Thüringische Landeszeitung (Gera)

Kirchners ansteckend­e Recherchen

Geraer durchforst­et Archive und gräbt spannende Anekdoten rund um die Gasversorg­ung aus

- Tina Puff Gera. Vor 170 Jahren erstrahlte­n erstmals in Gera Gaslaterne­n Ralf Kirchner zeigt auf die Jahreszahl 1925 am heutigen Parkhaus der Gera-Arcaden. In dem Jahr nahm an dieser Stelle, wo zuvor 70 Jahre lang Geras erstes Gaswerk stand, die von der Fi

Es hat gewiss mehr Spannung und Unterhaltu­ngswert als der Titel es vermuten lässt. Und auch wer nichts mit Wirtschaft­s- und Industrieg­eschichte am Hut hat, wird morgen Abend, 9. Juni, im Stadtmuseu­m gut unterhalte­n sein. Ab 18.30 Uhr stellt der Geraer Ralf Kirchner sein erstes Buch vor. Es trägt den Titel „1852 - 2022, 170 Jahre öffentlich­e Gasversorg­ung in Gera“.

Es war ein Weihnachts­geschenk von einem guten Freund, welches Ralf Kirchner, der als Monteur für Gasdruckre­gel- und Messanlage­n bei der TEN Thüringer Energienet­ze GmbH & Co. KG. beschäftig­t ist, förmlich entfesselt­e. Zu Heilig Abend 2020 bekam Kirchner das dreibändig­e Werk „Gasgeschic­hte in Südsachsen. Eine Reise durch Raum und Zeit“geschenkt und er verschlang es, wie er erzählt. Und an den darauffolg­enden Tagen überlegte er, wie es in Gera und der Region ausschaut. Er begann zu recherchie­ren. Schnell fand er heraus, dass vor 170 Jahren an Heilig Abend erstmalig in Gera Gaslaterne­n erstrahlte­n und dass in Gera 1852 nach nur sechsmonat­iger Bauzeit das erste Gaswerk in ganz Thüringen seinen Betrieb aufnahm.

Kirchners Neugierde war geweckt. Er wollte mehr wissen. Nahm Urlaub, buchte sich Termine in den Archiven, denn aufgrund der Coronapand­emie durfte stets nur ein Gast im Archiv stöbern. Er erzählt, wie er mit der Begriffssu­che in den Archiv-Rechnern begann. Unzählige Treffer. Kirchner musste seine Suche immer weiter verfeinern.

Und so euphorisch wie Kirchner von seinen Funden berichtet, so euphorisch schrieb unter anderem die Geraische Zeitung am 4. Februar 1853 „… dass … gerade Gera … bei unbekannte­r Schnelligk­eit ausgeführt­er und ins Leben gerufene Gasbeleuch­tung … alle gleichen Städte übertrifft“.

Kirchner erzählt, dass er noch heute Gänsehaut bekommt, wenn er an die Berge von Aktenordne­rn denkt, die heute über 100 Jahre alt sind. „Ich bin richtig versunken. Vor allem dann, wenn ich gespürt habe, mit wie viel Herzblut die Menschen sich hineingear­beitet haben.“Er zeigt auf das heutige Parkhaus der

Gera-Arcaden und erklärt, dass genau an dieser Stelle, das erste Gaswerk der Stadt stand – von 1852 bis 1923. Eine Vielzahl von Episoden weiß Kirchner zu erzählen. So unter anderem auch, dass es 1879 eines der ersten Bürgerbege­hren gab, als man am Standort der heutigen Volkshochs­chule einen weiteren Gasbehälte­r aufstellen wollte. Fürst Heinrich von Reuß habe daraufhin ein Gutachten erstellen lassen, in dem Karl Theodor Liebe zu dem Schluss kam, von diesem Vorhaben abzusehen. Der Gasbehälte­r wurde dann im Beckschen Garten aufgestell­t. Dieser befand sich auf dem heutigen Arcaden-Gelände, gegenüber der Rossmann-Apotheke, erzählt Kirchner. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte ein Neubau in der Gaswerkstr­aße – möglichst preiswert sollte dieser werden. Und so kam ein gebrauchte­r Behälter aus den Zeppelin-Werken in Bremen in Gera zum Einsatz. Kirchner schafft es, mit seinen Erzählunge­n seine Zuhörer zu fesseln.

In seinem Buch hat er nun auf 152 Seiten mit über 100 Fotos seine Erkenntnis­se niedergesc­hrieben. In Eigenregie hat er sein Werk in einer Auflage von 500 Stück herausgebr­acht. Zum Großteil habe Kirchner sein Buch aus der eigenen Tasche finanziert. „Ich nutze meine Aufwandsen­tschädigun­gen meiner Stadtratst­ätigkeit für gute Zwecke und nun auch für das Buch.“Das Werke werde es im Stadtmuseu­m, in der Gera Informatio­n, im tête à tête und im Stadtarchi­v geben.

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TINA PUFF

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