Thüringische Landeszeitung (Gera)
Kirchners ansteckende Recherchen
Geraer durchforstet Archive und gräbt spannende Anekdoten rund um die Gasversorgung aus
Es hat gewiss mehr Spannung und Unterhaltungswert als der Titel es vermuten lässt. Und auch wer nichts mit Wirtschafts- und Industriegeschichte am Hut hat, wird morgen Abend, 9. Juni, im Stadtmuseum gut unterhalten sein. Ab 18.30 Uhr stellt der Geraer Ralf Kirchner sein erstes Buch vor. Es trägt den Titel „1852 - 2022, 170 Jahre öffentliche Gasversorgung in Gera“.
Es war ein Weihnachtsgeschenk von einem guten Freund, welches Ralf Kirchner, der als Monteur für Gasdruckregel- und Messanlagen bei der TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG. beschäftigt ist, förmlich entfesselte. Zu Heilig Abend 2020 bekam Kirchner das dreibändige Werk „Gasgeschichte in Südsachsen. Eine Reise durch Raum und Zeit“geschenkt und er verschlang es, wie er erzählt. Und an den darauffolgenden Tagen überlegte er, wie es in Gera und der Region ausschaut. Er begann zu recherchieren. Schnell fand er heraus, dass vor 170 Jahren an Heilig Abend erstmalig in Gera Gaslaternen erstrahlten und dass in Gera 1852 nach nur sechsmonatiger Bauzeit das erste Gaswerk in ganz Thüringen seinen Betrieb aufnahm.
Kirchners Neugierde war geweckt. Er wollte mehr wissen. Nahm Urlaub, buchte sich Termine in den Archiven, denn aufgrund der Coronapandemie durfte stets nur ein Gast im Archiv stöbern. Er erzählt, wie er mit der Begriffssuche in den Archiv-Rechnern begann. Unzählige Treffer. Kirchner musste seine Suche immer weiter verfeinern.
Und so euphorisch wie Kirchner von seinen Funden berichtet, so euphorisch schrieb unter anderem die Geraische Zeitung am 4. Februar 1853 „… dass … gerade Gera … bei unbekannter Schnelligkeit ausgeführter und ins Leben gerufene Gasbeleuchtung … alle gleichen Städte übertrifft“.
Kirchner erzählt, dass er noch heute Gänsehaut bekommt, wenn er an die Berge von Aktenordnern denkt, die heute über 100 Jahre alt sind. „Ich bin richtig versunken. Vor allem dann, wenn ich gespürt habe, mit wie viel Herzblut die Menschen sich hineingearbeitet haben.“Er zeigt auf das heutige Parkhaus der
Gera-Arcaden und erklärt, dass genau an dieser Stelle, das erste Gaswerk der Stadt stand – von 1852 bis 1923. Eine Vielzahl von Episoden weiß Kirchner zu erzählen. So unter anderem auch, dass es 1879 eines der ersten Bürgerbegehren gab, als man am Standort der heutigen Volkshochschule einen weiteren Gasbehälter aufstellen wollte. Fürst Heinrich von Reuß habe daraufhin ein Gutachten erstellen lassen, in dem Karl Theodor Liebe zu dem Schluss kam, von diesem Vorhaben abzusehen. Der Gasbehälter wurde dann im Beckschen Garten aufgestellt. Dieser befand sich auf dem heutigen Arcaden-Gelände, gegenüber der Rossmann-Apotheke, erzählt Kirchner. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte ein Neubau in der Gaswerkstraße – möglichst preiswert sollte dieser werden. Und so kam ein gebrauchter Behälter aus den Zeppelin-Werken in Bremen in Gera zum Einsatz. Kirchner schafft es, mit seinen Erzählungen seine Zuhörer zu fesseln.
In seinem Buch hat er nun auf 152 Seiten mit über 100 Fotos seine Erkenntnisse niedergeschrieben. In Eigenregie hat er sein Werk in einer Auflage von 500 Stück herausgebracht. Zum Großteil habe Kirchner sein Buch aus der eigenen Tasche finanziert. „Ich nutze meine Aufwandsentschädigungen meiner Stadtratstätigkeit für gute Zwecke und nun auch für das Buch.“Das Werke werde es im Stadtmuseum, in der Gera Information, im tête à tête und im Stadtarchiv geben.