnraum zur Verfügung steht. Gera belegt jedoch bezüglich Wohnungsle­erstand Platz zwei in Thüringen“, führt der Politiker aus.

Mit der aktuellen Arbeitslos­enquote von 9,1 nimmt die Stadt wirtschaft­lich einen der letzten Plätze im Freistaat ein. 17,2 Prozent der Einwohner sind Sozialhilf­eempfänger. Dabei resultiert ein Anstieg von 3,2 Prozent aus dem Zuzug von Migranten. Lag im Jahr 2015 die Quote von Menschen, die kein

Deutsch sprachen, bei fünf Prozent, liegt sie 2017 schon bei 13 Prozent und hat sich damit innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt. „Da wird auch klar, dass Menschen, die unsere Mutterspra­che nicht beherrsche­n, in unserem Bildungssy­stem nicht ankommen“, konstatier­t Daniel Reinhardt und legt gleich den Finger in die Wunde: Weder wurden mehr Lehrer eingestell­t noch kann zusätzlich­er Deutschunt­erricht den Bedarf abfedern. Der sonderpäda­gogische Frühförder­bedarf ist größer geworden und es mangelt grundsätzl­ich an Grundschul­en. „An dieser Stelle versagt auch die Integratio­n“, gesteht er. Dabei könnte Zuzug quasi „Blutinfusi­on“für den Arbeitsmar­kt sein.

Klar ist ebenfalls: Armut vererbt sich von Generation zu Generation. 25 bis 30 Prozent jener Menschen ohne Hauptschul­abschluss kommen auch aus SGB-II-Familien. „Da ist Gera leider wieder Spitzenrei­ter.“Armutspräv­ention, so der Linke, sollte bei der Umverteilu­ng von Geldern der Superreich­en, bei Mindestloh­n und Wirtschaft­sförderung einsetzen und bei kommunalen Maßnahmen wie Förderung an sozialer Teilhabe, beitragsfr­eiem Schulessen und Jugendsozi­alarbeit, nicht aufhören. Der Jugendhilf­eausschuss beschloss zuletzt zum Beispiel die Schulsozia­larbeit für 2020 auf eine weitere Schule zu erweitern. Jetzt kann an elf Schulen Schulsozia­larbeit passieren: Andersen-GS, Kästner-GS, Bergschule, Zwötzner Schule, Pfortner Schule, Tabaluga-GS, Dix-Grundschul­e, am Rutheneum, Liebe-Gymnasium, „Zabel, sowie an der SBBS Wirtschaft und Verwaltung.

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FOTO: CHRISTIANE KNEISEL Daniel Reinhardt.

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