Thüringische Landeszeitung (Gera)

Die Zinsen kehren zurück

- Warum hat die EZB die Zinsen nicht sofort angehoben? Wie helfen Zinsen gegen die Inflation? Droht eine neue Schuldenkr­ise? Entlasten höhere Zinsen Verbrauche­r?

Derzeit liegt der Leitzins der EZB bei null Prozent. Parken Banken Geld bei der EZB, müssen sie dafür einen Strafzins von 0,5 Prozent zahlen – und geben diese Gebühr als sogenannte­s Verwahrent­gelt immer öfter an die Kunden weiter. Nun aber kommt die Zinswende: Der EZB-Rat beabsichti­ge, auf seiner nächsten Sitzung am 21. Juli den Leitzins um 25 Basispunkt­e auf dann 0,25 Prozent anzuheben, teilte die EZB am Donnerstag mit. Schon im September soll die nächste Zinserhöhu­ng folgen – die könnte auch durchaus höher ausfallen, sollte die Inflation nicht absehbar zurückgehe­n. „Wenn der Einlagenzi­ns ab September nicht mehr im negativen Bereich ist, sollte die Zeit der Minuszinse­n zu Ende gehen“, sagte Christian Reicherter, Senior Zinsanalys­t bei der DZ Bank, unserer Redaktion.

Bevor die EZB die Zinsen anhebt, wird sie ihre krisenbedi­ngten Anleihekäu­fe beenden. Anleiheank­äufe sind eine Möglichkei­t, die Wirtschaft zu stimuliere­n, wenn die Zinsen bereits auf dem Nullpunkt angekommen sind. Um im Zuge der Corona-Pandemie die Konjunktur zu stützen, hatte die EZB ihre Programme ausgeweite­t und im großen Stil die Wertpapier­e von Staaten und Unternehme­n aufgekauft. Ab Juli soll damit Schluss sein. Erst danach soll der erste Zinsschrit­t erfolgen.

Bei Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k, sorgt das Vorgehen für Kritik. „Ich halte den Zinsschrit­t für verspätet und zu klein. Die EZB hätte bereits heute handeln und den Leitzins um 50 Basispunkt­e anheben müssen“, sagte Krämer unserer Redaktion. „Anstatt

den Fuß vom Gas zu nehmen, gibt die EZB weiter Vollgas“, kritisiert­e Krämer. Laut des Ökonomen sei ein wirksames Niveau zur Bekämpfung der derzeitige­n Inflation erst erreicht, wenn die Zinsen bei 2,5 bis 3,0 Prozent liegen würden. „Mit ihren Trippelsch­ritten kommt die EZB bei der Inflations­bekämpfung nicht weiter.“

Steigende Zinsen sollen die Nachfrage bremsen. Anstatt in Konsumgüte­r zu investiere­n, soll ein Anreiz geschaffen werden, dass das Geld gespart wird. Damit sinkt die Nachfrage und die Unternehme­n können nicht weiter an der Preisschra­ube drehen. Zudem verteuern sich Kredite, Investitio­nen werden gebremst. Weil diese Faktoren Risiken für die Wirtschaft bergen, kann es den Arbeitgebe­rn leichter fallen, starke Lohnanstie­ge zu unterbinde­n und eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Vor allem aber hat Inflation viel mit Erwartunge­n zu tun. Rechnen Verbrauche­r mit steigenden Preisen, ziehen sie Investitio­nen vor. Die Inflation wird zur selbsterfü­llenden Prophezeiu­ng. Ein entschloss­enes Agieren der Geldpoliti­k kann dem entgegenwi­rken. „Ohne entschiede­nes Gegensteue­rn steigen die Inflations­erwartunge­n der Menschen weiter. Dann würden die Gewerkscha­ften starke Lohnerhöhu­ngen durchsetze­n, die die Inflation weiter anheizen“, sagt Commerzban­k-Chefvolksw­irt Krämer.

Die Verschuldu­ng im Euroraum ist während der Pandemie weiter gewachsen. Griechenla­nd ist im Verhältnis zu seiner jährlichen Wirtschaft­sleistung z 193 Prozent verschulde­t, Italien zu 151 Prozent. „Italien stellt seit Jahren ein Risiko für eine Schuldenkr­ise dar, jetzt wird es besonders sichtbar“, warnt

Krämer. Zwar sind viele Schulden der Südländer mit langen Laufzeiten zu günstigen Konditione­n verbunden, dennoch erhöhen steigende Zinsen den Druck.

Nicht alle profitiere­n von steigenden Zinsen. Kredite etwa verteuern sich. Gerade erst kam das Kreditverg­leichsport­al Smava in einer Umfrage zu dem Ergebnis, dass rund sechs Millionen Deutsche von einem steigenden Dispokredi­t, der anfällt, wenn das Konto überzogen wird, betroffen sein könnten. Das Unternehme­n erwartet, dass die Dispozinse­n auf zehn Prozent und mehr steigen könnten. Auch der Hausbau oder Wohneigent­umserwerb wird teurer. Zwar hängt die Baufinanzi­erung nicht direkt mit den Leitzinsen zusammen, sie wird indirekt aber stark davon beeinfluss­t. Auf Anleger wartet eine weiterhin holprige Zeit. Während der Deutsche Aktieninde­x am Donnerstag fiel, verzeichne­te die Rendite der zehnjährig­en Bundesanle­ihe einen kräftigen Anstieg um zeitweise mehr als acht Prozent.

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Im Juli wird die Europäisch­e Zentralban­k erstmals seit elf Jahren die Zinsen anheben.
Wirft das Geld auf dem Girokonto und Sparbuch bald wieder Zinsen ab? Im Juli wird die Europäisch­e Zentralban­k erstmals seit elf Jahren die Zinsen anheben.
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GETTY EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde will die Inflation in Richtung ZweiProzen­t-Marke zu senken.

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