Thüringische Landeszeitung (Gera)
Auf legalem Weg zum Samenspender
Ein neues Gesetz ermöglicht bald auch alleinlebenden jungen Frauen in Thüringen eine Kinderwunschbehandlung
Alleinstehende junge Frauen werden in naher Zukunft auch in Thüringen die Möglichkeit haben, sich ohne Partner und mit ärztlicher Hilfe ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Grundlage dafür ist das Mitte 2018 in Kraft getretene Samenspenderregistergesetz.
Allerdings muss die Landesärztekammer dafür noch eine Musterrichtlinie der Bundesärztekammer in eigenes Kammerrecht überführen. „Das heißt, jede Landesärztekammer regelt das für ihr jeweiliges Bundesland, die Musterrichtlinie von 2018 nützt uns erst einmal nichts“, sagt die Thüringer Reproduktionsmedizinerin Heidi Fritzsche. Fritzsche gehört bundesweit zu den führenden Ärzten ihres Fachs und arbeitet weiterhin in ihrer 1993 gegründeten Kinderwunschpraxis in Jena, die Sohn Andreas 2019 übernommen hat. Reproduktionsmediziner fordern mehr Tempo
Im Herbst, so die Ärztin, solle die neue Thüringer Richtlinie zur Berufsordnung erarbeitet werden, aktuell gäben die Thüringer Reproduktionsmediziner dazu fachliche Stellungnahmen ab. Heidi Fritzsche verhehlt nicht, dass sie sich dabei etwas mehr Tempo wünschen würde: „Wenn eine Frau einen Kinderwunsch hat, ist es mir das Wichtigste, ihn zu realisieren.“Zudem müsse Thüringen mit Blick auf seine demografische Entwicklung endlich „auf die Tube drücken“.
Das Samenspenderregistergesetz ermögliche es sowohl alleinlebenden Frauen als auch lesbischen Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, „auf geordnete Art und Weise zu einem Samenspender zu kommen“. Dieser sei zwar niemals der soziale Vater der Kinder, das heißt, er müsse sich weder um deren Erziehung noch um finanzielle Belange kümmern. Aber die Kinder hätten immer die Möglichkeit zu erfahren, wer ihr biologischer Vater ist. Das sei beispielsweise bei Spenderbanken in Tschechien, Spanien oder Dänemark, zu denen bislang viele deutsche Frauen fuhren, niemals der Fall.
Anders jetzt in Deutschland: „Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information in München, dem sowohl wir Ärzte die Behandlungsdaten der Empfängerinnen als auch die Spenderbanken die Daten der Spender melden müssen, bewahren diese Daten 110 Jahre auf“, ergänzt
Andreas Fritzsche. Nach dem neuen Gesetz habe jedes Kind unabhängig von seinem Alter und ohne die Zustimmung seiner Eltern einholen zu müssen die Möglichkeit, dort Auskunft über seine Abstammung zu fordern. Dem genetischen Vater erwüchsen zwar – wie erwähnt – aus der Samenspende keine Verpflichtungen. „Er kann aber bei der Registrierung einen verschlossenen Umschlag für das Kind hinterlegen, der diesem zugeschickt wird, sobald sich das Kind nach dem Vater erkundigt. Was der Vater in diesem Brief schreibt, erfährt niemand anderes als das Kind.“
Umgekehrt sei es einem Spender jedoch nicht möglich, nach einem Kind oder nach Kindern, die dank seiner Spende gezeugt wurden, zu suchen. Für die Jenaer Reproduktionsmediziner erübrigten sich mit dieser Neuregelung die „reproduktiven Reisen“, wie es Heidi Fritzsche formuliert – und zwar sowohl ins Ausland als auch in andere Bundesländer, die schneller als Thüringen den notwendigen rechtlichen Rahmen geschaffen haben.
Gleichwohl bleibe die assistierte Reproduktion bei alleinlebenden
Frauen eine Privatleistung und hänge damit auch vom Geldbeutel ab: „Die rein ärztlichen Kosten sind allerdings gering“, beruhigt Andreas Fritzsche. Eine Samenübertragung koste etwa 85 Euro, dazu kämen noch ein Ultraschall und eventuell Medikamente zur Stimulation des Eisprungs. Wesentlich höher zu Buche schlage die Samenspende selbst – was eben auch damit zu tun habe, dass den Spendern mit Blick auf die gespeicherten personenbezogenen
Daten inzwischen höhere Pauschalen gezahlt würden.
Bei einer Berliner Samenbank, bei der die Frauen einen Spender nur nach wenigen Merkmalen, wie Blutgruppe, Körpergröße, Haarund Augenfarbe und Hobby auswählen könnten, müssten beispielsweise zunächst eine Grundgebühr für zwei Jahre von 2150 Euro und pro Samenprobe 250 Euro brutto gezahlt werden. „Dazu kommen 250 Euro für den Transport. Denn die Spende muss tiefgekühlt ankommen“, sagt Andreas Fritzsche. Durchschnittsalter der Patientinnen steigt
Bei einer anderen Samenbank in Düsseldorf könnten die Frauen weitere Wünsche äußern – dann werde es aber auch teurer. Da europaweit jede Samenspende eineindeutig gekennzeichnet sein müsse, könnten die Frauen im Prinzip mit jeder europäischen Samenbank einen Vertrag schließen und sich die Spende liefern lassen.
Sorgen bereitet den beiden Jenaer Reproduktionsmedizinern allerdings die Tatsache, dass das Durchschnittsalter der Patientinnen in ihrer Praxis steigt: Inzwischen liege es bei 36 Jahren und damit rund zehn Jahre höher als zu DDR-Zeiten. Bei vielen Frauen in diesem Alter habe die Zahl der befruchtungsfähigen Eizellen und ihre Qualität zu diesem Zeitpunkt aber schon deutlich abgenommen hat. „Der Anteil der ungewollt kinderlosen Frauen steigt“, so Heidi Fritzsche: Seien es vor rund neun Jahren noch 25 Prozent gewesen, seien es aktuell schon 32.
Doch das liege keineswegs nur daran, dass sich viele Frauen erst relativ im Leben spät für Kinder und Familie entschieden. „Es liegt auch an den Männern. Mittlerweile liegt bei 50 Prozent der Paare die Ursache beim Mann.“Deshalb steige auch der Anteil der sogenannten ICSI-Behandlungen, bei denen eine einzelne Samenzelle direkt in die Eizelle injiziert wird.
In der Praxis von Heidi und Andreas Fritzsche liegt die Schwangerschaftsrate bei allen Verfahren zur Befruchtung außerhalb des Mutterleibs bei über 40 Prozent. Das heißt, pro Übertragung liegt die Chance der Frau, schwanger zu werden, bei 40 bis 45 Prozent.
Mittlerweile liegt bei etwa 50 Prozent der ungewollt kinderlosen Paare die Ursache beim Mann. Heidi Fritzsche, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Jena