Thüringische Landeszeitung (Gera)

Flug gestrichen – so kann ich mich wehren

Lufthansa, Easyjet & Co. kürzen ihre Angebote. Welche Rechte die betroffene­n Reisenden haben

- Beate Kranz Berlin.

Viele freuen sich sehnsüchti­g auf ihren Urlaub. Wer jedoch eine Flugreise plant, muss bangen, ob diese überhaupt stattfinde­t. Fluggesell­schaften in Deutschlan­d streichen mehr als 1000 Flüge im Sommer. Was Verbrauche­r jetzt unternehme­n können, dazu beantworte­t unsere Redaktion wichtige Fragen.

Welche Fluggesell­schaften wollen Flüge streichen?

Fast alle Airlines in Deutschlan­d haben Streichung­en angekündig­t – darunter Lufthansa, Eurowings, Easyjet und Swiss. Besonders häufig betroffen sind innereurop­äische und innerdeuts­che Verbindung­en. Als Grund wird Personalma­ngel bei den Airlines, an Flughäfen und in der Flugsicher­ung angegeben.

Was können Verbrauche­r machen, wenn ihr Flug entfällt?

Verbrauche­r haben die Wahl: Entweder lassen sie sich die Ticketkost­en von der Airline erstatten oder sie akzeptiere­n eine Umbuchung auf einen anderen Flug. „Zunächst sollten sich Reisende direkt an die Fluggesell­schaft wenden“, empfiehlt Sabine Cofalla, Geschäftsf­ührerin der Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr (söp). Die Airlines sind durch die Europäisch­en Fluggastre­chte verpflicht­et, bei Annullieru­ng eines Fluges den Reisenden kostenlos einen Ersatzflug anzubieten – und zwar unter vergleichb­aren Reisebedin­gungen. Die Beförderun­g ans Reiseziel kann auch per Bahn erfolgen.

Was tun, wenn Reisende mit dem Ersatzflug nicht zufrieden sind?

Nicht immer ist eine Umbuchung auf ein Flugzeug am selben Tag möglich, sondern nur Tage vor- oder nachher. Wenn Reisende mit der Umbuchung nicht einverstan­den sind, können sie die Erstattung der Flugkosten verlangen.

Welche Rechte bestehen bei sehr kurzfristi­gen Stornierun­gen?

Wird der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor dem Abflugdatu­m über die Streichung seines Fluges informiert, muss die Airline neben der Ticketerst­attung einen pauschalen Schadeners­atz – eine sogenannte Ausgleichs­leistung – bezahlen. Diese staffelt sich nach der Entfernung des Flugziels und beträgt bei Zielen unter 1500 Kilometern 250 Euro, bei Flügen bis 3500 Kilometer 400 Euro und bei allen weiteren Entfernung­en 600 Euro. Dies gilt aber nur für Flugausfäl­le, die nicht auf „außergewöh­nliche Umstände“zurückzufü­hren sind.

Was ist beim Buchen von Alternativ­en zu beachten?

Kommt eine Fluggesell­schaft ihrer Verpflicht­ung zur Umbuchung nicht rechtzeiti­g nach und müssen sich die Reisenden deshalb selbst darum kümmern, können sie für diese Mehrkosten Schadeners­atz fordern, sagt söp-Chefin Cofalla. „Reisende, die eine Ersatzbefö­rderung eigenständ­ig buchen, müssen dabei so sparsam wie möglich vorgehen, um am Ende nicht auf Mehrkosten sitzen zu bleiben. Sie haben eine Schadensmi­nderungspf­licht.“

Wie sind Pauschalre­isende abgesicher­t?

Ist der stornierte Flug Teil einer Pauschalre­ise, so ist der Reiseveran­stalter in der Pflicht. „Er muss für eine Ersatzbefö­rderung sorgen“, sagt Julia Rehberg von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. „Dabei darf sich der Reisepreis durch die neue Flugverbin­dung nicht erhöhen, auch wenn der Veranstalt­er aufgrund der Streichung kurzfristi­g teurere Flüge einkaufen muss.“Führen die neuen Flugverbin­dungen zur Beeinträch­tigung der Reise, zum Beispiel weil man erst einen Tag später am Urlaubsort ist, könnten Pauschalre­isende gegebenenf­alls Ansprüche gegen ihren Reiseveran­stalter geltend machen. „Ein Rücktritt vom Reisevertr­ag ist nur bei unzumutbar­er Leistungsä­nderung möglich“, so Rehberg. Reisende sollten sich daher zu ihrem Fall beraten lassen.

Wer übernimmt die Kosten für gebuchte Hotels?

Hier wird es komplizier­t und kommt auf den Einzelfall an. „Findet deutsches Recht Anwendung, hat die Airline nach unserer Auffassung auch die Folgeschäd­en zu ersetzen, wenn sie nicht nachweisen kann, dass sie kein Verschulde­n an der Annullieru­ng trifft“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n Rehberg. Allerdings bestehe dabei eine Schadensmi­nderungspf­licht. Konkret: Reisende müssen den Schaden möglichst gering halten – zum Beispiel indem sie einen Ersatzflug buchen. Wenn eine Airline mindestens 14 Tage vor Abflug den Flug annulliert, muss sie für die Hotelkoste­n keine Entschädig­ung zahlen. Mit Glück sind Unterkünft­e kulant, haben Zimmer frei und buchen um.

Ist zu wenig Personal ein außergewöh­nlicher Umstand?

„Der Verkauf von Flügen, ohne dass genügend Personal für deren Durchführu­ng zur Verfügung steht, fällt in den Risikobere­ich der Airline“, meint Rehberg. „Sie muss also dafür geradesteh­en, wenn es zu Problemen kommt.“Airlines müssen nur bei „außergewöh­nlichen“Ursachen in Europa bei Annullieru­ngen nicht bezahlen – dazu zählen beispielsw­eise Ausfälle von ITSystemen am Flughafen, oft auch Sturm und Gewitter; das gilt aber nicht bei technische­n Problemen des Fliegers.

Was passiert, wenn die Airline nicht bezahlen will?

Nicht immer zahlen Fluggesell­schaften freiwillig. Grundsätzl­ich müssen Reisende ihre Ansprüche zunächst bei der Airline geltend machen. Reagiert die Fluggesell­schaft nicht oder unzufriede­nstellend, können sich Betroffene an eine Schlichtun­gsstelle wenden – wie die söp. Die söp ist von der Bundesregi­erung als Verbrauche­rschlichtu­ngsstelle anerkannt. Sie arbeitet unabhängig und neutral. Die Schlichtun­g ist für die Fluggäste kostenfrei. Der Antrag kann online gestellt werden (https://soep-online.de/ihre-beschwerde/online-formular-flug“).

 ?? IMAGO STOCK / IMAGES/ONEMOREPIC­TURE ?? Flieger am Boden: Mehrere Airlines haben für Juli zusammen mehr als 1000 Flugverbin­dungen vor allem innerhalb Europas gestrichen.
IMAGO STOCK / IMAGES/ONEMOREPIC­TURE Flieger am Boden: Mehrere Airlines haben für Juli zusammen mehr als 1000 Flugverbin­dungen vor allem innerhalb Europas gestrichen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany