Thüringische Landeszeitung (Gera)
Ärger im Expresszug
Wer derzeit auf den Franken-Thüringen-Express angewiesen hat, muss Körperkontakt mögen
Dunkle Wolken ziehen über dem Bahnhalt Jena-Paradies auf. Der Franken-Thüringen-Express nach Leipzig kommt zehn Minuten später. Wegen zu langer Haltezeiten angesichts der großen Auslastung, vermeldet die elektronische Stimme über die Bahnhofslautsprecher. Schließlich fährt ein kurzer Elektrotriebzug ein. Voll besetzt.
Ein paar wenige Fahrgäste versuchen, im Slalom vorbei an anderen Reisenden nach draußen kommen. Das Drängen und Schieben beginnt, bis fast alle einen Stehplatz gefunden haben. Einige bekommen die Füße geradeso noch auf die Einstiegsleiste. Vor einigen Wochen hätte eine solche Auslastung die Corona-Polizei auf den Plan gerufen.
Doch nun genießen die Fahrgäste das 9-Euro-Ticket in vollen Zügen, was die Stammnutzer verärgert. Für sie macht die Fahrt zur Arbeit keinen Spaß mehr. Der überfüllte Zug des Franken-Thüringen-Express am Montagvormittag ist kein Einzelfall ist. Die Linie wird von DB Regio in Nordostbayern betreut. Sie hat für diese Fahrt das kleinste verfügbare Fahrzeug geschickt: einen dreiteiligen Talent-2-Elektrozug, obwohl es auch Vier- oder Fünfteiler gibt.
Regelmäßige Bahnfahrer berichten, dass diese Züge auf anderen Strecken im Franken-ThüringenNetz
unterwegs sind – und teilweise bei Weitem nicht ausgelastet sind. Doch warum kommen diese nicht auf der Saalbahn zum Einsatz? Wir haken bei der Deutschen Bahn in Bayern nach, die Antwort fällt eher lapidar aus. Das 9-Euro-Ticket habe die saisonal bedingte größere Nachfrage zu Pfingsten leicht verstärkt. „Jedoch gab es wie erwartet regionale Auslastungsspitzen. Vor allem entlang touristischer Strecken gab es ein höheres Fahrgastaufkommen“, teilt eine Sprecherin mit.
Für Olaf Behr, Landesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn in Thüringen, kommt der Andrang in den Franken-ThüringenZügen angesichts des 9-Euro-Tickets nicht überraschend. „Der FTX war bereits vor Corona der am stärksten nachgefragte Zug auf der Saalbahn, weil er Nürnberg und Leipzig umsteigefrei preiswert verbindet“, sagt der Jenaer. „Allerdings haben wir nicht mit diesen Zuständen gerechnet.“Er appelliert an die Deutsche Bahn und die beteiligten Aufgabenträger, schnellstmöglich für mehr Kapazität zu sorgen. Auf unsere Frage, welche Maßnahmen sie plant, um die Platznot abzustellen, antwortet die Deutsche Bahn nicht konkret. Der Franken-Thüringen-Express fahre ein „hochkomplexes Flügelkonzept“: „Wir als Deutsche Bahn arbeiten stetig an der Verbesserung unserer Verbindungen und Angebote und fahren die maximal mögliche Zuglänge, wann und wo immer es möglich ist.“
Nach Informationen unserer Zeitung wird die Überlastung intern stark diskutiert. Zugbegleiter wollen die Verbindung nicht besetzen – Kontrollieren ist angesichts der überfüllten Gänge sowieso nicht möglich. Auch in Zukunft wird es vorkommen, dass nur dreiteilige Züge fahren. Die Umlaufplanung erlaubt keine Änderungen, weil einige Fahrzeuge gerade in der Werkstatt, teils zur Hauptuntersuchung, stehen, so wird es intern kommuniziert. Zumindest will die Bahn die Toiletten häufiger reinigen lassen und mehr Klopapier-Vorräte mit auf die Reise geben.
Außerdem versucht sie, Passagiere im Raum Nürnberg/Bamberg von den nach Leipzig verkehrenden Zügen auf andere Verbindungen umzulenken, indem Ein- oder Ausstiege in Fürth, Erlangen und Forchheim je nach Richtung aus der elektronischen Reiseauskunft ausgeblendet werden. Zudem kennzeichnet das elektronische System die Fahrten allesamt als „außergewöhnlich ausgelastet“.
Mehr Flexibilität beweist Abellio. Um Triebzüge für andere stark genutzte Strecken freizubekommen, hat das Unternehmen zwei externe Züge gemietet. Die Wagen bringen zwar historisches Flair auf die Saalbahn, aber bieten genügend Platz. Am Montag waren auch in den regulären Abellio-Züge der Linie Saalfeld–Halle noch Plätze frei, sodass auch Fahrräder mitkamen. Bahnexperte Olaf Behr rät Pendlern, auf solche Verbindungen auszuweichen, wenn sie im Saaletal unterwegs sind.