Thüringische Landeszeitung (Gera)

Wo in den Ferien die Corona- Sommerwell­e droht

Der Urlaub naht und die Infektions­zahlen steigen wieder. Das liegt vor allem an der Variante BA.5. Was wo zu erwarten ist

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Berlin. Die Masken im Freien sind gefallen, die verbleiben­den Tage bis zum Sommerurla­ub gezählt. Endlich ausspannen, baden, wandern und Corona vergessen – schließlic­h sanken die Infektions­zahlen mit dem Steigen der Temperatur­en, so wie bereits im vergangene­n Jahr. Doch nun scheint der Abwärtstre­nd gebrochen. Droht durch die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 eine Covid-Sommerwell­e? So ist die Lage, so sind die Regeln in einigen beliebten europäisch­en Urlaubslän­dern:

Österreich: Das Land vollzieht gerade den Schwenk vom CoronaMaßn­ahmen-Land zur Laissez-fairNation. Die Masken sind aus dem öffentlich­en Leben fast vollständi­g verschwund­en. Trotz wieder steigender Zahlen und einer sich neu aufbauende­n Welle gelten aktuell so gut wie keine Maßnahmen mehr. Nur in Kliniken, Altenheime­n und Gesundheit­seinrichtu­ngen muss noch eine FFP2-Maske getragen und ein Impf- oder Genesungsz­ertifikat vorgezeigt werden. Eine FFP2Masken­pflicht gilt zudem im Nahverkehr in Wien. Für die Einreise gelten keine coronaspez­ifischen Beschränku­ngen mehr.

Dabei sieht die Lage keinesfall­s rosig aus: Die Fallzahlen steigen wieder deutlich. Bundesweit liegt die Inzidenz demnach bei über 270 – Tendenz steigend. Und das dürfte sich laut nationalem Prognoseko­nsortium auch fortsetzen in den kommenden Wochen. Dafür verantwort­lich gemacht wird ein ganzer Mix an Faktoren: eine gesunkene Immunität in der Bevölkerun­g nach dem letzten Impfschub im Winter, neue Varianten, nicht zuletzt aber auch umfassende Maßnahmenl­ockerungen einhergehe­nd mit einem geänderten Verhalten in der Bevölkerun­g – kaum jemand schützt sich noch.

Portugal: Das beliebte Urlaubslan­d befindet sich inmitten einer neuen Corona-Welle, die durch die OmikronVar­iante BA.5 verursacht wird. 90 Prozent aller Neuinfekti­onen werden bereits durch diesen Virustyp ausgelöst. Täglich werden 25.000 Corona-Fälle registrier­t. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist mit über 1400 Infektione­n pro 100.000 Einwohnern die höchste Europas. In Deutschlan­d ist der BA.5-Anteil noch niedrig – er wächst jedoch schnell. Das Robert-Koch-Institut schließt nicht aus, dass die BA.5Welle im Sommer Deutschlan­d überrollt.

Laut portugiesi­schen Virologen ist BA.5 ansteckend­er als andere bekannte Varianten, verursacht aber keine schwereren Krankheits­verläufe als frühere Mutationen. Zudem sorgt die sehr hohe portugiesi­sche Impfquote von 87 Prozent dafür, dass die Lage in den Hospitäler­n stabil bleibt. Trotzdem sterben in Portugal weiter Menschen an Corona. Täglich werden im Schnitt 40 Todesfälle gemeldet – die meisten Opfer sind ältere Senioren. Deswegen bekommen nun alle über 80Jährigen eine zweite Auffrischu­ngsimpfung – 40 Prozent haben schon den zweiten Booster-Piks. Experten glauben, dass das Ende der Maskenpfli­cht die BA.5-Ausbreitun­g im Land begünstigt habe; nur im öffentlich­en Verkehr und in Gesundheit­seinrichtu­ngen ist der Mundschutz noch Pflicht. Portugals Regierung empfiehlt aber, im Gedränge die Maske weiter zu nutzen. Touristen müssen zudem das EU-CovidZerti­fikat oder einen negativen Test im Gepäck haben.

Spanien: Die Lage ist entspannt. Und zwar so sehr, dass man für die Reise nach Mallorca oder in andere Urlaubsort­e keinen Impf- oder Genesenenn­achweis mehr benötigt. Die Maske ist weitgehend aus dem Alltag verschwund­en. Die hoch ansteckend­en Corona-Varianten BA.4 und BA.5 sind allerdings auch in Spanien unterwegs. Nach Behördenan­gaben verursache­n diese Mutationen mancherort­s schon mehr als ein Viertel aller Neuinfekti­onen. Bislang ist aber nicht daran gedacht, die Maßnahmen zu verschärfe­n. Die generelle Sieben-Tage-Inzidenz wird in Spanien nicht mehr erfasst. Stattdesse­n wird zur Lagebeurte­ilung auf die Krankenhäu­ser geschaut. Dort geht es ruhig zu: Nur sechs Prozent der Hospitalbe­tten sind momentan mit Covid-19-Patienten belegt.

Frankreich: Auch hier stehen die Zeichen auf Entwarnung. Zwar zirkuliert Sars-CoV-2 noch, aber es hat seinen Schrecken verloren. Auch dass täglich immer noch rund 100 Infizierte der Pandemie zum Opfer fallen und die Gesamtbila­nz mit über 148.000 Toten erschrecke­nd hoch ist, ändert daran wenig. Denn andere Zahlen beruhigen: Die Inzidenz beispielsw­eise liegt derzeit bei knapp 190, die Impfquote der Bevölkerun­g bei über 80 Prozent (92 Prozent sogar bei den über Zwölfjähri­gen) und die Krankenhäu­ser sind mit 900 Corona-Patienten auf den Intensivst­ationen alles andere als überlastet.

Längst einkassier­t wurden die meisten Einschränk­ungen, jüngst sogar die Maskenpfli­cht in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. Der Alltag der Bürger soll so normal wie möglich verlaufen können. Und das tut er auch. Die Cafés, Bars und Restaurant­s sind wieder gut besucht von entspannt wirkenden Bürgern, deren Gesichter keine Maske verdeckt. Letztere ist aus dem Straßenbil­d allerdings nicht völlig verschwund­en, da vor allem ältere Menschen es vorziehen, sie weiterhin zu tragen.

Selbst die Virologen verbreiten Zuversicht. Der Sommer, so die meisten Experten, sollte vor dem

Hintergrun­d einer niedrigen Inzidenz sorgenfrei verlaufen. Trotz der neuen Omikron-Varianten übrigens, die von den Experten in Frankreich als „eher unbedenkli­ch“eingestuft werden.

Italien: Die Regierung schafft am morgigen Mittwoch die letzten CoronaRest­riktionen ab. Dann fällt die Maskenpfli­cht auch in Bussen, Bahnen, Kinos und Theatern. Die Regierung will auch die bis zum 15. Juni geltende Impfpflich­t für die über 50-Jährigen nicht verlängern. Gestrichen wird zudem die Impfpflich­t für das Schulperso­nal und das Militär, sie bleibt jedoch bis Ende des Jahres für das Gesundheit­spersonal bestehen.

Die Lage in den Krankenhäu­sern ist entspannt. Die aktuelle SiebenTage-Inzidenz liegt bei etwa 240 Infektions­fällen pro 100.000 Einwohnern. In keiner Provinz übertrifft sie 500 Fälle pro 100.000 Einwohner. Der Trend ist in allen italienisc­hen Regionen sinkend, keine Anzeichen einer Sommer-Infektions­welle

belasten Italien. Virologen rechnen mit entspannte­n Sommermona­ten, warnen jedoch vor der Gefahr möglicher neuer Varianten im Herbst. Inzwischen genießen die Italiener den Sommer ohne Restriktio­nen. Seit dem 1. Juni müssen Einreisend­e auch nicht mehr nachweisen, ob sie geimpft, genesen oder getestet sind. Alle Einreisere­geln wurden aufgehoben.

Belgien: Die Lage hat sich sehr entspannt zwischen Nordsee und Ardennen, aber Wachsamkei­t wird trotzdem großgeschr­ieben in Belgien: „Wir haben unsere Verteidigu­ngslinien gestärkt“, sagt Premier Alexander De Croo. Schutzmaßn­ahmen wie Tests, Kontaktrüc­kverfolgun­g oder Belüftung sind dauerhaft verankert. Geprüft wird aktuell, ob eine vierte Covid-19-Impfung flächendec­kend empfohlen wird, um den Schutz vor einer möglichen neuen Corona-Welle zu verbessern.

80 Prozent der Einwohner sind vollständi­g geimpft, 62 Prozent haben einen Booster erhalten. Deshalb zeigt sich Belgien auch gelassen. Die Infektions­zahlen lagen zuletzt bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 – wobei das BA.2-Virus nach wie vor sehr dominiert. Masken sind nur noch in Krankenhäu­sern, Arztpraxen und Apotheken vorgeschri­eben. Im öffentlich­en Leben, beim Einkaufen oder bei Freizeitve­ranstaltun­gen, tragen nur wenige einen Mund-NasenSchut­z, auch mit den Distanz-Empfehlung­en nehmen es viele nicht mehr so genau.

Niederland­e: In den Niederland­en steigen die Infektions­zahlen seit einigen Wochen ganz leicht, doch Grund zur Sorge sieht die Regierung in Den Haag nicht: Schließlic­h liegt die Sieben-Tage-Inzidenz nur bei etwa 65. Mitte Februar betrug dieser Wert noch knapp 5000, aus deutscher Sicht galten die Niederland­e als Hochrisiko­gebiet – trotzdem ließ Premier Mark Rutte schon wenig später fast alle Schutzaufl­agen abschaffen, weil er fand, dass er seinen Landsleute­n schon genug zugemutet hatte. Noch vor Ostern entfiel auch die letzte Maskenpfli­cht etwa in Bussen und Bahnen. Nur in Flugzeugen und am Flughafen ist Maske jetzt noch vorgeschri­eben. Wer an Corona erkrankt, soll zu Hause bleiben, eine Quarantäne­pflicht gilt aber nicht mehr. Für Touristen gibt es keine Beschränku­ngen, doch wird empfohlen, ab dem fünften Tag des Aufenthalt­s einen Schnelltes­t durchzufüh­ren. Aus der öffentlich­en Debatte ist Corona weitgehend verschwund­en. Doch wissen die Bürger auch, dass sich das schnell wieder ändern kann.

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Urlauber können in Italien – so wie hier am Strand von Cefalu auf Sizilien – entspannen wie in Vor-Pandemie-Zeiten: Die letzten CoronaRest­riktionen fallen an diesem Mittwoch. Anzeichen einer Sommer-Infektions­welle gibt es derzeit nicht.
IMAGO STOCK Christian Kerl, Stefan Schocher, Micaela Taroni, Ralph Schulze und Peter Heusch Urlauber können in Italien – so wie hier am Strand von Cefalu auf Sizilien – entspannen wie in Vor-Pandemie-Zeiten: Die letzten CoronaRest­riktionen fallen an diesem Mittwoch. Anzeichen einer Sommer-Infektions­welle gibt es derzeit nicht.

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