Thüringische Landeszeitung (Gera)
Thüringer leiden am häufigsten
Höchstwert bei chronischen Schmerzen. Uniklinik Jena und Barmer starten einmaliges Projekt
Schmerzen im Bauch, die nicht weggehen, ein Rückenleiden, das Beruf und Alltag zur Tortur werden lässt. Nach einer Berechnung der Krankenkasse Barmer leiden 88 von 1000 Menschen in Thüringen an chronischen Schmerzen. Das ist der bundesweite Höchstwert. Deutschlandweit sind 58 von 1000 Menschen betroffen.
Zum Aktionstag des Schmerzes starteten die Kasse und die Uniklinik Jena das Programm A-IMA. Die Abkürzung steht für Ambulantes Interdisziplinär-Multimodales Assessment und beschreibt die deutschlandweit so bislang einzigartige Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen und Physiologen bei der Suche nach Ursachen anhaltender Schmerzen. Dem zugrunde liegen Erkenntnisse des vom Bund mit sieben Millionen Euro geförderten Forschungsprojektes Pain2020.
Schmerzen seien per se nichts Schlechtes, sondern überlebenswichtig, weil sie Krankheiten oder Verletzungen anzeigen, sagte Winfried Meißner, Präsident der Schmerzgesellschaft und Leiter der Sektion Schmerztherapie am Universitätsklinikum Jena (UKJ). Bei einem kleineren Prozentsatz der Menschen könnten psychische und soziale Faktoren aber verhindern, dass Schmerzen im Zuge der Heilung verschwinden. „Handeln, bevor Schmerzen chronisch werden, ist nötig und möglich“, so Meißner.
A-IMA startet zunächst an der Schmerzambulanz der Uniklinik und richtet sich an Patienten nach sechs Wochen anhaltender Schmerzen. Arzt, Physio- und Psychotherapeut nehmen sich jeweils eine Stunde Zeit für die Anamnese.
Anschließend beraten die Fachleute weitere Therapieschritte, die sie dann mit dem Patienten besprechen. Finanziert wird die Behandlungen durch einen Selektivertrages mit der Barmer. Zunächst könnten sich so zwar nur Barmer-Versicherte anmelden. Man sei aber offen für die Beteiligung anderer Krankenkassen. Patienten könnten gegebenenfalls bei ihren jeweiligen Krankenkassen zu Einzelvereinbarungen nachfragen. „Für die Zukunft wäre es wünschenswert, dass derart vielversprechende Erkenntnisse einfacher in die Regelversorgung eingehen“, sagte Dziuk.
Für eine A-IMA-Diagnostik zahlt die Barmer 780 Euro. 35 Euro erhalten Ärzte für die Bearbeitung von Fragebögen zur Ermittlung geeigneter Patienten (Screening). Das sei deutlich weniger als bei einer Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen plus gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen. Derzeit suche man noch nach ärztlichen Kooperationspartnern.
„Chronische Schmerzen erfordern mehr Zeit als der Praxisalltag oft zulässt. Es geht es auch um einen schnelleren und einfacheren Zugang zu Therapeuten“, sagte Jutta Bleidorn, Direktorin des Uni-Instituts für Allgemeinmedizin.
Psychische und soziale Faktoren können verhindern, dass Schmerzen wieder verschwinden. Handeln, bevor sie chronisch werden, ist möglich. Winfried Meißner, Anästhesist in Jena