Thüringische Landeszeitung (Gera)
Auf den Spuren Geraer Steingut-Geschichte
Ein Paar aus Hessen forscht in Gera zu einem Fabrikanten, der hier vor 200 Jahren keramische Produkte herstellte
„Sensationell.“Für Ulrich und Blanka Linnemann ist es ein besonderer Tag. Seit 30 Jahren beschäftigen sich der Archäologe und die Keramikerin und Kunsthistorikerin privat mit Steingut, forschen, sammeln und dokumentieren mit großer Leidenschaft zu dieser Art keramischer Erzeugnisse. Und nun schauen sie tatsächlich einem Geraer Vertreter aus der Hochzeit des Steinguts Anfang des
19. Jahrhunderts in die Augen. Es ist die Büste des Steingutfabrikanten Johann Heinrich Leers, die das Paar aus Bad Schwalbach bei Wiesbaden nach Gera und speziell nach Dorna führte. Nachdem sie Fotos gesehen haben, war die Sichtung der Original-Skulptur im Dornaer Pfarrhaus voller Aha-Momente. Angefangen damit, dass es sich bei der
48 Zentimeter hohen weiße Büste nicht um Steingut oder Gips, sondern wahrscheinlich um Terrakotta handelt, dass sie wegen der geöffneten Pupillen wohl zu Lebzeiten des Steingutfabrikanten entstand und laut Blanka Linnemann ursprünglich offensichtlich farbig gefasst war. Bis auf eine abgeplatzte Nasenspitze und zarten Moosflecken ist die Büste in gutem Zustand, ebenso wie der posthum gefertigte Sockel mit den Lebensdaten (1757 – 1814).
Leers entstammte einer Kaufmannsfamilie und stieg als finanzkräftiger Teilhaber um 1806 in die Steingutfabrik Rothe ein, die kurz zuvor von Untermhaus nach Cuba bei Gera umgezogen war, und fortan unter „Rothe & Leers“firmierte, sagt Ulrich Linnemann. Die Firma produzierte Geschirr und andere Gebrauchskeramik, „alle Sorten in bester Qualität, auch Vasen, Kannen, Körbe, Flaschen, Schüsseln, Schalen“, wie aus einer alten Ausstellerliste zur Leipziger Messe in Linnemanns Akten deutlich wird.
Die Büste sei für die Beiden so bedeutsam, da sie ein seltenes Zeugnis der noch unzureichend erforschten Steingut-Industriegeschichte sei und zudem die seltene bildliche Darstellung einer Unternehmerpersönlichkeit aus diesem Metier.
Dass sie mit Dorna in einer ganz anderen Ecke Geras zu finden ist, hat gute Gründe. Leers gründete nicht nur 1812 eine Schulstiftung in Dorna, sondern er fand hier auch seine letzte Ruhe. Mit besonderen Ehren, durch einen repräsentativen Anbau auf der Südseite der Dornaer Kirche, der einen Hinweis auf seinen Stellenwert für die Gemeinde gibt. Die „Leers-Kapelle“ist ein würfelförmiger Grabbau in klassizistischer Form über der Gruft des Fabrikanten. Baulich in keinem besonders gutem Zustand wurde die Kapelle zuletzt als Lagerraum genutzt, sagt Annett Scholz vom Gemeindekirchenrat, die den Besuch der Linnemanns koordinierte. Eine halbrunde Nische in der Kapelle markiert den Platz, an der die LeersBüste auf ihrem Sockel erwiesenermaßen einst stand.
Zwei Tage sind die Linnemanns zum Forschungsaufenthalt in Dorna. Am Donnerstag zwar nicht mehr, dennoch können dann Interessierte mehr erfahren und Büste, Kapelle und mehr in Augenschein nehmen, sagt Annett Scholz. Zuvor sind alle zum Ostergottesdienst an Gründonnerstag, um 17 Uhr in die Sankt-Petri-Kirche in Dorna eingeladen.