Thüringische Landeszeitung (Gera)
Wurden weitere Kinder entführt?
Ein deutscher Sexualstraftäter gilt im Fall Maddie als verdächtig. Ermittler gehen aber auch anderen Spuren nach
Der Fall Maddie hat vor 13 Jahren die Welt erschüttert. Seit Mittwochabend steht ein 43-jähriger Deutscher im Verdacht, das britische Mädchen getötet zu haben. Nun wird der Zusammenhang zu zwei weiteren Vermisstenfällen geprüft.
Im ersten Fall ist die Frage; Ist der Tatverdächtige für das Verschwinden von Inga (5) verantwortlich? Die dreijährige Madeleine McCann verschwand aus einer Appartementanlage in Portugal, die fünfjährige Inga in der Nähe von Stendal in Sachsen-Anhalt. Die Staatsanwaltschaft Stendal teilte am Freitag mit, im Zusammenhang mit dem Tatverdacht gegen einen Deutschen im Fall Maddie werde auch nach Anhaltspunkten für Zusammenhänge zum Fall Inga gesucht.
Unklar ist, was mit Inga geschah, als sie am 2. Mai 2015 aus einem Wald bei Stendal scheinbar spurlos verschwand. In den Ortsteil Wilhelmshof hatte sie mit ihrer Familie aus Schönbeck einen Ausflug gemacht. Man wollte Holz für ein Lagerfeuer suchen. Als Inga nicht zurückkehrte, startete eine riesige Suchaktion auf dem gut 3500 Hektar großen Gelände, Hubschrauber wurden eingesetzt, ebenso besonders sensible Suchhunde. Inga blieb wie vom Erdboden verschluckt. Die „Magdeburger Volksstimme“berichtete über Verbindungen des Beschuldigten im Fall Maddie nach Sachsen-Anhalt. Er soll ein Grundstück im Landkreis Börde besessen haben. Dort fanden Beamte 2016 einen USB-Stick mit Kinderpornografie. Damals hätten Ermittler auch Spuren mit denen im Fall Inga abgeglichen. Es hätten sich keine brauchbaren Hinweise ergeben.
Die Zeitung berichtet ebenfalls von einem Parkplatzrempler des Mannes auf der A2 bei Helmstedt genau einen Tag vor Ingas Verschwinden am 2. Mai. Der Beschuldigte im Fall Maddie sei zwischen Braunschweig und Börde gependelt. Der Ort, an dem Inga verschwand, liegt mit etwa 100 Kilometern in nordöstlicher Richtung abseits der Route.
Mögliche Entführung eines damals Sechsjährigen
Im zweiten Fall geht es um ein Kind aus dem Kölner Raum. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“berichtet, geht die Polizei Hinweisen nach, wonach der Tatverdächtige auch für die Entführung des damals sechsjährigen René Hasee in einem portugiesischen Badeort verantwortlich sein könnte. Das Kind aus Elsdorf bei Bergheim südlich von Düsseldorf war dem Bericht zufolge im Jahr 1996 an einem Strand an der portugiesischen Algarve verschwunden, als seine Mutter und ihr Lebensgefährte ihn kurz aus den Augen gelassen hatten. Der Fall ereignete sich also elf Jahre vor dem Verschwinden Maddies.
Auch in Portugal schlägt der Verdacht gegen den Deutschen Wellen. Wie portugiesische und britische Medien berichten, traf er sich am 3. Mai 2017, genau zehn Jahre nach dem Verschwinden Madeleines in Portugal, mit einem Bekannten in einer Braunschweiger Kneipe. Als dort dann Bilder Maddies und ein Suchaufruf über den TV-Schirm flimmerten, soll er damit geprahlt haben, „alles über den Fall zu wissen“. Zudem soll er dem Bekannten Handyvideos mit Vergewaltigungsszenen gezeigt haben. Daraufhin habe dieser Zeuge die deutsche Polizei informiert.
Nach Informationen der portugiesischen Zeitung „Correio da Manhã“spielte der Verdächtige in der Gaststätte zwei Videos ab. Der erste Kurzfilm soll die Vergewaltigung einer älteren Frau gezeigt haben. Bei dem Opfer handele es sich offenbar um jene 72-jährige Amerikanerin, die am 2. September 2005 in Maddies portugiesischem Urlaubsorts Praia da Luz brutal missbraucht wurde. Wie es heißt, führte dieses Video die Ermittler auf die Spur des Verdächtigen, der im Jahr 2019 vom Landgericht Braunschweig für diese Tat zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Auf einem weiteren Video sei der Missbrauch eines Kindes zu sehen, berichtet „Correio da Manhã“. Dabei ist nicht bekannt, ob es sich bei diesem Opfer um Madeleine oder ein anderes Kind handelt.
Für eine Anklage im Fall Maddie fehlt den deutschen Ermittlern noch der entscheidende Beweis. Deswegen rief das BKA die Bevölkerung zur Mithilfe auf. Schon vor knapp zwei Jahren hat die Braunschweiger Polizei den als gefährlich geltenden Sexualstraftäter zwischen zwei Inhaftierungen rund um die Uhr bewacht. Ein Beamter aus dem Ermittlerkreis erinnert sich im Gespräch mit der Braunschweiger Zeitung an den Mann, über den es in Ermittlerkreisen schon damals den Verdacht gab, dass er die dreijährige Maddie aus dem Hotelzimmer in Praia da Luz entführt und möglicherweise noch weitere schwere Sexualverbrechen begangen hat. „Wir standen nachts vor seinem Haus, sind neben ihm hergegangen, wenn er unterwegs war, und haben mit ihm gesprochen.“Die Beamten hätten ihm vermittelt: „Sie werden uns nicht los.“