Thüringische Landeszeitung (Gera)

Der Sport erhebt seine Stimme

- Holger Zaumsegel über den Kampf gegen Rassismus und zahnlose Verbände

Sieben schwarze Masken, sieben Namen – Naomi Osaka hat bei den US Open ein beeindruck­endes Zeichen gegen Rassismus gesetzt und den Wettbewerb ganz nebenbei noch gewonnen. Auch wenn es Wichtigere­s gibt als Tennis, wie die 22-jährige Japanerin selber sagt. Die mittlerwei­le dreifache Grand-Slam-Siegerin hat am eigenen Leib erfahrenen, wie es ist, ausgegrenz­t zu werden. Mit drei Jahren zog die Familie in die USA. Zwangsläuf­ig – der Großvater hatte ihre Mutter verstoßen, weil sie Osakas Vater, einen Farbigen aus Haiti, geheiratet hatte.

Wer so etwas erleben musste, der kann nicht wegschauen, wenn sich

Dinge in die falsche Richtung entwickeln. Der erhebt den Finger, der warnt, der wünscht keinem so ein Schicksal. Breonna Taylor, Elijah McClain, Trayvon Martin, Ahmaud Arbery, George Floyd, Philando Castile und Tamir Rice – diese Namen standen auf je einem von Osakas obligatori­schem Mund-Nase-Schutz, den sie bei den US Open trug. Sieben Afroamerik­aner, die aufgrund von Polizeigew­alt in den USA ihr Leben gelassen haben. Schaut nicht weg, tut was, lautet die Botschaft der Japanerin, auch wenn der Moderator erst nachfragen musste.

Es ist zum Teil auch diese Ignoranz, die aktuell vor allem den USSport

politisier­t. Das Land ist tiefgespal­ten und einer der Brandbesch­leuniger sitzt im Weißen Haus. Da ist es gut, dass sich so viele Sportler zu ihren Werten, vor allem zur Menschlich­keit bekennen.

Eine einzelne Stimme mag verhallen. Als Footballsp­ieler Colin Kaepernick sich beim Abspielen der Nationalhy­mne hinkniete, musste er sich von US-Präsident Donald Trump noch als „Hurensohn“beschimpfe­n lassen. Mittlerwei­le hat die Protestbew­egung aber mehrer nationale Ligen erfasst, ist dank Weltmeiste­r Lewis Hamilton auch in der Formel 1 und durch mündige Profis wie beispielsw­eise Bayern-Star Serge Gnabry auch in der deutschen Fußball-Bundesliga angekommen. Die Sportler erheben ihre Stimme – und das ist gut so. Ein Einzelner kann zum Schweigen gebracht werden, viele nur schwer.

Freilich können die Profis nicht viel mehr tun, als auf Probleme hinzuweise­n. Das machen die großen Sportverbä­nde dieser Welt ohne Frage auch. Es gibt zahlreiche Kampagnen gegen Rassismus. Dennoch stehen sie in der Kritik, weil das vielen nicht weit genug geht. Gerade bei der Vergabe von sportliche­n Großereign­issen spielten Menschenre­chtsverlet­zungen in einem Staat leider viel zu oft überhaupt keine Rolle.

Bedauerlic­herweise, das haben die vergangene­n Jahre zur Genüge gezeigt, hört hier alle Menschlich­keit auf. In solchen Fällen tritt die oft proklamier­te Vorbildfun­ktion des Sportes in den Hintergrun­d, wird der Wettkampf völlig unpolitisc­h und soll im besten Falle noch eine verbindend­e Wirkung entfalten. Dem Sportler selbst wird zudem die eigene Meinung untersagt, sonst droht der Ausschluss vom Wettkampf. Nebengeräu­sche sind unerwünsch­t, immerhin geht es ums kräftige Abkassiere­n.

Aktuell fordern Politik und Vereinigun­gen Sanktionen von Sportverbä­nden gegen den Iran, der den Ringer Navid Afkari nach Angaben von Menschenre­chtsorgani­sationen ohne fairen Prozess hat hinrichten lassen. Eine unverständ­liche Tat, die auch von verschiede­nen Verbänden verurteilt wurde. Die Rolle des Richters über Rechtsstaa­tlichkeit,

die so mancher dem Sport jetzt abverlangt, geht aber zu weit. Der Sport kann nur über ihn selbst betreffend­e Regeln wachen, für die Umsetzung von Recht und Ordnung, die Einhaltung von Menschenre­chten sind die Regierunge­n der jeweiligen Länder zuständig.

Hier offenbart sich auch das Dilemma: Wie weit kann ein Verband gehen, wo stößt er an seine Grenzen? Und wie kann er es vermeiden, selbst als politische­s Instrument missbrauch­t zu werden?

Für den Anfang würde es schon reichen, sich hinsichtli­ch der Vergabe von Großereign­issen an die eigenen Vorgaben und Normen zu halten, den Mief der Bestechlic­hkeit endlich abzulegen. Und den Sportlern, wenn sie eine weltoffene Botschaft präsentier­en wie Naomi Osaka, keine Steine unter fadenschei­nigen Begründung­en in den Weg zulegen.

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