Thüringische Landeszeitung (Gera)
Harte Brüche, sanfte Übergänge
Das deutsch-georgische Projekt „Samaia“spielte das Prologkonzert der Jazzmeile Thüringen
Zaza Miminoshvili zählt vor: „Eins, zwei, drei – eins, zwei drei – eins, zwei – eins, zwei – eins, zwei, drei – eins, zwei, drei – eins, zwei…“So geht‘s zu im Zwiefachen, jenem schnellen süddeutschen Volkstanz, den der georgische Gitarrist und Komponist „völlig verrückt“, aber faszinierend findet. Ständig wechselt der Takt, mal regelmäßig, mal unregelmäßig.
Miminoshvili lebt seit Jahrzehnten in Stuttgart. Den Bassisten und Weimarer Jazzprofessor Manfred Bründl traf er aber in Tiflis. Dort ersannen sie ein Projekt, das die viele Jahrhunderte alte georgische Volksmusik, die ja im Kern Vokalmusik ist, im instrumentalen Jazz aufschlagen lässt. Miminoshvili bestand auf dem Zwiefachen als zusätzlichem Schwierigkeitsgrad.
Der Tanz könnte inzwischen sinnbildlich stehen für das deutschgeorgische Musikprojekt „Samaia“. Es erlebte jetzt seine Premiere: Auf zwei Kunstfest-Konzerte in Weimars Alter Feuerwache am Sonntag folgte am Montag in der Erfurter Thomaskirche derart zugleich das Prologkonzert der Jazzmeile. Die findet diesmal als Corona-Ausgabe „Limited Edition“statt und wird offiziell am 2. und 3. Oktober im Volkshaus Jena eröffnet, wo erneut Sarah Buechi auf die Philharmonie trifft.
„Samaia“sollte ursprünglich im Landtag spielen, bei den AchavaFestspielen, die das Konzert nebst Organisation unter Pandemiebedingungen aber an die Jazzmeile und den Erfurter Jazzclub abtraten. Die Thomaskirche bot Misho Machavarianis sakral eingefärbtem Gesang adäquaten Raum und war darüber hinaus, freundlich gesagt, eine akustische Herausforderung.
Sie verlieh dem Konzert auch jene Form von Nachhall, auf die man gerne verzichtet hätte.
So musste man sich sozusagen zwiefach einhören. Es wurde dann aber ein Abend der harten Brüche und sanften Übergänge: voller unberechenbarer Tempi- und Taktwechsel und origineller Phrasierungen. Kaum hatte man sich mal eingegroovt, kam das Sextett schon mit einer neuen Wendung um die Ecke. Das gefiel dem Publikum, ließe sich sagen, gerade in der ungefälligen Experimentierlust.
Derart pfiff Zaza Miminoshvili auch auf den Massengeschmack, als er 2014 mit seiner Band „The Shin“und von Volksmusik durchsetztem psychedelischem Jazzpop Georgien beim „Eurovision Song Contest“vertrat. Man landete im Halbfinale auf dem letzten Platz, was fast ein Gütesiegel bedeutete.
Aus Georgien konnten nun, coronabedingt gleichsam in letzter Minute, neben Sänger Machavarianis der Schlagzeuger und Oboist Niko Charkviani sowie Lexo Chumburidze anreisen, der unter anderem georgische Volkstänze ins Kirchenschiff wirbelte und die Doli schlug, eine traditionelle Röhrentrommel. Mit Frederik Köster vervollständigte der aktuell aufregendste deutsche Jazztrompeter das Ensemble. Dieses behauptet eindrucksvoll den Jazz als kulturellen Grenzgänger genau dort, wo man sich hütet, einen musikalischen Einheitsbrei anzurühren. Die Jazzmeile Thüringen wird 2020 derweil ein Work-in-progress-Unternehmen, mit noch übersichtlichem Programm vor allem in Jena, Weimar und Erfurt. Das Nordhäuser Jazzfest beginnt am 25. September mit „Friend n Fellow“. Der Eisenacher Jazzclub hat alle Konzerte bis Jahresende und Sonneberg das komplette Jazzfest abgesagt.