Thüringische Landeszeitung (Gera)

Jeder vierte Patient lässt Arzttermin einfach verfallen

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Thüringen beklagt unsolidari­sches Verhalten. Terminserv­icestelle vor fünf Jahren gestartet

- Sibylle Göbel Weimar.

Die Bilanz der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Thüringen (KV) nach fünf Jahren Terminserv­icestelle fällt durchwachs­en aus: Zwar werde die Hotline, unter der Kassenpati­enten bei dringliche­n Problemen binnen vier Wochen ein Termin bei einem Haus- oder Facharzt vermittelt wird, Jahr für Jahr mehr in Anspruch genommen. Doch zugleich wachse die Zahl derer, die auf diese Weise zwar einen Termin bekommen, die ihn aber – ohne vorher abzusagen – nicht wahrnehmen. „Diese Rate schwankt von Praxis zu Praxis und liegt zwischen 15 und 40 Prozent. Im Schnitt beträgt sie 24 Prozent“, sagt Thomas Schröter, Internist in Weimar und 2. KV-Vorstandsv­orsitzende­r.

Durch dieses, wie Schröter es nennt, „unsolidari­sche Verhalten“verschärfe sich das Problem der Terminverg­abe weiter: So steige die Zahl freier Termine, die Ärzte besonders gefragter Fachgruppe­n an die KV melden müssten und über die sie selbst nicht mehr verfügen könnten. Das wiederum reduziere aber die Zahl der Termine, die die Praxen selbst vergeben können, was wiederum mehr Nachfrage bei der Terminserv­icestelle generiert. „Ein Teufelskre­is“, findet Schröter. „Man kann das nicht immer so weiter laufen lassen.“Viele Patienten hätten das Gefühl, dass die Situation mit der Serviceste­lle noch schlechter sei als vorher. „Dabei zeigt sich: Nicht die vermeintli­ch bevorzugte Terminverg­abe an Privatpati­enten ist an den Terminprob­lemen schuld, sondern die mangelnde Wertschätz­ung für den Arzttermin in der Bevölkerun­g“, sagt der KV-Vize. Die steigende Nachfrage nach Terminen etwa bei Rheumatolo­gen oder Pneumologe­n lasse sich nicht mit einer wachsenden Zahl von Rheumaoder Lungenpati­enten in Thüringen begründen, sondern damit, dass die in diesen Praxen verfügbare­n Termine immer knapper zugunsten von Terminen werden, die an die KV gemeldet werden.

Da zu den nicht wahrgenomm­enen Terminen noch etwa sechs bis sieben Prozent kämen, die über die KV vermittelt, aber von den Patienten vorsorglic­h abgesagt werden, fehlten unterm Strich rund 30 Prozent der verfügbare­n Leistungsm­enge. „Wir sehen natürlich immer wieder, dass mit der Terminserv­icestelle Patienten geholfen wird, die sonst keine Chance hätten. Deshalb sagen wir auch nicht, dass sie das falsche Instrument ist“, so Schröter. Aber es müsse beispielsw­eise möglich sein, dass die Datenbank anzeigt, wenn Patienten, die sich bereits einen Termin geholt haben, aus Komfortgrü­nden noch zwei, drei weitere buchen wollten. „Das ist aber im Moment nicht möglich.“

Wie aus dem am Dienstag vorgelegte­n neuen Versorgung­sbericht der KV für Thüringen hervorgeht, wurden 2016 zum Start der Serviceste­lle 7859 Anrufe gezählt, im Vorjahr waren es bereits 52.063. Und während 2016 fast 2700 Facharztte­rmine vermittelt wurden, waren es 2021 schon 13.462.

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MAIK SCHUCK Thomas Schröter ist 2. Vorstandsc­hef der KV Thüringen.

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