Thüringische Landeszeitung (Gera)
Weichen für sechs neue Bahnen gestellt
Die Mehrheit war klar, der Beschluss des Stadtrats bleibt umstritten – und hat Auswirkungen auf die Wiesestraße
Mit 25 Ja- bei 17 Gegenstimmen hat der Stadtrat am Donnerstag entschieden, fast die kompletten zusätzlichen Investitionsmittel des Landes für Gera im Jahr 2020 – 7,2 Millionen Euro – über eine Fördermittelrichtlinie zur Beschaffung neuer Straßenbahnen bereitzustellen. Das bedeutet, dass der städtische Nahverkehrsbetrieb GVB zur Finanzierung seiner, für die Barrierefreiheit benötigten neuen Straßenbahnen Fördermittel bei der Stadt beantragen kann.
Die selbe Mehrheit, die so dem von der Verwaltung vorgelegten Finanzierungsweg zustimmte, hatte zuvor den gemeinsamen Änderungsantrag von AfD, CDU Bürgerschaft Gera und „Für Gera“zugestimmt, die Zahl der neuen Bahnen auf sechs festzuschreiben. Es waren diese Fraktionen und Teile der Liberalen, die sich in namentlicher Abstimmung dafür aussprachen.
Ersatzlos gestrichener DezemberBeschluss erschwert Finanzierung
Über einen Alternativvorschlag von Linken, SPD und Grünen wurde nicht abgestimmt. Die drei Fraktionen wollten die Anschaffung der auch vom GVB geforderten zwölf Bahnen durch eine hohe Kreditaufnahme ermöglichen.
Mit dem Beschluss wurde ein rechtlich umstrittener StadtratsKompromiss aus dem Dezember gestrichen, der die Finanzausstattung der GVB verbessern sollte. Aus dessen Sicht wären so 12 Bahnen bei einer Kreditaufnahme von über 18 Millionen Euro und gleich hoher Förderung möglich gewesen. Der rot-rot-grüne Vorschlag hätte eben dies zum Ziel gehabt und dafür den Beschluss aus Dezember ersetzt.
Ohne den Kompromiss zur besseren Eigenkapitalausstattung, erklärt GVB-Geschäftsführer Torsten Rühle am Freitag, wird bereits die Kreditaufnahme von 4,8 Millionen Euro für die beschlossenen sechs Bahnen schwierig. Zumindest zusätzlich zu mittelfristig geplanten Investitionen des GVB.
Deshalb habe die Gesellschafterversammlung am Freitag neben der Beschaffung von sechs Straßenbahnen auf Grundlage des Stadtratsbeschlusses entschieden, die ab 2023 geplanten 2. und 3. Teilabschnitte der Großbaustelle Wiesestraße vorerst „auf Eis zu legen“, erklärt Rühle. Das bedeute, hier müsste eine neue Finanzierung für die geplanten sechs Millionen Euro Eigenanteil gefunden werden, sagt er. Ausdrücklich nicht betroffen sei der laufende erste Bauabschnitt.
Aufsichtsratsvorsitzender: Probleme nur teuer vertagt
Noch Freitag – der Tag an dem die Frist der Fördermittelzusage endgültig ablief – sollten Förderantrag mit Eigenmittelnachweis und die Gesellschafterbeschlüsse ans Ministerium übermittelt werden, nachgereicht werde die Bankenzusage. Die Finanzierung sieht laut Rühle so aus, dass bei vier Millionen Euro pro Bahn, also 24 Millionen Euro gesamt, 12 Millionen Euro Fördermittel, 7,2 Millionen Euro von der Stadt und 4,8 Millionen Euro Kredit benötigt werden.
Nils Fröhlich, Grünen Stadtrat und GVB-Aufsichtsratsvorsitzender sieht auch weitere geplante Investitionen in die Infrastruktur in Gefahr. Zudem sei die Frage völlig ungeklärt, „wo die Millionenbeträge für den Weiterbetrieb der TatraBahnen herkommen sollen“. Probleme würden teuer auf später vertagt, ebenso rücke ein zeitgemäßer und barrierefreier ÖPNV für Menschen mit Behinderung, Eltern mit Kinderwagen oder ältere Menschen mit Rollatoren in die Ferne.
Eine haushälterisch verantwortungsvolle Entscheidung „gegenüber der Wunschvorstellung des linken Lagers“nannten die Stadtratsmitglieder von Bürgerschaft Gera, Für Gera, AfD, CDU, FDP und Liberale Allianz in einer gemeinsamen Mitteilung den Beschluss zu sechs Bahnen. Diese könne die GVB nun erwerben, wenngleich die Stadträte die Finanzierung mit etwas niedrigeren Zahlen vorrechnen, unter anderem drei Millionen Euro Kredit, wie ihn im der Stadtratssitzung auch Bürgermeister Kurt Dannenberg (CDU) bezifferte. Die Stadträte betonen: „Kein Stadtrat hat sich seine Entscheidung leicht gemacht. Die GVB als wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge erfordert weiter unsere volle Aufmerksamkeit.“
Rechtsaufsicht will Beschlussfassung „eingehend prüfen“
Das Landesverwaltungsamt teilte am Freitag auf Nachfrage mit, dass man den ergänzten Beschluss „und die damit zusammenhängenden Rechtsfragen eingehend prüfen“werde. Die Stadt Gera sei um eine umfassende Berichterstattung bis Dienstag, 9. Juni, gebeten worden. „Bis zu einer endgültigen Klärung sollte tunlichst eine Bekanntmachung des Beschlusses sowie dessen Vollzug ausgesetzt werden“, erklärt die Rechtsaufsichtsbehörde.
Sicher wird die nur bis Ende des Jahres geltende Fördermittelrichtlinie genauer geprüft. Selbst die unterstützenden Stadtratsmitglieder sprechen in ihrer Pressemitteilung von einem Zuschuss der Stadt Gera an den GVB. Auch sonst braucht es bei den Kriterien der Richtlinie sehr viel Fantasie, sich auch nur einen zweiten potenziellen Fördermittelempfänger vorstellen zu können.