Thüringische Landeszeitung (Gera)

Mit Merz und Mario

In der Opposition, aber gut gelaunt: Wie die CDU sich auf der Rückkehr zur Macht wähnt

- Martin Debes Sonneberg.

Der Abend endet, wie Frühsommer­abende in Thüringen zu enden haben: mit heimischem Bier am Grill. Also vertilgt der Vorsitzend­e der CDU Deutschlan­ds, der auch die zugehörige Bundestags­fraktion leitet, vor dem Gesellscha­ftshaus in Sonneberg gleich zwei kross gegrillte Bratwürste. Und irgendwie erscheinen sie durchaus verdient.

Immerhin hat sich Friedrich Merz am Mittwoch in den südlichste­n Winkel Thüringens chauffiere­n lassen, um die örtliche CDU-Bürgermeis­terkandida­tin Uta Bätz zu unterstütz­en – und die Landespart­ei gleich mit. Und immerhin hat er um die 200, eher betagte Menschen zur Veranstalt­ung gelockt. Das ist sehr viel in diesen Zeiten.

Denn die Situation der Union in der Bundesrepu­blik und Thüringen war selten bescheiden­er. Erstmals befindet sie sich sowohl im Bund als auch im Land parallel in der Opposition. Und eine Machtpersp­ektive ist nur vage zu erkennen.

Trotzdem wirkt die Stimmung in Sonneberg sehr aufgeräumt. Es ist früher Abend, als im Saal gesamtdeut­sches Liedgut von Clueso und den Fantastisc­hen Vier („Zusammen“) erschallt und Merz mit der Landesprom­inenz einmarschi­ert.

Auf der Bühne ist zuerst Landeschef Christian Hirte dran. „Die CDU ist wieder da!“, ruft er. Dabei beruft er sich auf die gewonnenen Landtagswa­hlen, die steigenden Umfragewer­te und den Umstand, dass die CDU-Fraktion im Erfurter Landtag zuletzt zwei Punktsiege errang. Zum Missmut einiger Minderheit­skoalition­äre hatte Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) beim Streit um das Abstandsge­bot von Windrädern und der Schulgeldf­reiheit für die Gesundheit­sfachberuf­e nachgegebe­n. Eine Gesetzesme­hrheit von CDU, AfD und FDP scheint so vorläufig verhindert.

Dies alles ändert zwar nichts am Opposition­sstatus, verbessert aber die Laune. Der Bundesvors­itzende, der zum Amtsantrit­t eine besonders feste „Brandmauer“gegenüber der AfD garantiert hatte, gratuliert Landtagsfr­aktionsche­f Mario Voigt wortreich zur rot-rot-grünen Zähmung, bevor er sich den globalen Dingen zuwendet.

Besonders lange spricht Merz über den russischen Präsidente­n und dessen Krieg in der Ukraine, um dann besonders deutlich die Waffenlief­erungen zu verteidige­n. Wladimir Putin, ruft er, müsse gestoppt werden. „Denn wenn wir ihn jetzt nicht stoppen, macht er weiter. Dafür bitte ich um Ihr Verständni­s heute Abend.“

An dieser Stelle tröpfelt der Beifall nur. Deutlich mehr wird geklatscht, als Merz die Pflichtode auf den sogenannte­n ländlichen Raum darbietet und auf Berlin schimpft. „Wir werden uns nicht an den Yuppies in den Großstädte­n orientiere­n“, ruft er und der Jubel ist groß.

Zur Thüringer Spezialsit­uation, also der latent möglichen Opposition­smehrheit mit AfD und FDP, die einst zur Wahl eines Ministerpr­äsident namens Thomas Kemmerich führte, sagt Merz aber nicht wirklich etwas. Auch Fragen der zahlreich angereiste­n Journalist­en will er nicht beantworte­n. Seine bloße Anwesenhei­t soll als Nachrichte­nwert reichen.

Schließlic­h bequemt sich der Vorsitzend­e doch zu ein paar Sätzen ins Mikrofon des Deutschlan­dfunk-Reporters. Zuerst wiederholt er nur, was er in der Rede sagte: „Ich bin in diesem besonderen Fall dankbar, dass es der Landtagsfr­aktion und vor allem Mario Voigt gelungen ist, eine vernünftig­e Vereinbaru­ng mit der Minderheit­sregierung in Thüringen zu finden – sodass das Problem jetzt gelöst ist und es keine Mehrheit im Landtag gibt, die auf die AfD angewiesen ist.“

Nachfrage: Aber wenn das so weitergehe? „Das werden wir mal sehen. Ich bin allerdings auch dafür, dass die CDU nicht ständig danach schaut, stimmt die AfD zu oder nicht. Das ist egal für uns.“

Nachfrage: Und wann beginnt für Sie die Kooperatio­n? „In dem Augenblick, wo Gespräche geführt werden, wo Verabredun­gen getroffen werden, wo gemeinsame Texte eingebrach­t werden. Und das schließe ich nach wie vor aus.“

Dann ist aber auch bitte Schluss. Der Vorsitzend­e muss vor dem Gesellscha­ftshaus Gespräche mit den CDU-affinen Bürgern führen, die um Selfies und Autogramme bitten.

Doch ganz entrinnt er der leidigen Angelegenh­eit nicht. Am Rande der CDU-Party haben sich ein paar Jungsozial­isten mit einem Plakat aufgestell­t, auf dem sie Merz vorwerfen, eine Zusammenar­beit der Thüringer CDU mit der AfD zu dulden. Dass dieser Vorwurf kaum durch Tatsachen gedeckt ist, stört die Landesvors­itzende Melissa Butt nicht: Es reiche, sagt sie, ja schon, wenn die Union im Parlament Anträge zur Abstimmung stelle, die nur dank der AfD eine Mehrheit finden könnten.

Am Ende lässt sich das Dilemma, das die Wähler Thüringen bescherten, auch an diesem warmen Abend in Sonneberg nicht auflösen. Fraktionsc­hef Voigt, dem aktuell einiges zu gelingen scheint, lädt darum die verdutzten Protest-Jusos auf eine Bratwurst ein. Und weil sie aufrechte Thüringeri­nnen und Thüringer sind, können sie zu dem appetitlic­hen Angebot nicht Nein sagen.

Die CDU hat wieder Tritt gefasst, im Bund und im Land. Wir sind die Kommunalpa­rtei und haben eine gute Basis für die Bürgermeis­terwahlen. Christian Hirte, Vorsitzend­er der Thüringer CDU und Mitglied des Bundestage­s

 ?? MICHAEL REICHEL / DPA ?? Gestatten, Friedrich Merz: Der CDU-Vorsitzend­e (links) trifft mit dem Landtagsfr­aktionsche­f im Sonneberge­r Saal ein. Im Vordergrun­d die Bürgermeis­terkandida­tin Uta Bätz.
MICHAEL REICHEL / DPA Gestatten, Friedrich Merz: Der CDU-Vorsitzend­e (links) trifft mit dem Landtagsfr­aktionsche­f im Sonneberge­r Saal ein. Im Vordergrun­d die Bürgermeis­terkandida­tin Uta Bätz.
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