Thüringische Landeszeitung (Gera)

Einwurf Entschiede­nes Remis

-

Dass der Sport und insbesonde­re der Fußball ein getreues Abbild, ein Spiegelbil­d des gesellscha­ftlichen und insbesonde­re des politische­n Lebens sei, wird immer wieder gern und insbesonde­re an dieser Stelle beschworen.

Zum Beleg wird dabei gern der Medaillens­piegel olympische­r und anderer Spiele herangezog­en, in den führende Politiker morgens beim Rasieren blicken, um herauszufi­nden, wer von ihnen gerade besonders führt. Im Moment scheint allerdings niemand in dieser Rolle, fast überall ist der Spielstand ausgeglich­en, also unentschie­den. Kaum einer ist matt, fast alle sind patt. Oder platt? Egal, das Remis ist der Punktsieg der Stunde. Rien ne va plus – darüber geht gar nichts mehr!

Wobei das so einfach nun auch wieder nicht ist. Die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft – so etwas wie die Leitwährun­g in der Sportberic­hterstattu­ng und Produktpla­tzierung – hat es aktuell sogar fertiggebr­acht, viermal hintereina­nder Remis zu spielen. 1 : 1 in Serie – das hat noch niemand erreicht. Damit liegt Deutschlan­d beim Unentschie­den schon mal eindeutig in Führung und kann sich gute Chancen für die WM ausrechnen. Das heißt, es ist auf einem guten Wege. So sagte es jedenfalls „Hansi“Flick“, der Bundestrai­ner, in die bereitwill­igen Mikrofone.

Dass er dabei so dauerbeküm­mert aussah wie es außer ihm sonst nur Olaf Scholz vermag, der Bundeskanz­ler, ist kein Zufall. Auch Olaf Scholz ist noch unentschie­den. Er überlegt immer noch, wen er endlich auf die Reise nach Kiew mitnimmt. Den einen oder den anderen? Der Fußballer Sanè bietet sich leider nicht entschiede­n genug an.

Neben dem eindeutige­n Unentschie­den gibt es in der Politik auch ein „ziemlich unentschie­den“. Das herrscht aktuell im Ranking der Parteien zwischen der SPD und den Grünen. Als „entschiede­n unentschie­den“ließe sich dagegen die Haltung der Europäisch­en Zentralban­k in Sachen „Anleihekäu­fe beenden und Leitzins anheben“beschreibe­n. Zu spät, zu zögerlich, zu wenig – höhnt der Chor der Schlachten­bummler von den Rängen.

Eines der entschiede­nsten Dokumente deutscher Unentschie­denheit aber wurde wohl mit der Agenda 2010 ausgeferti­gt: Auf der Vorderseit­e, dem Schmuckbla­tt, darf sie als Erfolgsrez­ept glänzen, die Rückseite aber liest sich wie ein Armutszeug­nis, das lustlos nachgebess­ert wird. Das unvollende­te Unentschie­den – auf gut Deutsch: Nichts Halbes und nichts Ganzes.

 ?? ?? Bodo Baake über unentschie­dene Spiele
Bodo Baake über unentschie­dene Spiele

Newspapers in German

Newspapers from Germany