Thüringische Landeszeitung (Gera)
Ursachen für Kinderarmut haben sich nicht geändert
Soziale Ballungsräume und Migration als Herausforderungen für die Stadt
Neben dem Bevölkerungsrückgang, der nach wie vor besteht, ist die Kinderarmut in Gera weiter gewachsen. Dies wird im zweiten Thüringer Sozialstrukturatlas thematisiert, Ausschussvorsitzender Daniel Reinhardt (Die Linke), Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses der Stadt, kritisiert zwar nicht die Sozialstudie selbst, aber „dass die misslichen Umstände, die wir in Gera haben, nicht wirklich verbessert worden sind.“
„Der Kinderarmut lässt sich unter anderem begegnen, wenn man keine sozialen Ballungsräume dafür hat“, betont Reinhardt. Mit Geras Zentrum, Lusan und Bieblach-Ost existieren sie aber nach wie vor. Übliche Steuermechanismen wie Wohnungsleerstand greifen in der Stadt nicht. „Günstige Mieten ziehen natürlich Menschen mit niedrigem Einkommen an. Sie finden sich in der Regel nur da, wo wenig Wohnraum zur Verfügung steht. Gera belegt jedoch bezüglich Wohnungsleerstand Platz zwei in Thüringen“, führt der Politiker aus.
Mit der aktuellen Arbeitslosenquote von 9,1 nimmt die Stadt wirtschaftlich einen der letzten Plätze im Freistaat ein. 17,2 Prozent der Einwohner sind Sozialhilfeempfänger. Dabei resultiert ein Anstieg von 3,2 Prozent aus dem Zuzug von Migranten. Lag im Jahr 2015 die Quote von Menschen, die kein
Deutsch sprachen, bei fünf Prozent, liegt sie 2017 schon bei 13 Prozent und hat sich damit innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt. „Da wird auch klar, dass Menschen, die unsere Muttersprache nicht beherrschen, in unserem Bildungssystem nicht ankommen“, konstatiert Daniel Reinhardt und legt gleich den Finger in die Wunde: Weder wurden mehr Lehrer eingestellt noch kann zusätzlicher Deutschunterricht den Bedarf abfedern. Der sonderpädagogische Frühförderbedarf ist größer geworden und es mangelt grundsätzlich an Grundschulen. „An dieser Stelle versagt auch die Integration“, gesteht er. Dabei könnte Zuzug quasi „Blutinfusion“für den Arbeitsmarkt sein.
Klar ist ebenfalls: Armut vererbt sich von Generation zu Generation. 25 bis 30 Prozent jener Menschen ohne Hauptschulabschluss kommen auch aus SGB-II-Familien. „Da ist Gera leider wieder Spitzenreiter.“Armutsprävention, so der Linke, sollte bei der Umverteilung von Geldern der Superreichen, bei Mindestlohn und Wirtschaftsförderung einsetzen und bei kommunalen Maßnahmen wie Förderung an sozialer Teilhabe, beitragsfreiem Schulessen und Jugendsozialarbeit, nicht aufhören. Der Jugendhilfeausschuss beschloss zuletzt zum Beispiel die Schulsozialarbeit für 2020 auf eine weitere Schule zu erweitern. Jetzt kann an elf Schulen Schulsozialarbeit passieren: Andersen-GS, Kästner-GS, Bergschule, Zwötzner Schule, Pfortner Schule, Tabaluga-GS, Dix-Grundschule, am Rutheneum, Liebe-Gymnasium, „Zabel, sowie an der SBBS Wirtschaft und Verwaltung.