Thüringische Landeszeitung (Gera)
Killerwale attackieren Boote
Britischer Kapitän berichtet gleich von mehreren Angriffen auf seine Yacht vor der spanischen Küste
Killerwal oder Mörderwal werden diese Meeresräuber auch genannt, weil sie bei der Jagd auf Delfine, Robben oder Thunfische ziemlich brutal vorgehen. Doch auf Menschen haben es die tonnenschweren Schwertwale, die acht bis zehn Meter lang werden können, normalerweise nicht abgesehen. Umso mehr sorgt für Aufmerksamkeit, dass in den letzten Wochen mehrere Segelboote vor der spanischen Atlantikküste von diesen Raubwalen attackiert wurden.
„Der Schwertwal rammte uns 15 Mal“, berichtet Justin Crowther, der britische Kapitän der Segelyacht „Beautiful Dreamer“. Der Wal mit der markanten schwarzen Rückenflosse sei immer wieder mit Kraft gegen das Ruder geschwommen. Bis die Zehn-Meter-Yacht, die zu diesem Zeitpunkt elf Kilometer von der spanischen Hafenstadt Ferrol mit Motor unterwegs war, völlig manövrierunfähig gewesen sei. „Wir haben dann den Motor abgeschaltet.“Daraufhin sei der Angreifer zunächst verschwunden, sagte Crowther der spanischen Zeitung „La Voz de Galicia“.
Als 45 Minuten später ein Kreuzer des spanischen Seenotrettungsdienstes der havarierten „Beautiful Dreamer“zu Hilfe eilte und die Yacht in Schlepp nahm, habe der Schwertwal erneut das Segelschiff zu rammen versucht. Der Zwischenfall ereignete sich am 11. September und wurde jetzt publik. Die „Beautiful Dreamer“befand sich auf dem Weg von der kanarischen Insel Teneriffa in die britische Hafenstadt Southampton. Kurz nach dem mysteriösen Geschehen, an dem offenbar mehrere dieser Meeresräuber beteiligt waren, informierte der Seenotrettungsdienst die Schifffahrt über einen „Angriff von Schwertwalen“vor der nordwestspanischen Küste. Und warnte: „Versuchen Sie nicht, sich im Falle einer Sichtung zu nähern. Halten Sie Abstand.“
Jungtiere in der Phase des „Lernens und der Neugier“
Beim Auftauchen von Orcas, wie die Meeressäuger nach ihrem lateinischen Namen Orcinus orca auch genannt werden, solle der Seenotdienst verständigt werden. Doch auch der Sicherheitsabstand schützt die Sportschiffer nicht unbedingt vor solchen Begegnungen. Denn Orcas, die als neugierig gelten und zur Familie der Delfine gehören, tauchen zuweilen ganz unvermittelt auf. So war es offenbar auch Ende August, als ebenfalls vor der galicischen Atlantikküste die Regattayacht „Mirfak“der spanischen Marine attackiert wurde. Die Marinesoldaten machten drei Schwertwale aus, von denen einer immer wieder das Ruder rammte. Und zwar so lange, bis es ausgerissen war. Dann verschwanden sie. „Das ist das erste Mal, dass mir dies in meinen 40 Jahren als Seemann passiert ist“, so Candido Cosuelo, einer der Marinesoldaten, im TV. Der erfahrene Segler glaubt nicht, dass die Schwertwale wirklich die Menschen anfallen wollten. „Die wollten wohl nur mit dem Ruder spielen.“
Am selben Tag wurde übrigens nicht weit entfernt noch eine französische Yacht attackiert. Derweil berichtet die britische Zeitung „The Guardian“über weitere Zwischenfälle mit Schwertwalen, die sich schon im Juli weiter südlich, in der Nähe der Meerenge von Gibraltar, abspielten. Die Skipperin Victoria Morris berichtet in dem Blatt über einen „total organisierten“Angriff auf ihr Schiff von neun dieser großen Meeresräuber. Auch in diesem Fall wurde vor allem das Ruder, das offenbar eine besondere Anziehungskraft hat, attackiert – bis es brach.
Aber was steckt hinter dem Verhalten dieser Meeresbewohner? Fühlen sie sich bedroht? Oder sehen sie die Boote und deren sich ständig bewegende Ruderblätter tatsächlich als eine Art Spielzeug? Die Meeresbiologen der spanischen Walforschungsorganisation Cemma versuchen die Öffentlichkeit mit einem Kommuniqué zu beruhigen.
Es handele sich vermutlich nicht um gezielte Angriffe, sondern um „Interaktionen mit Schiffen“. Die Forscher weisen darauf hin, dass die Schwertwale geschützt seien und dass es Schiffen deswegen nicht erlaubt sei, sich ihnen zu nähern. In dieser Jahreszeit würden die Schwertwale von Gibraltar kommend an der Atlantikküste Richtung Norden ziehen, um Thunfische zu jagen. Möglicherweise handele es sich bei den Protagonisten der Vorfälle um einige Jungtiere, die sich noch in einer Phase des „Lernens und der Neugier“befänden, sagte Cemma-Biologe Alfredo López. Normalerweise würden die Schwertwale weder Boote noch Personen bedrängen.
„Der Schwertwal rammte uns 15 Mal“Justin Crowther, Kapitän der Segelyacht „Beautiful Dreamer“